Umstrittene Forscher:Problematische Ehrungen für TU-Forscher

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Die TU München will sich ihrer Vergangenheit stellen. (Foto: Florian Peljak)
  • Zwar hat sich die Technische Universität München längst ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit gestellt.
  • Doch beim Umgang mit der Vergangenheit im Alltag steht die TU wiederholt in der Kritik.
  • Eine Frage bei vergangenen Ehrungen ist, was schwerer wiegt: eine große Forschungsleistung oder die Mittäterschaft im Nationalsozialismus?

Von Jakob Wetzel

Bewusst verdrängt wird hier nichts. Längst hat sich die Technische Universität (TU) ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit gestellt. Das ist spät passiert, wie so oft im deutschen Wissenschaftsbetrieb, aber ohne Scheu vor unbequemen Ergebnissen. Schon in den Neunzigerjahren legte die TU eine erste Studie zu dem dunklen Kapitel ihrer Geschichte vor.

Später ließ TU-Präsident Wolfgang Herrmann für die Chronik der Universität im Detail erforschen, wessen sich die Technische Hochschule (TH), wie die TU damals hieß, schuldig gemacht hat. Und auch die Initiative zur neuen Sonderausstellung im NS-Dokuzentrum kam aus der TU: Der Wille, sich der Vergangenheit zu stellen, ist da. Doch Studien und Ausstellungen sind nur das Eine. Das Andere ist der Umgang mit der Vergangenheit im Alltag. Und hier stand die TU wiederholt als geschichtsvergessen in der Kritik.

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Es ist die immer gleiche Frage: Wie steht eine Uni zu Wissenschaftlern, deren akademische Leistungen zwar zu würdigen sind, an deren Verdiensten aber Blut klebt? Was wiegt schwerer: eine große Forschungsleistung oder die Mittäterschaft im Nationalsozialismus? Diese Frage ist nicht immer einfach zu beantworten, von der TU aber wurde sie oft gar nicht erst gestellt. Die problematischen Seiten blieben außen vor.

Beispiele dafür gibt es mehrere. Aufsehen erregte etwa der Fall Willy Messerschmitt im Jahr 2006. In der damals neu eröffneten U-Bahn-Station Garching Forschungszentrum hängte die TU zahlreiche Wandtafeln auf, um an Wissenschaftler wie Albert Einstein und Rudolf Diesel, aber auch an Claude Dornier und eben Messerschmitt zu erinnern. Die beiden wurden als Pioniere der Luftfahrt gelobt.

Einen Hinweis darauf, dass sie in den Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen verstrickt waren, gab es indes nicht. Max Mannheimer, der Präsident der Lagergemeinschaft Dachau, sprach damals von einer "Technikbegeisterung, die mit Geschichtsblindheit einhergeht". Die TU reagierte auf den Protest, indem sie einen erklärenden Satz ergänzte. An den ehrenden Tafeln für Messerschmitt und Dornier hielt sie aber fest.

Messerschmitt steht an der TU ohnehin in prominentem Andenken. Auf der Internetseite der Universität wird er wiederum mit Dornier als "Gründungspionier" geehrt, also als Vorbild von heutigen, jungen Start-up-Gründern. Beide werden in einer Kurzvita vorgestellt, die ihre Erfolge betont. Ein Hinweis auf die Nazi-Verstrickung der beiden, fehlt aber auch hier. Im Fakultätsgebäude für Maschinenwesen in Garching existiert darüber hinaus ein Willy-Messerschmitt-Zeichensaal.

Auf dem Stammgelände der TU wiederum gibt es zwei Trakte, die als "Bestelmeyer Nord" und "Bestelmeyer Süd" ausgeschildert sind. German Bestelmeyer hatte sie errichtet: Der TH-Professor für Architektur war ein umtriebiger Architekt, unter anderem erweiterte er beide Münchner Universitäten erheblich und schuf etwa den Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität. Daneben aber agitierte er gegen modern bauende Kollegen wie Robert Vorhoelzer und beteiligte sich auch an der Hetze gegen Thomas Mann, der daraufhin 1933 emigrierte.

Bestelmeyer ist bei allem fachlichen Können ein problematischer Teil der TU-Geschichte. In Image-Broschüren jedoch wirbt die Fakultät für Architektur, sie sei "mit glanzvollen Namen" wie "Gottfried von Neureuther, Friedrich Thiersch, Robert Vorhoelzer, German Bestelmeyer" verbunden. Einen einordnenden Kommentar gibt es dazu nicht.

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Ein weiteres Beispiel ist Wernher von Braun. Der Ingenieur, der später Raketen für die USA konstruierte, entwickelte zuvor für die Nazis die Terrorwaffe V 2 und war mitschuldig am Tod vieler Tausender KZ-Häftlinge und Zivilisten. Davon aber wollte nach 1945 lange niemand etwas wissen. Von Braun selbst stellte sich als Visionär dar, der nur an seine Arbeit dachte, nicht an deren Folgen; das war ein gängiges Rechtfertigungsmuster unter Naturwissenschaftlern. Der US-Satiriker Tom Lehrer besang diese Leugnung jeder Verantwortung 1967 mit der Zeile: "Once the rockets are up, who cares where they come down? That's not my department, says Wernher von Braun".

In Deutschland war diese Rhetorik lange präsent, verfängt jedoch immer weniger. Vor wenigen Jahren gaben sich zwei nach von Braun benannte Schulen wegen der Nazi-Verstrickung ihres Patrons neue Namen. Die TU freilich ehrte den Mann, als sich 2012 sein 100. Geburtstag jährte, mit einem Festkolloquium als Raumfahrtpionier. Es sprachen Weggefährten, Verwandte, Schüler und Freunde.

Und dann sind da die Ehrendoktoren. Anfang 2018 wurde öffentlich bekannt, dass die TU noch immer mindestens vier Nazis mit Ehrendoktor- oder Ehrensenatortiteln würdigt: den General Emil Zenetti, den Leiter der Kriegsbautruppe "Organisation Todt" Fritz Todt, das Fliegerass aus dem Ersten Weltkrieg Ernst Udet sowie Willy Messerschmitt. Ehrungen wie diese gab es auch anderswo, die LMU etwa verlieh im Nazi-Reich gar Hans Frank einen Ehrendoktortitel, dem 1946 als Hauptkriegsverbrecher hingerichteten "Schlächter von Polen". Doch Frank ist aus dem ehrenden Andenken der Uni verschwunden.

Bei der TU hingegen kann es passieren, dass einer in einer Festschrift blättert, etwa in der von 1993 zum 125. Geburtstag, und darin zufällig auf die Namen der belasteten Ehrendoktoren stößt. Sie sind eingereiht in die Namen aller anderen Ehrendoktoren, und sie sind wie jene versehen mit lobenden Sätzen über den Grund der Ehrung. Ein weiterer Kommentar fehlt. Ganz so, als gäbe es zwischen ihnen keinen großen Unterschied. Die TU kündigte an, die Ehrungen zu überprüfen.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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