Mobilität:Wie Münchens Verkehr 2030 aussehen soll

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Wenn es nach Dieter Reiter geht, soll der individuelle Automobilverkehr keine zentrale Rolle wie bisher mehr einnehmen. (Foto: picture-alliance/ dpa)
  • Oberbürgermeister Reiter will eine Generaldebatte zur Zukunft des Verkehrs.
  • Grundlage der Debatte sollen Vorschläge des Projekts "Modellstadt 2030" sein, das Stadt, Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam erarbeitet haben.
  • Der individuelle Autoverkehr spielt dort nur noch eine untergeordnete Rolle.

Von Sebastian Krass, München

Oberbürgermeister Dieter Reiter will gleich zu Beginn des neuen Jahres im Stadtrat eine Verkehrswende auf den Weg bringen - und damit die CSU unter Zugzwang setzen. In der Sitzung des Planungsausschusses am Mittwoch kündigte er an, im Januar solle das Gremium sich in einer Sitzung ausschließlich einer "Generaldebatte" über die Zukunft des Verkehrs in der Stadt widmen.

Dabei will er "Dinge beschließen, die wegweisend für die Stadt sind". Grundlage der Debatte sollen die Vorschläge des Projekts "Modellstadt 2030" sein, dabei arbeiten Stadt, Wirtschaft und Wissenschaft am Konzept einer "Mobilität, die für alle funktioniert, die sich gut anfühlt und international vorzeigbar ist", wie es in einer Selbstbeschreibung heißt. Der individuelle Autoverkehr spielt da nur noch eine untergeordnete Rolle. Reiter hält die ersten Ergebnisse der Gruppe für "einen wesentlichen Denkanstoß".

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"Dafür hätte ich nicht nach Berlin fliegen müssen", sagte Münchens Bürgermeister Dieter Reiter. Er hatte sich verbindliche Zusagen der Automobilindustrie erhofft.

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Der Stadtrat hat sich damit bisher nicht beschäftigt. Das will Reiter nun schnellstmöglich nachholen. "Es wird spannend zu sehen, wie sich die einzelnen Fraktionen den Verkehr im Jahr 2030 vorstellen und wie sie darüber abstimmen." Ohne die CSU, die traditionell die Bedeutung des Autoverkehrs betont, sich aber zugleich diskussionsbereit für neue Ansätze zeigt, beim Namen zu nennen, sagte Reiter: "Es wird nicht darum gehen, nur die Lippen zu spitzen, man muss dann auch pfeifen." Er brachte als Idee ins Spiel, dass man womöglich künftig "an geraden Tagen nur noch mit ungeradem Nummernschild" in der Stadt unterwegs sein dürfe. Er sei die "kleinteiligen Diskussionen leid", etwa über Verkehr in einzelnen Bebauungsplänen, "es muss eine Gesamtlösung her".

Auslöser für Reiters Vorstoß war die Debatte über die Aufstellung eines Bebauungsplans für das neue Wohnquartier Lerchenauer Straße in Feldmoching. Dort sollen in den nächsten zehn bis 15 Jahren 1600 neue Wohnungen entstehen sowie ein Schulcampus samt Gymnasium und Sportflächen. Ein Vertreter des Planungsreferats stellte die Pläne für die Verkehrserschließung vor. Er ging von drei neuen Bahnunterführungen aus, wo derzeit noch Übergänge mit Schranken sind.

Diese Unterführungen allerdings würden nach Berechnungen der Verwaltung zu einer Verdopplung bis Vervierfachung des Verkehrs in der Lerchenauer, der Feldmochinger und der Lerchenstraße führen. Nur ein kleiner Teil davon entstünde durch die neuen Anwohner. Der Hauptteil wären Pendler aus dem Umland, die zu ihren Arbeitsplätzen in der Stadt, etwa bei BMW, fahren. "Der Verkehr wird das Hauptproblem in den Workshops mit den Bürgern sein", sagte Stadtrat Johann Altmann (Bayernpartei). Herbert Danner von den Grünen ergänzte: "Wenn Sie mit den Zahlen dort auflaufen, dann gute Nacht."

Lärm- und Luftschadstoffemissionen sollen gering gehalten werden

Die Grünen forderten zudem per Änderungsantrag, dass bei den weiteren Planungen für das Wohngebiet der Anteil des Autoverkehrs auf 20 Prozent begrenzt wird. Überdies sollten die Ergebnisse des Projekts "Modellstadt 2030" zur Basis für den städtebaulichen Wettbewerb werden. Bisher liegt zur "Modellstadt" eine Broschüre vor, die die Stadt im Rahmen der sogenannten Inzell-Initiative zusammen mit BMW, Siemens, der TU München, den Stadtwerken und dem MVV erarbeitet hat.

Als ein Ziel nennen die Autoren: "Lärm- und Luftschadstoffemissionen sind gering und liegen unter den gesetzlichen Grenzwerten. Flächeneffiziente, leise sowie saubere Mobilitäts- und Transportarten dominieren." Ein Werkzeug, um das zu erreichen, wäre demnach: "Zugänglichkeit und Geschwindigkeit bestimmter Verkehrsarten und Verkehrsträger werden räumlich und zeitlich gesteuert." Das geht in die Richtung, die Reiter mit den Zufahrtsbeschränkungen nach Nummernschild andeutet.

Der Ausschuss machte in der Abstimmung den Weg für die städtebauliche Entwicklung des Areals insgesamt mit einem einstimmigen Votum frei. Aber auch der Punkt im Antrag der Grünen mit der "Modellstadt 2030" als Leitbild und dem begrenzten Autoverkehr fand Zustimmung, und zwar in einem ungewöhnlichen Bündnis aus den meisten Stadträten der Opposition, drei CSU-Stadträten, darunter der verkehrspolitische Sprecher Johann Sauerer, und Reiter selbst. Die restliche SPD und zwei CSU-Stadträte, darunter der planungspolitische Sprecher Walter Zöller, stimmten dagegen.

Reiter kündigte zudem an, beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs den Druck auf Bund und Freistaat zu erhöhen. "Ich habe die Verkehrsminister Scheuer und Reichhart noch im Dezember zu einem Stelldichein eingeladen", sagte Reiter. "Wir sind der Wirtschaftsmotor im Freistaat Bayern, das will ich honoriert sehen bei der Finanzierung des Nahverkehrs." Er wolle den CSU-Ministern nahebringen, dass das derzeitige Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz "Gift für die Entwicklung der Kernstädte sei", weil die Kommunen nicht das nötige Geld für den Ausbau etwa von U-Bahnen bekämen.

© SZ vom 06.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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