Verpackungsfreier Supermarkt:Ohne alles

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Seit fast zwei Jahren verkauft Hannah Sartin in ihrem Laden unverpackte Lebensmittel. (Foto: Robert Haas)

In dem verpackungsfreien Supermarkt in der Maxvorstadt füllen die Kunden ihre Waren in mitgebrachte Tupperboxen. Manche mögen das als naiv oder elitär abtun, aber der Laden läuft gut.

Von Pia Ratzesberger, München

Es verhielt sich mit den verpackungsfreien Supermärkten recht ähnlich wie mit den Burgerläden. Sie waren plötzlich da. In den größeren Städten eröffnete einer nach dem anderen, in Berlin waren sie einmal wieder die ersten, es folgten Bonn und Heidelberg, Dresden und Schwäbisch Gmünd. Und noch weiter im Süden hoffte Hannah Sartin zu dieser Zeit, dass solch ein Laden vielleicht auch in München eröffnen würde. Es machte aber keiner auf. Also machte sie das.

In ihrem Laden an der Schellingstraße 42 gibt es also keine Verpackungen, das Müsli kommt aus dem Glasspender, auch die Nudeln und die Handcreme. Gleich nebenan verkauft Netto seine Waren, vorne an der Ecke noch Edeka, und die Unterschiede könnten größer nicht sein. Während in den beiden Läden fast alles verpackt ist, stehen in der Hausnummer 42 die Menschen mit ihren mitgebrachten Tupperboxen.

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Manche mögen das als naiv abtun, vielleicht auch als elitär, der Laden aber läuft gut, und das seit bald zwei Jahren. Hannah Sartin, 33 Jahre, sagt: Einer muss ja anfangen, es anders zu machen. Und wer, wenn nicht ihre Generation? Selbst manche großen Biomärkte haben inzwischen kleine Ecken eingerichtet, in denen man ohne Verpackungen einkaufen kann - das ist wohl spätestens der Beweis, dass die Idee mit den verpackungsfreien Supermärkten nicht nur eine Vision von Idealisten ist. Sondern dass sie auch funktioniert.

Nicht nur die Studenten, die Umweltaktivisten kämen in den Laden, sagt Hannah Sartin, also die ohnehin Überzeugten. Sondern eigentlich alle, zumindest, um sich einmal anzusehen, was es mit dem Laden und seinen Glasspendern auf sich hat. Gerade zum Beispiel treten zwei Schülerinnen an die Kasse, Jahrgangsstufe zehn. Sie haben im Unterricht von dem Laden gehört, die Arbeitsblätter in der Hand. "Muss ich fotografieren", sagt Sartin. Manchmal findet sie es selbst noch irre, wie schnell die Stadt den Laden angenommen hat. Anfangs arbeitete nur sie Vollzeit, nach einem halben Jahr kamen auch ihr Mann Carlo und die dritte Gründerin Christine Taub mit dazu. Das Geld reichte.

Hannah Sartin war eigentlich einmal Schneiderin, ihr Mann Ingenieur, und als ihr erstes Kind auf die Welt kam, begann sie das Ganze "global und intergalaktisch zu betrachten". Das war vor sechs Jahren. Sie beschlossen damals, vieles zu ändern, sie kauften erst einmal nicht mehr ein, sondern kochten drei Monate von den bisherigen Vorräten. "Man hat eigentlich immer zu viel." Sie kauften auch keine Nudeln mehr, sondern stellten die einmal in der Woche selbst her, sie gingen nicht mehr zum Supermarkt, sondern auf den Markt. "Wir haben sehr viel Aussteiger-Lektüre gelesen." Aussteigen allerdings wollten sie dann doch nicht. Der Laden ist auch ein Kompromiss. Zwischen einer Distanz zum Konsumwahn - und dem Verbleib in der Stadt.

Damals versuchte Hannah Sartin schon, ohne Plastik einzukaufen, ohne Verpackungen. Das aber bedeutete lange Wege, viel Zeit, auch viel Stress. Ihre Freunde fanden spannend, was sie macht, aber auch "nicht nachahmenswert". Heute kommen sie in den Laden in der Schellingstraße, konsequenterweise hat Sartin ihn "Ohne" genannt. Der Laden sieht nicht nur wegen der Glasspender anders aus, er ist heller und leerer. Letztendlich erinnert er an einen Tante-Emma-Laden, in dem die Gummibärchen noch in einem Glas hinter der Kasse stehen. In dem man 150 Gramm Nudeln kaufen kann und nicht nur 500.

Für manchen aus der Generation von Sartins Großeltern mag das verwunderlich wirken. Sie kennen solche Geschäfte von früher, freuten sich dann über die Megamärkte mit 15 verschiedenen Joghurts. Für sie sieht das vielleicht nach Rückschritt aus. Für Sartin und viele andere nach Fortschritt.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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