Geflüchtete aus der Ukraine:München sucht Tausende Betten

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Das Ankunftszentrum in der Messe ist für 4000 Geflüchtete aus der Ukraine ausgelegt. Für die Stadt liegt die Schmerzgrenze aber bei 2000 Menschen. (Foto: Michael Nagy/Presseamt)

Derzeit leben schätzungsweise 8000 Menschen aus der Ukraine in Privatunterkünften. Wie lange sie dort noch bleiben können, weiß aber niemand. Manch einer sieht München deshalb schon "auf eine Katastrophe zusteuern".

Von Thomas Anlauf

Zwei Monate nach Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine kommen täglich noch immer Hunderte Geflüchtete in München an. Mittlerweile seien mehr als 33 000 Menschen gezählt worden, die vor allem am Hauptbahnhof stranden. "Es bleiben aber nicht alle", sagte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) am Dienstagnachmittag in einer Videokonferenz des Stadtrats. In den vergangenen Tagen habe sich die Kurve der Ankommenden leicht abgeflacht, sagte Wolfgang Schäuble, Leiter des städtischen Krisenstabs. Es gebe in der Stadt bislang 12 141 Anmeldungen von Geflüchteten aus der Ukraine. Da sich diese allerdings zunächst nicht registrieren lassen müssen, ist unklar, wie viele Menschen derzeit hier leben. Dietl sprach von mehr als 8000 Menschen, die über die private Wohnungsvermittlung untergekommen seien.

Diese hohe Zahl birgt allerdings auch Probleme. Denn derzeit weiß niemand, wie lange die Gastgeber die Geflüchteten noch aufnehmen. Sollten sie in den kommenden Wochen oder Monaten aus den Privatunterkünften ausziehen, müssten sie wohl zunächst in Leichtbauhallen oder anderen Unterkünften bleiben. "Ich glaube, dass wir bei den privaten Unterkünften sehenden Auges auf eine Katastrophe zusteuern", sagte Stadtrat Thomas Lechner (Linke). Er befürchtet, dass in nächster Zeit bis zu 6000 Menschen quasi auf der Straße stehen würden.

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Tatsächlich räumt Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) ein, dass die derzeit mehr als 12 000 Geflüchteten aus der Ukraine nicht automatisch in das kommunale Wohnungslosensystem übernommen werden könnten. Doch das scheint nach Plänen der Bundesregierung wohl von 1. Juni an verpflichtend zu sein. Schiwy hofft deshalb, dass es dann eine Verteilung der Menschen auch auf andere Bundesländer nach dem Königsteiner Schlüssel geben müsse, der nach dem Flüchtlingsherbst 2015 angewandt wurde.

95 Minderjährige kamen allein aus der Ukraine

Immerhin scheint die Organisation zur Verteilung, Betreuung und Registrierung der ankommenden Geflüchteten nun reibungslos zu funktionieren. Wer nun am Hauptbahnhof ankomme, könne sich am Starnberger Flügelbahnhof von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Caritas beraten lassen, so Schiwy in ihrem Lagebericht. Wer weiterreisen, aber hier übernachten will, kann das direkt im Hotel Regent nahe dem Bahnhof tun, wo auch vulnerable Geflüchtete untergebracht sind.

Alle anderen, die in München bleiben wollen und noch keine Unterkunft haben, werden zum Ankunftszentrum in der Messe gebracht, wo die Menschen auf Corona getestet und registriert werden, aber auch Beratung und Betreuung bekommen. Es gebe dort Spielangebote für Kinder, Hilfen für Mütter sowie eine Sozialberatung für werdende Mütter. Unbegleitete Kinder und Jugendliche wiederum werden laut Schiwy vor allem im Young Refugee Center (derzeit soll die Bettenzahl dort auf 66 erhöht werden) sowie in der Kistlerhofstraße (etwa 40 bis 50 Plätze) untergebracht und betreut. Insgesamt sind nach Angaben des Sozialreferats seit dem 9. März 140 unbegleitete Minderjährige aufgenommen worden, davon kamen 95 aus der Ukraine.

Auch die medizinische Versorgung für Geflüchtete ist laut Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek (SPD) in den vergangenen Wochen stark ausgebaut worden. Allein in der mobilen Sprechstunde, die Patienten in den Unterkünften aufsucht, seien seit 26. März 1300 Menschen behandelt worden. Zudem können täglich bis zu einhundert Tests auf Tuberkulose gemacht werden, die Krankheit ist offenbar in der Ukraine weit verbreitet.

Trotzdem seien die Leichtbauhallen und die Messe zur Unterbringung "nur die allerletzte Möglichkeit", sagte Bürgermeisterin Dietl. Schiwys Stellvertreter im Sozialreferat, Sebastian Groth, betonte, dass die Messe zwar für bis zu 4000 Menschen ausgelegt sei, "für uns liegt die Schmerzgrenze aber bei 2000 Menschen". Derzeit werden stadtweit 50 Immobilienobjekte geprüft, bis Herbst sollen dann 3000 Plätze bezugsfertig sein.

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