Theresien-Gymnasium:Elftklässler zeichnen Aktbilder

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Liegender Frauenakt von Lu Anders (rechts). (Foto: Dominik Dür)

Weil im Lehrplan das Thema "Körper" stand, engagierte ein Kunstlehrer des Theresien-Gymnasiums ein Modell. Nun zeigen seine Schüler ihre großformatigen Arbeiten in einer Ausstellung.

Von Anna-Leandra Fischer, Ludwigsvorstadt

Jeden Dienstag hat eine der elften Klassen am Theresien-Gymnasium Kunstunterricht. In einer Doppelstunde im November 2018 aber ist etwas anders als sonst: Die Tische und Stühle sind beiseitegeschoben, in der Mitte des Raums posiert eine Frau - die Haare zu einem Dutt hochgesteckt, nackt. Die mehr als 20 Schüler der Klasse verteilen sich um das professionelle Aktmodell und zeichnen es aus verschiedenen Positionen, mal haben sie fünf Minuten, mal nur eine Minute Zeit für ihre Skizzen.

"Auch wenn es der gleiche Raum war", erinnert sich Schülerin Rrezarta Muriq an die ungewöhnliche Situation, "die Stimmung war ganz anders als sonst." Seit jenem Dienstag sind mehrere Monate vergangen, gelernt haben die Schüler aber offenbar viel damals. Davon zeugt eine Ausstellung mit großformatigen Aktzeichnungen des Kunst-Additums, die noch bis zum 8. März zu sehen ist.

Proportionen und Perspektiven: Rrezarta Muriq. (Foto: Dominik Dürr)

Das Aktzeichnen war ein Vorschlag von Jürgen Heinert, Kunstlehrer am Theresien-Gymnasium. Der G-8-Lehrplan sieht im ersten Halbjahr der elften Klasse den Themenbereich "Körper" vor. Im Lehrplan heißt es: "Die Schüler lernen wichtige künstlerische Positionen der sich entfaltenden Moderne im Hinblick auf die Auffassung des Körpers zu verstehen." Heinert hat das ernst genommen: "Wenn es im Lehrplan verlangt wird, warum nicht gleich in die Vollen gehen?" Dabei hat er sich an seine Zeit an der Kunstakademie zurückerinnert. Er habe immer Akt gezeichnet, so Heinert. Ein Modell ist ihm im Gedächtnis geblieben: eine alte Frau mit Falten im Gesicht und einem zerbrechlichen Körper. Das hat Eindruck auf ihn gemacht.

Bereits an seiner vorherigen Schule hat Heinert Aktmodelle in den Klassenraum geholt. Gabriele Jahreiß-Walther, die Schulleiterin am Theresien-Gymnasium, sei zunächst überrascht von seinem Vorschlag gewesen, habe aber kein Problem gesehen, sagt Heinert. Vor dem Aktzeichnen mit dem echten Modell hat er sich aber auch bei den Eltern rückversichert. Einmal habe ein Junge gebeten, an dieser Stunde nicht teilzunehmen. Der Lehrer zeigt Verständnis dafür: "Für viele ist das die erste Erfahrung mit Nacktheit. Das kann viel sein."

Seine Schülerin Rrezarta Muriq steht dem Aktzeichnen positiv gegenüber. "Im Endeffekt setzen wir uns ja tagtäglich mit dem menschlichen Körper auseinander, wir alle haben einen", sagt sie. Später hat der neunköpfige Kurs an das Aktzeichnen mit dem Modell angeknüpft und selbst gewählte Aktmotive von Fotos auf großformatiges Papier gebracht - nur mit einem Bleistift. Die Schüler haben von der Idee bis zum fertigen Bild drei Monate an den Zeichnungen gearbeitet.

Das Großformat sei eine besondere Herausforderung an die Schüler, sagt Heinert. Bei solchen Formaten müsse man immer wieder vom Bild wegtreten, um sich das Gesamtkunstwerk anzuschauen und auf sich wirken zu lassen. Die Größenverhältnisse hätten eine andere Wirkung auf den Zeichner, weil der Sehwinkel nah am Bild anders sei als aus zwei Schritten Entfernung.

Schülerin Bea Rager. (Foto: Dominik Dürr)

Auch die Organisation sei eine ganz andere, man könne nicht einfach direkt loslegen, sagt Muriq. "Ich bin ein ziemlich kritischer Mensch und ich will, dass mir alle meine Bilder gefallen", so die Schülerin. Deswegen habe sie erst das Format berechnet und Hilfslinien gezeichnet. Vor dem ersten Strich auf dem Papier hat sich der Lehrer eine Schulstunde Zeit genommen, um die Motive mit den Schülern einzeln zu besprechen. Die Resultate nun zeigen berühmte Persönlichkeiten, aber auch zufällig im Internet gefundene, unbekannte Modelle. Die Ausstellung trägt den Titel "Neun Kilo Graphit!", in Anspielung auf den Zeichenstift. Eine Übertreibung. "Natürlich braucht man gerade mal zehn oder 20 Gramm dafür", sagt Heinert. Der Titel "Aktzeichnungen" sei aber zu langweilig gewesen. Deswegen wollte der Kunstkurs mit den neun Kilogramm protzen - neun Kilogramm für neun beteiligte Schüler.

Die ausgestellten Zeichnungen dehnen den Begriff Akt aus. Die Menschen auf den Bildern haben teilweise noch eine Hose oder Unterwäsche an. Bei einer Frau liegen die langen Haare über den nackten Brüsten. Die fertigen Arbeiten sind im Architekturbüro Heyne und Mayer zu sehen. "Die Schüler haben wirklich super gearbeitet, sonst hätte ich so eine Ausstellung nicht organisiert", sagt Lehrer Heinert.

Aktstudie von Lorenz Teutsch. (Foto: Dominik Dürr)

Für ihn war es wichtig, die Ausstellung in einen außerschulischen Kontext zu verlagern. Dort seien nicht mehr alle so wohlgesonnen wie in der Schule, und die Schüler könnten so noch mehr mitnehmen. "Die Arbeiten sind so gut, dass man sich in den öffentlichen Raum trauen kann", sagt Heinert. Bei der Eröffnung der Ausstellung war neben Kunstinteressierten auch der Künstler der nächsten Ausstellung in den Räumlichkeiten anwesend. Er sei überrascht gewesen, was die Schüler da geschaffen haben, erzählt der Lehrer.

Die Ausstellung der neun Großformate läuft noch bis Freitag, 8. März. Die Öffnungszeiten sind montags bis freitags von 16 bis 19 Uhr und samstags nach Vereinbarung. Die Bilder sind im Architekturbüro Heyne und Mayer, Schellingstraße 139, zu sehen. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 27.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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