Berlin:Oberbürgermeister Reiter enttäuscht vom Dieselgipfel

Luftverschmutzung in München

Autos stauen sich am Mittleren Ring auf der Landshuter Allee.

(Foto: dpa)
  • Oberbürgermeister Dieter Reiter kehrt nach dem Dieselgipfel in Berlin enttäuscht nach München zurück und bezeichnet das Treffen als "Showveranstaltung".
  • Er hatte sich verbindliche Zusagen der Automobilindustrie erhofft - und Fortschritte bei der Frage, wie Kommunen mit den drohenden Fahrverboten umgehen sollen.
  • Die Standorte der Messstationen zu verändern, um die Grenzwerte einhalten zu können, nennt Reiter "politischen Selbstmord auf Raten".

Von Dominik Hutter

Das war wohl nichts - zumindest in den Augen von Dieter Reiter. Der Münchner Oberbürgermeister ist enttäuscht vom Berliner Dieselgipfel heimgekehrt. Eine "Showveranstaltung" sei das gewesen, schimpfte der SPD-Politiker nach dem Ende des Treffens mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. "Dafür hätte ich nicht nach Berlin fliegen müssen."

Zwar sei die angekündigte Aufstockung der Fördergelder für das Sofortprogramm Saubere Luft prinzipiell positiv. Aufgeteilt auf sämtliche deutschen Kommunen bleibe von der Summe für München aber nicht viel übrig, erklärt Reiter. "Davon lasse ich mich nicht zu Beifallsstürmen hinreißen". Allein die 127 Maßnahmen aus dem Münchner Masterplan, der extra für den bundesweiten Fördertopf erarbeitet wurde, kosteten mehrere hundert Millionen Euro. Und so ehrgeizig die Zeitvorgaben für die Kommunen zur Ausarbeitung ihrer Masterpläne gewesen sei - der Bund lasse sich viel Zeit bei der Bearbeitung der Anträge. Was Berlin bislang genehmigt habe, könne das Problem mit der gesetzwidrig hohen Stickstoffdioxid-Belastung auch nicht annähernd lösen.

Nach Auskunft des städtischen Umweltreferats hat der Bund den Antrag aus München, Elektrobusse für die MVG mit 80 Prozent des Kaufpreises zu bezuschussen, erst abgelehnt und schließlich mit einer halbierten Förderquote von 40 Prozent bewilligt. Reiter erinnert jedoch daran, dass die Stadtbusse lediglich für sieben Prozent der Stickstoffdioxid-Belastung verantwortlich seien. Wichtiger seien daher Maßnahmen für den Pkw- und Lieferverkehr. Dabei komme man um die Reduzierung des Autoverkehrs nicht herum.

Eigentlich hätte sich der OB beim Berliner Gipfel verbindliche Zusagen der Automobilindustrie für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen erhofft. Und Fortschritte bei der Frage, wie denn die Kommunen mit den drohenden Fahrverboten umgehen sollen. Eine Plakette, die schadstoffarme Dieselautos kennzeichnet, sei aber weiterhin nicht in Sicht. Scheuer habe erneut auf die bei Datenschützern umstrittene elektronische Kennzeichenerfassung verwiesen, mit der die Diesel-Spreu vom Weizen getrennt werden könnte.

Viel zu aufwendig und viel zu teuer, kontert Reiter - warum Jahre auf ein neues technisches System warten und viel Geld investieren, wenn es auch ein einfacher Aufkleber tut? Und bei der Autoindustrie sei es der Kanzlerin wie ihrem Minister noch immer nicht geglückt, substantielle Zusage für eine kostenfreie Hardware-Nachrüstung herauszuholen. Das alles gehe zu Lasten der Bürger.

"Wer ein Diesel-Auto hat, hat weiter ein Problem am Hals, von dem er nicht weiß, wie er es lösen soll", ärgert sich Reiter. Ohnehin sei es absurd, dass der Bund durch jahrelanges Nichtstun dazu beigetragen habe, dass nun die Gerichte Fahrverbote verhängen müssen. Die Politik habe sich das Heft aus der Hand nehmen lassen. Frühzeitige Vorgaben für Diesel-Neuzulassungen oder aber zumindest eine neue Plakette für die bestehenden Feinstaub-Umweltzonen hätten zur Problemlösung beitragen können.

Vollends absurd findet Reiter, dass stattdessen beim Gipfel zur Sprache gekommen sei, ob man nicht einfach die Standorte der Messstationen verändern könne, um die EU-Grenzwerte einzuhalten. "Politischer Selbstmord auf Raten" ist das für Reiter. Und die von den Autoherstellern zugesagten Umtauschprämien seien eine Milchmädchenrechnung - derartige Rabatte erhalte man ohnehin beim Neuwagenkauf. Reiter hält die Diesel-Debatte auf Bundesebene inzwischen für eine "Bankrotterklärung des Regierungshandelns".

Nach Auskunft des Umweltreferats fehlt bei den meisten Münchner Anträgen fürs Sofortprogramm Saubere Luft noch die Genehmigung beziehungsweise der Förderbescheid. Von den bisher eingereichten 20 Projekten seien zwei abgelehnt worden - weil der Fördertopf (vor der aktuellen Ausweitung) schon ausgeschöpft gewesen sei. Neben dem von Reiter erwähnten Bus-Förderetat zählt auch der neue Busbetriebshof in Moosach zu den Nein-Kandidaten - dort sollten Lademöglichkeiten für Elektrobusse eingebaut werden. Allerdings plane der Freistaat, die Fördersumme von 5,8 Millionen Euro zu übernehmen. Umweltreferentin Stephanie Jacobs ist dem Bund durchaus für die finanzielle Unterstützung dankbar, kritisiert aber die "bürokratischen Hürden" und die langen Prüfungszeiten. Prinzipiell könne eine Kommune das Diesel-Problem aber nicht allein lösen.

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