Flughafen München:Der schiefe Turm vom Erdinger Moos

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Die Architekten des Towers haben die Fenster der Glaskanzel um 15 Grad nach außen geneigt - das soll störende Reflexionen verhindern. (Foto: Marco Einfeldt)

Den Tower am Flughafen dürfen Besucher nicht betreten. Nur zwölf Mitarbeiter dirigieren alle Flieger, die am Aiport starten und landen. Ein Besuch.

Von Marco Völklein 

Der schiefe Turm vom Erdinger Moos? Ja, das wäre was gewesen! Dann wäre das weithin sichtbare Wahrzeichen des Münchner Flughafens eine ganz besondere Attraktion. Im Jahr 1990 hielt sich tatsächlich lange das Gerücht, dass sich der Moorboden unter dem Turm langsam senkt. Von einer leichten Neigung nach Westen berichteten damals die Zeitungen. Die Grünen im Landtag, ohnehin Gegner der Verlagerung des Flughafens von Riem hinaus ins Erdinger Moos, forderten gar einen sofortigen Baustopp für das gesamte Airport-Areal. Doch so weit kam es dann doch nicht.

Relativ rasch stellte sich heraus, dass die Absenkung vertikal verlief und es sich dabei um eine normale Setzung des Bodens handelte. Die ist bei einem Gebäude dieser Größenordnung nicht außergewöhnlich und von den Ingenieuren auch vorausberechnet worden. Nach wie vor steht der Tower kerzengerade. 78 Meter ist er hoch, der Durchmesser variiert zwischen 8,40 Meter an der engsten und 25,20 Meter an der breitesten Stelle.

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Drei Unternehmen sind mit Mitarbeitern im Tower vertreten: Ganz oben sitzen die Fluglotsen der Deutschen Flugsicherung (DFS). Sie kontrollieren An- und Abflug der Maschinen. Und sie dirigieren die Flugzeuge am Boden über die Rollwege bis zu den großen Straßenbrücken, über die die Jets zu den Vorfeldern an den Terminals rollen.

Genau dort übernehmen die Vorfeldlotsen der Flughafenbetreibergesellschaft den Funkkontakt mit den Piloten und lenken sie zu den Abstellpositionen entweder direkt am Terminal oder auf dem Vorfeld. Zudem überwachen sie den Schlepp- und Werftverkehr, wenn etwa nachts Jets zur Wartung in die Werkstatthallen gebracht werden. In einem weiteren Stockwerk hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) einen Wetterbeobachter postiert. Auch wenn der Turm das Wahrzeichen des Flughafens ist, viel Verkehr herrscht in ihm nicht: Die Zahl der Mitarbeiter ist überschaubar. Pro Schicht sind kaum mehr als ein Dutzend Beschäftigte dort unterwegs.

"Ich entscheide, was da unten passiert"

Zwei Mitarbeiter pro Start- und Landebahn - das reicht? Wo doch zu Spitzenzeiten quasi im Minutentakt die Maschinen aufsetzen oder abheben. "Das ist ein eingespieltes Team", sagt Carl Seifert, der Niederlassungsleiter Tower der Deutschen Flugsicherung (DFS) am Münchner Airport. Einer der beiden Lotsen managt den Verkehr auf der eigentlichen Start- und Landebahn. Er erteilt die Startfreigaben; er weist an, in welcher Höhe und welchem Winkel die Piloten abzudrehen haben. Ebenso sagt er den anfliegenden Piloten, wann sie reinkommen sollen. Oder gibt ihnen die Anweisung zum Durchstarten, wenn es auf der Landepiste doch mal plötzlich eng werden sollte.

