Umweltschutz:Ohne das Diesel-Fahrverbot erstickt München an seinem Wohlstand

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Es braucht von allen Seiten Druck auf diejenigen, die mit ihren Autoabgasen die Gesundheit anderer gefährden. (Foto: dpa-tmn)

Der Vorschlag von Oberbürgermeister Dieter Reiter mag viele vor den Kopf stoßen. Doch er ist die einzige Chance für die boomende Stadt.

Kommentar von Nina Bovensiepen

München hat ein Problem, um das viele Metropolen weltweit es beneiden: Die Stadt wächst im Wohlstand. Die Arbeitsplätze in der bayerischen Landeshauptstadt sind so attraktiv, die Berge so schön, die Stadt ist so sicher und die Lebensqualität so hoch, dass München immer noch mehr Menschen lockt. Als unerfreulichste Nebenwirkung dieses Wachstums galten bis vor einiger Zeit die immer weiter steigenden Miet- und Immobilienpreise. Inzwischen gibt es aber ein Thema, über das die Münchner noch mehr fluchen: Es ist der Verkehrskollaps, den die Stadt erlebt.

Ob auf Straßen, auf denen der Verkehr morgens und abends steht statt fließt, oder im öffentlichen Nahverkehr, in dem sich Menschen drängeln - täglich wird sichtbar, dass München an seine Grenzen gerät. Viele Jahre lang wurde dem relativ untätig zugeschaut. Doch jetzt kommt ein wichtiges Signal, das für die Stadt und auch darüber hinaus einen Wendepunkt markieren kann. Es ist die Ankündigung des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter, mit flächendeckenden Diesel-Fahrverboten Ernst zu machen.

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Von Nina Bovensiepen

Die Stadt droht an ihrem Wohlstand zu ersticken

Die Dimension dieser Aussage lässt sich an ein paar Zahlen ermessen. Zwischen 2012 und 2017 ist die Zahl der zugelassenen Autos allein in München von 660 000 auf 720 000 emporgeschnellt. Von den 720 000 sind 295 000 Dieselfahrzeuge. Viele Münchner lieben ihre Autos wie viele andere Deutsche, und ein drohendes Fahrverbot wird nicht nur die Dieselfahrer gegen das vom Oberbürgermeister in Aussicht gestellte Unheil aufbringen. Die Autolobby und die Hersteller - mit BMW hat einer der Großen seinen Sitz in der Landeshauptstadt - werden aufheulen, viele andere Unternehmen ebenso, deren Dienstflotten aus Dieselfahrzeugen bestehen. All das macht allerdings nur deutlicher, wie richtig und notwendig das Signal aus München ist.

Der Weckruf kommt ja nicht aus heiterem Himmel - und im Übrigen auch nicht ganz freiwillig. Der Verkehrskollaps in München und anderen Städten zeitigt seit Jahren umwelt- und gesundheitsgefährdende Folgen. Die von der EU zugelassenen Feinstaub- beziehungsweise Stickoxid-Werte werden in vielen deutschen Kommunen regelmäßig überschritten. Das ist allseits bekannt und auch, dass damit das wichtigste Gut eines jeden Menschen, die Gesundheit, aufs Spiel gesetzt wird. Doch wo immer die in dieser Angelegenheit sehr umtriebige Deutsche Umwelthilfe einen Sieg vor Gericht erlangt, folgt zwischen Bund, Ländern und Kommunen meist ein Schwarze-Peter-Spiel dazu, wer denn nun der Böse sei. Mehr meistens nicht. Oder jetzt eben doch.

Auch den Freistaat und die Stadt München hat die Umwelthilfe längst verklagt, und recht bekommen. Vielleicht würde es in absehbarer Zukunft ohnehin darauf hinauslaufen, dass an Fahrverboten in München nichts mehr vorbeiführt. Insofern dürfte es Reiter mit seiner Ankündigung auch darum gehen, dem Eindruck zuvorzukommen, dass er ein Getriebener ist, einer der Gerichtsentscheidungen hinterherläuft. Aber besser noch getrieben handeln als gar nicht - wie zum Beispiel Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Seine Amtszeit endet bald, und hoffentlich wird in der neuen Regierung ein weitsichtigerer Politiker mit mehr Bewusstsein für den Wert von Umwelt und Gesundheit diese wichtige Position besetzen. Denn es ist für Bund, Länder und Städte gleichermaßen unwürdig, wenn Richter ihnen vorschreiben müssen, wie sie das Richtige für die Gesundheit ihrer Bürger tun.

Die Verkehrswende vollzieht sich zu langsam

Auf die Einsicht und Vernunft jener Bürger zu setzen, bringt hierbei leider wenig. Sonst wäre die Verkehrswende, die in deutschen Städten schlicht notwendig ist, schon viel weiter. Das Autofahren ist vielen Deutschen nach wie vor heilig. In jüngeren Generationen mag ein Sinneswandel eingesetzt haben. Da gibt es andere Statussymbole als das eigene Auto und es gilt mitunter als viel moderner, sich mit einer klugen Kombination aus Rad, öffentlichem Nahverkehr und Carsharing durchs Leben zu bewegen. Doch dieser "natürliche" Teil der Verkehrswende vollzieht sich zu langsam.

Deshalb ist Druck nötig. Es braucht den Druck der Gerichte auf Länder und Kommunen, damit diese für saubere Luft sorgen. Es braucht den Druck von EU und Bundesregierung auf die Autohersteller, damit diese in die umweltfreundlichsten Technologien investieren. Und es braucht von allen Seiten Druck auf diejenigen, die mit ihren Autoabgasen die Gesundheit anderer gefährden. Dazu ist ein in Aussicht gestelltes Fahrverbot - von dem noch lange nicht sicher ist, dass es überhaupt kommt - das richtige Mittel. Es würde München, wie auch andere Städte, noch lebenswerter machen.

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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