Trudering:Hart an der Grenze

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Die Stadträte verbannen Schwerlaster von und nach Haar aus der Bahnstraße. Die Bürgermeisterin der Nachbargemeinde reagiert empört

Von Renate Winkler-Schlang und Bernhard Lohr, Trudering

Es schien stets unmöglich, nun hat der Planungsausschuss des Stadtrats es auf Antrag der CSU beschlossen: Die Stadt soll die Truderinger Bahnstraße für Schwerlaster über 3,5 Tonnen sperren. Der Beschluss, der nicht mehr von der Vollversammlung bestätigt werden muss, fiel einstimmig. Damit die Laster nicht gemäß dem Floriansprinzip künftig die nächste Abzweigung nehmen, sollen die benachbarte Adlerstraße und der Drosselweg in die Verbotszone mit einbezogen werden.

Für die Bewohner der kleinen Anliegerstraße Bahnstraße, die seit Jahrzehnten vor allem unter den Kieslastern vom Quetschwerk Mühlhäuser im Haarer Ortsteil Gronsdorf leiden, ist dies "ein Wahnsinn", so Anliegerin Michaela Müller, die kaum daran glauben kann. Die Gemeinde Haar jedoch reagierte postwendend pikiert: Ihre Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) versandte eine geharnischte Presseerklärung. Sie sei "fassungslos". Sie habe gedacht, dass Haar kooperativ und auf Augenhöhe mit München reden könne: "Jetzt hat das Tischtuch einen Riss." Haar werde sich "nicht kampflos beugen". Der Geschäftsführer des Quetschwerks, Markus Wahl erklärt, er sehe keine Alternativen für seine Brummis. Er könne den Kies ja nicht mit dem Flugzeug transportieren. Er erwäge, den Beschluss gerichtlich überprüfen zu lassen. Auch Müller droht mit Klage.

Der Bezirksausschuss-Vorsitzende von Trudering-Riem, Otto Steinberger (CSU), gibt den Schwarzen Peter an die Bürgermeisterin der Nachbargemeinde zurück: Sie solle erst einmal "ihren eigenen Laden in Ordnung bringen". Auch die Anlieger der Bahnstraße verweisen darauf, dass es östlich der Bahnstraße, auf Haarer Flur, potenzielle Verbindungen vom Quetschwerk zur Münchner Hauptverkehrsachse Wasserburger Landstraße gebe, wie die Keferloher Straße, immerhin der Zubringer zum Haarer Wertstoffhof. "Aber diese Möglichkeiten hat die Gemeinde Haar ja für Güterverkehr gesperrt, seit ich denken kann", bemängelt die Anliegerin.

Michaela Müller erinnert auch an den Kampf gegen den Verkehr, den schon ihre Eltern und deren Nachbarn begonnen hatten. Die ersten Aktiven dieser Initiative seien bereits gestorben. Hunderte Unterschriften habe man gesammelt, Ortstermine absolviert, Bürgerversammlungsanträge gestellt, den Bezirksausschuss um Hilfe gebeten, denn die Situation sei dramatisch: "Stoßstange an Stoßstange" fahren die Laster durch. Lärm, Dreck, Feinstaub, Gefahrensituationen, alles nehme zu. Im April 2017 wurde der Verkehr gezählt: bis zu 4500 Autos täglich passierten den Knoten Bahnstraße/Wasserburger Landstraße. Bei Gegenverkehr weichen die Fahrer auf die Bürgersteige aus, sodass Kindern gleich nach dem Gartentürl schon tödliche Gefahr drohe, hatten die Anlieger schon früher beklagt. Alles Mögliche wurde gefordert: höhere Bürgersteige, Trennbügel zwischen Trottoir und Fahrbahn, Tempo 30, und vor allem: Fahrverbote. Die Stadtverwaltung schmetterte diese ab mit dem Verweis auf fehlende Alternativen. Die Bahnstraße sei als "Sammelstraße mit Verbindungsfunktion" einzustufen, als solche liege ihre Belastung noch im unteren Bereich. Die Trasse sei eine "historisch gewachsene Verbindung", die nächste Bahnquerung, der Schatzbogen, liege zu weit entfernt. Die CSU jedoch forderte in ihrem Änderungsantrag, München müsse sich für Münchner Bürger einsetzen. Man könne sich nicht von Umlandgemeinden "über viele Jahre hin- und aufhalten lassen", erklärte der Truderinger CSU-Stadtrat Hans Podiuk. München habe immer wieder versucht, mit Haar verträgliche Lösungen zu finden.

Podiuk spielt damit auf die Gesamtproblematik an, die weit mehr umfasst als nur die Bahnstraße und das Quetschwerk. Zur Debatte steht auch der gesamte Verkehr, der entstehen wird, wenn Haar einen Schulcampus baut. Die Rede war zunächst von FOS, Pflegeschule und Realschule, inzwischen steht letztere bereits infrage. Hinzu kommen aber auch noch künftige Bewohner eines Neubaugebiets an der Haarer Schneiderhofstraße - auf einer Fläche, die der Stadt gehört. München setzte hierfür ursprünglich auf eine neue Verbindung übers illegale Gewerbegebiet Rappenweg und die Schwablhofstraße. Doch es gelang der Stadt ewig nicht, sich das Schlüsselgrundstück dafür zu sichern: Der Eigentümer wollte zum Tausch das alte Truderinger Rathaus an der Truderinger Straße. Inzwischen haben Wohnungsbauträger Flächen am Rappenweg gekauft, es ist die Rede von einem möglichen Neubaugebiet. Offenbar werden die Karten ganz neu gemischt. Haar hatte 2016 schon eine eigene neue Verbindung zu dem Areal entlang der Bahn gebaut - doch dieses Sträßlein war zu eng für Schwerlaster: Das provozierte Ärger auf Münchner Seite. Die ganze verworrene Situation hatte Oberbürgermeister Reiter (SPD) damals zur Chefsache gemacht. Doch er war bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

© SZ vom 11.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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