Theater:Draußen vor der Tür

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Suche nach ein bisschen Glück in einer kaputten Welt: "Ugly Lies the Bone" in Augsburg. (Foto: Jan-Pieter Fuhr)

Das Staatstheater Augsburg zeigt die deutsche Erstaufführung von "Ugly Lies the Bone", ein Stück über eine traumatisierte Soldatin.

Von Egbert Tholl, Augsburg

2015 kam, zuerst in New York und dann in London, das Stück "Ugly Lies the Bone" von Lindsey Ferrentino heraus. Es war ein sensationeller Erfolg, der aber schnell verpuffte, in Deutschland interessiert sich erst jetzt, als erstes deutsches Haus überhaupt, das Staatstheater Augsburg dafür. Gespenstische Koinzidenz: Zu einem Zeitpunkt, an dem wir nicht herumkommen, uns mit Krieg auseinander zu setzen, holt er uns auf der Bühne ein, in Form von Jess. Jess war für die US-Armee dreimal in Afghanistan, sie musste immer wieder hin, weil der Einsatz dort für sie selbst noch nicht erledigt war. Beim dritten Mal erwischte es sie. Eine Explosion verbrannte ihre Haut, verwundete ihre Seele. Jetzt ist sie zu Hause in Florida, aber nicht angekommen.

Ferrentino erzählt den Zusammenbruch des amerikanischen Traums auf zwei Ebenen. Mit Jess selbst, die glaubte, für ihr Land kämpfen zu müssen, sie, die eigentlich Lehrerin werden wollte, und nun mit zerschundenem Körper und schwer traumatisiert sich fragt, was da alles sollte. So richtig will sie, die hart wurde im Krieg, auch keiner mehr haben, sie steht wie draußen vor der eigenen Tür, drinnen haben sich ihre Schwester und deren Mann eingerichtet. Und dann ist da diese Stadt in Florida, wo einst die Space Shuttles starteten und jetzt nichts mehr ist, kein Hotel, keine Freude, keine Hoffnung. Stevie, ihr Ex-Freund, steckt in einem Hotdog und verkauft solche; Kelvin, der Mann der Schwester, ist arbeitslos, findet das okay und macht seltsame Anlagegeschäfte. Die Schwester ist die einzig konsistente Figur, arbeitet in der Schule, die Mutter der beiden ist dement im Pflegeheim.

Jess, Christina Jung, ist in Therapie bei einem ziemlich kalten Operator (Florian Gerteis), der mit einer VR-Brille arbeitet. Deshalb setzt man in der Brechtbühne dreimal als Zuschauer auch eine auf - das Augsburger Theater ist versiert in dieser Technik -, soll die Therapie mitempfinden können. Aber angesichts dessen, was sich Alice Asper da erdachte, kann man sich nicht vorstellen, dass Jess je gesund wird. Das taugt nix. Viel, viel interessanter indes ist die echte Umsetzung auf der Bühne durch David Ortmann und Nicole Schneiderbauer.

Sie brauchen die Andeutung eines Zuhause, ein bisschen effektvolle Videoprojektion und allein die Darsteller, um mit dem Text in einer herrlich schroffen Übersetzung und mit präzis gesteuerten Assoziationen einen aufregenden Abend zu erschaffen. Mit einer harten Jess, mit einer verzweifelt empathischen Schwester (Katja Sieder), und zwei Tölpeln, Julius Kuhn und Sebastian Müller-Stahl, die rührend ein bisschen Glück in einer kaputten Welt suchen. Doch dieses Glück bleibt nur eine Idee, erfüllen wird es sich nicht mehr.

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