Klassik:Jubel auf der Zielgeraden

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Rudolf Buchbinder, Valery Gergiev und die Münchner Philharmoniker spielen in der Isarphilharmonie.

Von Egbert Tholl, München

Beethoven hat er ja eigentlich drauf. Zur Eröffnung der Isarphilharmonie im Oktober dirigierte Valery Gergiev alle fünf Klavierkonzerte Ludwig van Beethovens, den Solopart übernahm auf verzaubernde Weise Daniil Trifonov. Nun also wieder Beethoven, das vierte Klavierkonzert, mit Gergiev und den Münchner Philharmonikern, wieder in der Isarphilharmonie, aber das Klavier spielt diesmal Rudolf Buchbinder, dem das Orchester erst einmal nachträglich zum Geburtstag gratuliert - am 1. Dezember wurde er 75 Jahre alt.

Es ist faszinierend, mit welcher Skepsis Buchbinder alleine das Konzert eröffnet. Er dürfte es viele hundert Male gespielt haben, aber er ist darüber nicht altklug geworden. Völlig souverän, das schon, vielleicht sogar überzeugt davon, in diesem Moment den für ihn letztgültigen Zugang zu dem Werk gefunden zu haben. Aber doch scheint er immer noch etwas auszuprobieren, da die Überbetonung wuchtiger Bassakkorde, dort die fragile Poesie im zweiten Satz. Buchbinder setzt die Vorgaben, Gergiev dirigiert hinterher, ohne großartige eigene Ideen - so ähnlich war es auch schon bei der Eröffnung. Wieder bleiben der Trost des Klaviers und die für dieses grandiose Akustik der Isarphilharmonie, die Buchbinder auch mit der Zugabe, dem Scherzo aus der "Jagdsonate", hochvirtuos unter Beweis stellt.

Nach der Pause Prokofjews fünfte Symphonie, und Gergiev wirkt wie verwandelt, geistig nun völlig präsent, was sich sofort auf das Orchester überträgt. Alle sind hellwach, und so seltsam diese Musik ist, so fabelhaft wird sie gespielt. Freilich: Man merkt deutlich, dass 1350 Zuhörer fehlen, man merkt es auch in der Akustik, von der Tristesse schütterer Zusammenkunft braucht man gar nicht reden. Oft tappt Prokofjews Musik hier ohne rechtes Ziel herum, aber der zweite Satz wird zu einem funkelnden Meisterwerk, mitreißend, jazzig, grotesk und sehr urban. Danach schweben Momente sehnsüchtiger Schönheit vorbei, bevor Gergiev und die Philharmoniker rasant in die Zielgerade einbiegen. Jubel der Wenigen.

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