Der Kollege rechts daneben ist für die Rollwege zuständig. Er führt die Maschinen zu ihren Startpunkten entlang der vier Kilometer langen Start- und Landebahn. "Er muss die Maschinen vorsortieren", sagt Seifert. Keine triviale Aufgabe: An diesem Vormittag zum Beispiel drängeln sich immer wieder die Maschinen am Westkopf der beiden Start- und Landebahnen. Der "Vorsortierer", wenn man ihn so nennen will, muss dafür sorgen, dass möglichst solche Maschinen hintereinander starten, die in der Luft dann nicht den selben Weg nehmen. Wenn also eine nach dem Start direkt den Weg nach Osten nimmt, sollte die nächste möglichst rasch nach Norden abdrehen. Denn so schaffen es alle Beteiligten, die vorgeschriebenen Mindestabstände einzuhalten und Staus in der Luft zu vermeiden.

Am Himmel über dem Erdinger Moos ist ziemlich viel los. Deshalb bekommen die jeweils zwei Lotsen für die beiden Start- und Landepisten weitere Unterstützung: Zwei Assistenten helfen ihnen und sorgen so für den nötigen Überblick, ein "Supervisor" in der Mitte des Raumes hält den Kontakt zu anderen Stellen am Flughafen und innerhalb der DFS. Beeindruckend ist, wie hoch konzentriert alle bei der Arbeit sind - und dennoch herrscht eine lockere, fast schon gelöste Stimmung hier oben.

Wie wichtig ist es, so weit oben zu sitzen und den Blick nach draußen zu haben? "Sehr wichtig", sagt Seifert. Denn trotz all der technischen Unterstützung, dem Bodenradar beispielsweise - ein Blick aus dem Fenster genügt, um die Lage zu erfassen. Zudem greifen die Lotsen auch immer mal wieder zum Fernglas - und prüfen zum Beispiel, ob bei den landenden Maschinen das Fahrwerk ausgefahren ist. Sollte dies nicht der Fall sein, würden sie eingreifen. Und notfalls den Befehl zum Durchstarten geben.

Wer Werner Schwarzer danach fragt, was denn das Reizvolle sei an seinem Job, der muss nicht lange warten auf eine Antwort. "Dass man etwas bewegen kann", sagt der 52-Jährige dann prompt. Und bei ihm ist das wörtlich zu nehmen. Denn Schwarzer dirigiert vom Flughafen-Tower aus den Verkehr auf dem gesamten westlichen Vorfeld. Kommt eine Maschine rein, dann lotsen die Kollegen der Deutschen Flugsicherung (DFS) sie bis zu einem bestimmten Übergabepunkt auf dem Flughafenareal. An dem übernehmen Schwarzer und seine Kollegen von der Vorfeldkontrolle den Jet.

Auf dem Computer sehen sie, zu welcher Position das Flugzeug rollen soll. "Ich entscheide, was da unten passiert", sagt Schwarzer. Je nach dem, wie viel los ist, weisen die Vorfeldlotsen den Piloten dann ihre Rollwege zu. Wichtig ist dabei, dass sich die zahlreichen Maschinen nicht irgendwie ins Gehege kommen - das ist bei 80 Metern Spannweite, die etwa ein Airbus A380 aufweist, eine reichlich knifflige Aufgabe. Zumal die hereinrollenden Jets an den abfliegenden Maschinen vorbeigelotst werden müssen. Damit stets genügend Abstand eingehalten wird, sind auf dem westlichen Vorfeld verschiedenfarbige Linien aufgepinselt, auf denen die Piloten entlangrollen müssen.

Kommt einer mal von seinem ihm zugewiesenen Weg ab, können Schwarzer und seine Leute ihn per Funk wieder zurück auf die richtige Linie dirigieren. Zudem sind Induktionsschleifen im Boden verbaut. Rollt ein Flugzeugführer über eine solche drüber und somit in einen Bereich hinein, in dem er eigentlich nichts zu suchen hat, springt ein "Stoppbarren" an: Rote Lichter am Boden leuchten auf, zudem erklingt in der Vorfeldkontrolle ein akustischer Alarm. Pro Schicht sind zwei Mitarbeiter im Einsatz, die vom großen Tower aus den Betrieb auf dem westlichen Vorfeld überwachen.

