Universität:TU München ehrt immer noch Nazi-Sympathisanten

Fritz Todt und Hermann Göring in Nürnberg, 1938

Der Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen Fritz Todt (li.) und Hermann Göring in Nürnberg.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)
  • Bis heute ehrt die Technische Universität vier Männer, die in die Verbrechen der Nationalsozialisten verstrickt waren oder ihrer Propaganda dienten.
  • Jetzt prüft die Universität, die 2018 150-jähriges Bestehen feiert, die Angelegenheit.

Von Jakob Wetzel

Es ist eine fragwürdige Truppe, deren Andenken da von der Technischen Universität (TU) München in Ehren gehalten wird: Der eine war ein Nazi-General, der andere ein Fliegerass aus dem Ersten Weltkrieg, das sich von den Nazis zum Helden stilisieren ließ. Der dritte war ein begnadeter Ingenieur, forderte aber vehement den Einsatz von Zwangsarbeitern in der Luftrüstung. Und der vierte war "Alter Kämpfer" der NSDAP und gründete die paramilitärische Kriegsbautruppe "Organisation Todt".

Emil Zenetti, Ernst Udet, Wilhelm Messerschmitt und Fritz Todt: Sie alle wurden in der Zeit des Nationalsozialismus von der Technischen Hochschule, wie die TU damals hieß, geehrt, Zenetti als "Ehrensenator", die anderen mit einem Doktortitel ehrenhalber. Alle vier sind längst tot. Und obwohl viele Jahre seit dem Ende der Nazi-Diktatur verstrichen sind, tragen sie nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung alle ihre Ehrentitel bis heute.

Es sind Altlasten aus einer Zeit, an die sich die TU weniger gerne erinnert als etwa an Carl von Linde oder an Rudolf Diesel, ihre zwei berühmtesten Erfinder. Denn die TU ist eine stolze Universität mit einer eindrucksvollen Geschichte: Unter ihren Forschern und Alumni zählt sie alleine 17 Nobelpreisträger. In diesem Jahr feiert sie ihr 150-jähriges Bestehen; das Festprogramm steht unter dem Motto "Culture of Excellence". Und die Frage drängt sich auf: Wie geht eine exzellente Universität mit den düsteren Kapiteln ihrer Geschichte um?

Dabei hat sich die TU sehr wohl mit ihrer Vergangenheit zwischen 1933 und 1945 auseinandergesetzt - das geschah zwar spät, wie an anderen Hochschulen auch, aber dafür gründlich. Der Technikhistoriker Ulrich Wengenroth skizzierte bereits 1993, wie von 1933 an rechtsradikale Studenten gegen jüdische und demokratische Kommilitonen und Dozenten hetzten, wie sich die Professoren mit den Machthabern arrangierten, oder wie sich die Technische Hochschule unter ihrem von den Nazis oktroyierten "Führerrektor" Lutz Pistor der Kriegsindustrie andiente. 2006 legte der Historiker Martin Pabst eine noch ausführlichere Analyse vor.

Auch damals geschehenem Unrecht hat sich die TU gestellt: Vor etwas mehr als zehn Jahren etwa hat sie vier jüdischen Absolventen, denen unter Pistor aus antisemitischen Motiven heraus ihre regulär erworbenen Doktorgrade entzogen worden waren, diese posthum wieder zuerkannt. TU-Präsident Wolfgang Herrmann erklärte damals, der damalige Rektor habe "in seiner Nazi-Hörigkeit die Freiheit der Academia verraten".

Den Entzug der Titel zu korrigieren, sei Herrmann ein großes Anliegen gewesen, heißt es heute aus der Universität. Ob die TU jetzt auch die vier damals verliehenen Ehrungen revidieren sollte, wolle sie nun differenziert und systematisch prüfen. Womöglich werde sie noch im Jubiläumsjahr 2018 reagieren, sagt ein Sprecher.

Um wissenschaftliche Verdienste geht es beim Titel "Ehrensenator" nicht

Prüfen will die Universität dabei hauptsächlich, ob es sich bei den 1938 verliehenen Ehrendoktortiteln um reine Ehrungen handelte wie bei "Ehrensenator" Emil Zenetti, oder ob der Grad auch im Hinblick auf ein besonderes akademisches Verdienst verliehen worden ist. Nach der aktuellen Promotionsordnung wird die Würde eines Ehrendoktors ausschließlich an Personen verliehen, die eine "außergewöhnliche wissenschaftliche, technische, medizinische oder künstlerische Leistung" vollbracht haben.

Mit dem Titel eines "Ehrensenators" hingegen werden heute schlicht Persönlichkeiten gewürdigt, die sich "durch langjähriges Engagement um die Zukunftsentwicklung der Universität verdient gemacht haben". Eine eigene wissenschaftliche Leistung ist dafür nicht nötig. Damit rührt die TU an die grundsätzliche Frage, wie mit Forschern umzugehen ist, die zwar in der Wissenschaft Verdienste erworben haben, die aber verstrickt waren in das Unrechtsregime der Nazis.

Dabei geht es nicht darum, ihnen ihre wissenschaftlichen Verdienste abzusprechen, sofern sie welche errungen haben - bei Ernst Udet etwa erscheint das mehr als fraglich. Die TU muss sich vielmehr fragen, ob es auch bei begnadeten Wissenschaftlern angemessen ist, sie zu ehren, wenn ihr Lebenswerk derart kompromittiert ist.

Andere Universitäten haben vergleichbare Entscheidungen bereits getroffen. Im vergangenen Jahr entzog zum Beispiel die Justus-Liebig-Universität Gießen dem Hirnforscher Julius Hallervorden die Ehrendoktorwürde, die ihm der Fachbereich Medizin der hessischen Universität im Jahr 1962 verliehen hatte. Hallervorden war in das "Euthanasie"-Programm der Nazis verstrickt, also in den Massenmord an Kranken. Aus demselben Grund nahm dieselbe Uni wenig später auch ihre 1969 verliehene Ehrensenatorenwürde für Hallervordens Weggefährten zurück, den Neuropathologen Hugo Spatz.

In Bayern legt das Hochschulgesetz fest, dass ein bereits verliehener akademischer Grad wieder entzogen werden kann, falls sich der Inhaber "durch ein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat". Das gilt für reguläre Doktortitel ebenso wie für Ehrendoktoren, und es gilt unabhängig davon, ob der Grad für eine bestimmte wissenschaftliche Leistung oder allgemein für ein Lebenswerk verliehen worden ist. Entscheiden müsse darüber die Hochschule, die den Grad verliehen hat - in diesem Fall also die TU.

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