Oper:Gefangen im Stillstand

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Auswegloses Gefüge: die Frauen in Christian Josts Oper "Rote Laterne", in deutscher Erstaufführung mit der Theaterkademie August Everding im Prinzregententheater. (Foto: Jean-Marc Turmes)

Die Theaterakademie zeigt Christian Josts Oper "Rote Laterne" in sehr gelungener deutscher Erstaufführung.

Von Egbert Tholl, München

Natürlich ist das alles einem erst einmal fremd. Selbst wenn man die Verfilmung des Stoffes von 1991 kennt. "Die rote Laterne" zeigt, basierend auf einer Erzählung von Su Tong, eine enge, kleine, feudale, konfuzianisch geprägte, streng hierarchisierte Welt in einem China vor 100 Jahren. Um diese Zeit wurde die kommunistische Partei Chinas gegründet, die Gesellschaft jedoch verharrte noch lange im Tradierten. Das bedeutet hier konkret, dass eine junge Frau als vierte Gattin an einen Master Chen verschachert wird, in dessen Haus auf die drei schon vorhandenen Ehefrauen nebst eines erwachsenen Sohns und zweier Töchter trifft, in ein System eingepasst wird, in dem der Hausherr über Geist und Körper der Frauen herrscht, mit einer Laterne anzeigt, mit welcher von den Vieren er die Nacht zu verbringen gedenkt. So im Film, so der Titel. In der Oper von Christian Jost, entstanden 2015 im Auftrag der Oper Zürich, ist das alles ein bisschen abstrakter, zeitloser, und auch der Titel ändert sich: "Rote Laterne" inszenierte nun Balázs Kovalik für die Theaterkademie August Everding im Prinzregententheater, Christian Jost selbst dirigiert das Münchner Rundfunkorchester.

Im Untergrund lauern Geheimnisse

Kovalik inszeniert im schönen, skulptural anmutenden Raum von Angelika Höckner Rituale und emotionale Ausbrüche, alle beobachten und misstrauen einander, im Untergrund lauern Geheimnisse aus Vergangenheit und Gegenwart, und mitten in diesem ausweglosen Gefüge eines exaltierten Stillstands steht Daria Kalinina. Sie singt und spielt Song-Lian, die vierte Frau, die von den beiden Töchtern (herrlich bizarr: Raphael Binde und Tim Morsbach) als Konkubine gehänselt wird und nun verloren und zutiefst anrührend sich zu behaupten sucht, bis sie in den Wahnsinn driftet. Kalinina ist umwerfend, stimmlich wie darstellerisch; ist die gesamte Besetzung mit Studierenden der Opernabteilung ein homogenes Glück, so strahlt sie dennoch heraus.

Jost schreibt sehr wirkungssichere Musik zwischen Kintopp und kontrolliertem Experiment, die Perkussionisten der Bühnenmusik agieren hinreißend, das Rundfunkorchester ist hellwach. Die Varianz der stimmlichen Ausdrucksformen ist dabei enorm. So kann Camilla Saba Davies mit hochemotionalen Koloraturen glänzen, klanglicher Spiegel von Kalininas Partie. Jihoon Son bewältigt souverän die Ausflüge seiner Rolle ins Falsett, Franziska Weber ist sehr nah dran an absoluter Perfektion. Einer singt nicht, sondern spielt als Bühnenfigur wundervoll Geige, der junge Lewin Creuz. Die Aufführung ist eine beeindruckende Ensembleleistung, wer hier nicht namentlich erwähnt ist, darf sich dennoch gewürdigt sehen.

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