Die Zahl der Schulwegunfälle ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. 2018 kam es nach Angaben der Polizei zu 119 solchen Unfällen im Stadtgebiet, im Jahr davor waren es 85. Es ist der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Ein besonders schweres Unglück geschah im Mai vergangenen Jahres, als ein neunjähriges Mädchen an der Schleißheimer Straße auf ihrem Fahrrad von einem nach rechts abbiegenden Lastwagen überrollt und dabei getötet wurde.
Die Schulwegunfälle sind Teil der Unfallstatistik, die an diesem Dienstag im Stadtrat vorgestellt wird. Insgesamt meldete die Polizei 123 verunglückte Schüler. Die meisten (86) waren mit dem Rad unterwegs. 31 Kinder waren zu Fuß unterwegs, ein Kind wurde im Schulbus verletzt, fünf weitere in anderen Verkehrsmitteln wie Privatautos oder Linienbussen. Am häufigsten, nämlich 28 Mal, waren Zwölfjährige in Unfälle involviert, allein 20 von ihnen waren mit dem Rad unterwegs.
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Häufig passieren Unfälle, wenn Schüler über die Straße gehen, ohne auf den Verkehr zu achten. Ebenso gefährlich ist es, in der verkehrten Richtung oder auf dem Gehweg zu radeln, beide Ursachen führten jeweils 13 Mal zu Unfällen. Häufig ist jedoch nicht falsches Verhalten der Schüler schuld, sondern das anderer Verkehrsteilnehmer. 40 Mal passierten Unfälle beim Abbiegen, Wenden oder beim Anfahren. Seltener, fünfmal, war überhöhte Geschwindigkeit die Ursache.
Nach jedem Vorfall schaut sich die Polizei nach eigenen Angaben den Unfallort an und überprüft, ob sich dort baulich oder mit Beschilderungen die Sicherheit erhöhen ließe. So können etwa Halteverbote oder geschnittene Hecken die Übersicht an einer Kreuzung erhöhen. Sollte ein Kind den Unfall verursacht haben, weil es gegen Verkehrsvorschriften verstoßen hat, so bietet die Polizei an der Schule des verunglückten Kindes gesondert Verkehrserziehung an.
Was die Zahl der Unfälle im Stadtgebiet insgesamt angeht, so ist diese im Vergleich zum Vorjahr nur leicht um 2,7 Prozent auf 46 408 erfasste Fälle gestiegen. 17 Menschen kamen dabei ums Leben, das sind fünf weniger als im Jahr davor. Sieben davon waren Radfahrer, vier Fußgänger. Die Zahl der Schwerverletzten im Straßenverkehr stieg um 30 auf 618.
Gefahrenstellen systematisch erfassen, analysieren und dann entschärfen
Die Unfallzahlen nur mit dem Vorjahr zu vergleichen und daraus Schlüsse zu ziehen, hält das Kreisverwaltungsreferat für keine gute Idee. Besser sei es, so heißt es in der Stadtratsvorlage, sich die längerfristigen Entwicklungen anzuschauen. Ein einzelner heißer Sommer etwa, in dem besonders viele Radfahrer unterwegs sind, kann leicht ein verzerrtes Bild hervorrufen. Und ohne die Ursachen tiefer zu untersuchen, sei nur eine Wertung unter Vorbehalt möglich. Nach Einschätzung von Polizei und Behörde aber zeichnet sich ab, dass es in einer wachsenden Stadt auch mehr Verkehr gibt - und somit auch die Unfallzahlen steigen. Dass es 2018 besonders viele Radunfälle auf dem Schulweg gab, könne am allgemein stark zunehmenden Radverkehr und dem heißen Sommer liegen, aber auch an der nach wie vor oft unzureichenden Infrastruktur für den Radverkehr.
Dazu komme, dass regelwidriges Verhalten im Straßenverkehr zunehme. Vor allem zu hohe Geschwindigkeit ist ein Problem, aber auch Alkohol- und Drogenkonsum sowie, ganz allgemein, mangelnde Vorsicht. Ein "besonderes Phänomen" sei dabei die zunehmende Zahl an Auffahrunfällen, weil die Autofahrer von ihrem Handy abgelenkt waren. Die Hälfte nutze das Mobiltelefon verbotenerweise ohne Freisprechanlage.
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Die Zahl der Verkehrstoten und der Verletzten hat sich im vergangenen Jahr deutlich erhöht. Als Gründe nennt die Polizei überhöhte Geschwindigkeit, Trunkenheit, Ablenkungen durch Handys - und den langen Sommer
Die Stadt selbst kann zwar nicht verhindern, dass sich Autofahrer falsch verhalten. Dennoch hat sie zum Beispiel auf den tödlichen Unfall im Mai mit Umbaumaßnahmen der Kreuzung an der Schleißheimer Straße reagiert, die Radwegfurt rot eingefärbt, Ampelschaltungen verändert, eine Bushaltestelle versetzt, Mittelinseln verschmälert und neue Verkehrsschilder angebracht. Die Suche nach Schulweghelfern für diese Kreuzung blieb bisher allerdings erfolglos.
Zum Umsetzen des vergangenes Jahr beschlossenen Verkehrssicherheitskonzepts will die Stadt die Unfallkommission mit fünf Stellen verstärken, Gefahrenstellen systematisch erfassen, analysieren und dann entschärfen. Eine Software zur Unfalldatenanalyse werde aber nicht vor 2021 zum Einsatz kommen. Womöglich schon im nächsten Jahr will die Stadt an ausgewählten Kreuzungen probehalber sogenannte Trixie-Spiegel anbringen, die den "toten Winkel" erfassen und so die Übersicht für Lastwagenfahrern verbessern sollen. So lange noch nicht alle Lkw mit elektronischen Warnsystemen ausgestattet sind, soll diese Maßnahme die Gefahr für Radfahrer verringern.
Auch wenn die Stadt einiges tut: Das KVR rechnet damit, dass sich die Summe aus verschiedenen Maßnahmen wohl erst von Mitte der 2020er-Jahre an messbar positiv auf die Sicherheit auswirken wird.