Das Geschehen auf dem Rollfeld immer im Blick: Die Vorfeldlotsen des Flughafens weisen den Piloten den Weg zu den Abstell- und Parkpositionen (Foto: Marco Einfeldt)

Von hier aus wird zudem der Verkehr im Frachtbereich und vor den Wartungshallen der Lufthansa-Techniktochter im Westen gesteuert. Das östliche Vorfeld rund um das Terminal 2 und das neue Satellitenterminal ist vom großen Tower aus nicht einsehbar. Deshalb wurde dort mit Inbetriebnahme des Terminals 2 im Jahr 2003 ein kleinerer Vorfeldtower errichtet. Dort sind pro Schicht vier Vorfeldlotsen tätig. Und wo arbeitet Schwarzer lieber? "Schon drüben", sagt er und deutet auf den kleinen Vorfeldtower. "Da ist deutlich mehr los."

Alle 15 Minuten macht sich Sebastian Konschake auf die Socken. Dann dreht der 19-Jährige eine Runde auf dem Turm - und lässt den Blick schweifen. 360 Grad, einmal über das komplette Flughafengelände, im Süden bis in die Alpen, im Norden bis zum Freisinger Domberg. Was er da dann sieht? "Die Wetterlage", sagt der Wetterbeobachter des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Welche Wolken haben sich gebildet? In welcher Höhe? Wie ist die Sicht? Und zeichnen sich vielleicht am Horizont schon irgendwelche Veränderungen ab, eine mögliche Gewitterfront? Dann setzt Konschake zwei Wettermeldungen ab - einmal eine interne für den DWD mit allerlei unverständlichen Daten, Zahlen und Kürzeln, einmal eine für die allgemeine Luftfahrt, aber auch diese ist für Laien kaum zu verstehen.

Wichtig sind die Wettermeldungen dennoch: Denn zum einen helfen sie den Piloten wie auch den Fluglotsen bei ihrer Arbeit, beispielsweise beim Anflug auf den Münchner Flughafen. Zum anderen ist die genaue Beobachtung der aktuellen Wetterlage auch eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Fachleute des DWD möglichst genaue Wettervorhersagen erstellen können. "Die Wetterbeobachtung ist die Basis", sagt Katrin Hohmann vom DWD. Ohne die exakten Daten der Wetterbeobachter würden die Prognosemodelle der Meteorologen gar nicht funktionieren.

Sicherheit schon beim Zutritt

Einmal rundrum: Wetterbeobachter Sebastian Konschake beim Kontrollgang. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Eingang ist unspektakulär. Über eine Glastür am Fuß des Towers geht es rein ins Gebäude. Dann aber steht man bereits vor der nächsten Sperre. Eine enge Drehtür, die nur passieren darf, wer sich per Dienstausweis legitimieren kann. Sicherheit ist ein wichtiger Aspekt im Tower, nicht nur bei der Zutrittskontrolle, sondern auch im laufenden Betrieb: Sollte etwa der Turm aus irgendeinem Grund mal nicht nutzbar sein, können die Fluglotsen der Deutschen Flugsicherung (DFS) wie auch die Vorfeldlotsen des Flughafens ihre Sachen zusammenpacken - und umziehen in den kleinen Tower auf dem östlichen Vorfeld.

Dort überwachen normalerweise nur die Vorfeldlotsen des Flughafens die Bewegungen am Boden vor dem Terminal 2 sowie rund um das neue Satellitenterminal. "Für uns sind dort aber auch Notfallarbeitsplätze vorgesehen", sagt DFS-Manager Carl Seifert. Seine Leute könnten dann von dort aus den Flugbetrieb aufrecht erhalten, wenn auch "mit verminderter Kapazität", wie Seifert sagt.

© SZ vom 08.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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