Tierpark Hellabrunn:Tod eines Königs

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Löwe Aramis ist im Tierpark Hellabrunn gestorben. Gedanken über das Schicksal des König der Wildnis in Gefangenschaft.

Joachim Käppner

Der französische Dichter Guillaume Apollinaire (1880 bis 1918) hat sich nicht in die Herzen der Zoodirektoren geschrieben, als er dem König der Wildnis einen boshaften Epitaph setzte:

Brachte nicht wenig Geld: Löwenmarke von 1928. (Foto: Foto: Tierpark)

"O Löwe, Bildnis zum Jammern, ein König, gestürzt in den Dreck, Geboren in Gitterkammern, In Deutschland, bei Hagenbeck."

Nun sprechen wir von Hellabrunn und nicht von Hagenbeck, Hamburg, doch beide traditionsreiche Gärten kennen den Vorwurf, "Tierknast" zu sein. Wenn auch die Zeiten vorüber sind, in denen sich enthemmte Tierschützerinnen unbekleidet an die Gitter ihrer Lieblinge ketteten zum Protest gegen deren Los (der moderne Zoo hat nämlich kaum noch Gitter, was das Anketten, bekleidet oder nicht, sehr erschwert), so bleiben doch Fragen, wenn der König der Tiere im besten Mannesalter jäh an Herz-Kreislauf-Versagen dahinscheidet.

Eben das geschah mit Aramis, dessen mächtiges Gebrüll am Spätnachmittag nach der Fütterung stets pünktlich daran mahnte, dass es Zeit werde, den Zoo wieder den Tieren zu überlassen. Das Brüllen, ein Grollen wie Donner, hieß frei übersetzt: "Ich. Hier bin ich. Das alles hier gehört mir. Hat einer ein Problem damit?" Dass die beiden Damen, die ihm gehörten, mindestens genauso laut brüllten, war kein Zeichen von Emanzipation. Sie sagten nicht mehr als: "Der Boss hat recht."

Löwen haben seit der späten Gründung von Hellabrunn 1911 zu den Hauptattraktionen des Münchner Tierparks gehört, wovon noch immer Fritz Behns Bronzelöwe im Zoo kündet; ja damals, als es noch echte Kolonien voller Löwen und kein Nachschubproblem gab und als neben dem Löwengehege an der Isar königlich-bayerische Militärkapellen zur Erbauung der Besucher, wenn auch wohl nicht der Käfiginsassen spielten.

In schweren Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg bat der Zoo gar mit Löwen-Werbemarken um Spenden. Bleiben die Spenden aus, lautete die Botschaft, wird es bald keinen Zoo mehr geben und dann seht Ihr schön blöd aus, wenn Ihr Euch das stolze Wappentier des Landes anschauen wollt. Das Geld kam rasch zusammen.

Ein Zoo ohne Löwen, jedenfalls ohne Herrn Löwen mit Mähne,das geht eben nicht. Aber jetzt ist er nicht mehr da. Aramis, geborener Münchner, "der prächtige Bursche", wie Zoodirektor Walter Schmid voll Bedauern sagt. Eventuellen Mutmaßungen, das Tier könne einem tierparktypischen Bewegungsmangel zum Opfer gefallen sein, widerspricht Schmid sehr glaubwürdig mit Hinweis auf die träg dahindösende Lebensweise, mit welcher der männliche Löwe auch in freier Natur bestens durchs Leben kommt. Er, also nicht der Direktor, sondern der Löwenherr, lässt sich lieber aushalten von den Löwenfrauen.

Die, zwei an der Zahl, bleiben zurück, während der Tierpark einen neuen Chef für den Löwenfelsen sucht. Ob es ihnen ein Trost wäre, wüssten sie, dass wilde Löwen selten mehr als zehn Jahre alt werden? All die Kämpfe um Reviere, Macht und Beute, das hält der härteste Löwe nicht lange aus. Aramis verschied mit achteinhalb - ein Löwenmann in seinen besten Jahren. Vielleicht starb er so glücklicher. Denn das Los des alten Löwen ist kein leichtes. Jüngere, Stärkere jagen ihn davon, vergnügen sich mit seinem Harem, beißen ihn vom Löwenfelsen fort.

Und wenn dies auch im Zoo zu München nicht zu befürchten war, so ist der alte Löwe doch jene tragische Figur, als die ihn schon 1773 Gottlieb Konrad Pfeffel beschrieben hat: "Der Tiere Großsultan lag auf dem Krankenbette; Er war von Kopf bis auf den Schwanz / So dürr als Bruder Hein im Basler Totentanz."

© SZ vom 17.01.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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