Offener Brief:"Reden Sie, Teodor Currentzis!"

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Hat bislang zum Ukraine-Krieg geschwiegen: Dirigent Teodor Currentzis, hier im Dezember 2021 beim Russian National Creative Industries Award. Aktuell probt er mit seinem Utopia-Projekt in Berlin. (Foto: Pavel Kashaev /imago images/Russian Look)

In einem offenen Brief kritisiert der Münchner Komponist Moritz Eggert das Verhalten des Stardirigenten als "tragischen Trapezakt" und fordert ein Statement zum russischen Angriffskrieg.

Von Jutta Czeguhn

"Als ob man mit mehreren Champagnergläsern jongliert, dabei über einen Abgrund auf einem Seil balanciert und die deutsche und russische Nationalhymne gleichzeitig zum Besten gibt" - mit einem "tragischen Trapezakt" vergleicht der Münchner Komponist Moritz Eggert in einem offenen Brief die Haltung des griechisch-russischen Dirigenten Teodor Currentzis in Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. "Reden Sie! Sagen Sie, was Sache ist. Hopp oder Topp!", fordert er den Pultstar auf, der wegen möglicher Kreml-Nähe in der Kritik steht. Den Brief hat Eggert in seinem "Bad Blog of Musick" auf der Webseite der Neuen Musikzeitung erstmals am 11. Juni veröffentlicht - und dort in seiner Funktion als "Präsident des Deutschen Komponist:innenverbands" (DKV) unterzeichnet.

Der Münchner Komponist und Präsident des Deutschen Komponist:innenverbands" (DKV) Moritz Eggert, hier bei Verleihung des Deutschen Musikautor:innenpreis 2022 in Berlin. (Foto: Imago/Agentur Baganz)

Wie Eggert auf SZ-Anfrage mitteilt, habe er sich in diesem speziellen Fall dazu entschieden, seine Position beim DKV zu betonen, damit der Artikel von Currentzis' Management nicht als "irgendein Blog" abgetan werde. Gerade in Osteuropa habe das Wort "Komponist(inn)enverband" ein gewisses Gewicht. An sich aber handle es sich bei dem Brief um kein offizielles Statement des DKV. Allerdings habe er den Weg des offenen Briefs gewählt, da ihn "die Kolleg:innen vom Landesverband Hamburg darum gebeten hatten, hier etwas zu machen".

Eggert, seit 2010 auch Professor für Komposition an der Münchner Hochschule für Musik und Theater, gilt als jemand, für den Kultur nicht im luftleeren Raum stattfindet, der sich zu Wort meldet mit satirischen, teils provokanten Kommentaren und Werken. So ist auch Eggerts Kritik an Currentzis' beharrlichem Schweigen zum Ukraine-Krieg nicht neu. In dem offenen Brief jedoch geht er den Dirigenten, der seit 2018 das SWR-Symphonieorchester leitet, und mit seinem russischen Klangkörper MusicAeterna sowie dem 2022 neu gegründeten internationalen "Utopia-Projekt" tourt, nun direkt an.

Eggert wirft Currentzis vor, "auf allen Hochzeiten" zu tanzen, sich in Russland mit Mächtigen zu zeigen und mit MusicAeterna-Musikern zusammenzuarbeiten, die in sozialen Netzwerken öffentlich ihre Unterstützung für den russischen Angriffskrieg zur Schau getragen haben.

"Es hätte viele Momente für Sie gegeben, da hätten Sie das Ruder locker herumreißen können, Teodor Currentzis. Sie haben genug Fans hier, genug Musiker, die Ihre Kunst bewundern", schreibt Eggert. Sich auf die Neutralität der Kunst zurückzuziehen und den Geniekult zu pflegen, das reiche nicht mehr. Und dann wählt Eggert direkte Worte: "Zu diesem Krieg zu schweigen, ist ein Tritt in die Fresse von Schostakowitsch, Herr Currentzis. Zu diesem Krieg zu schweigen ist so, als ob man auf das Grab von Britten pisst." Ob Currentzis auch zu Eggerts Brief schweigt? SZ-Anfragen um eine Stellungnahme an das Management von Teodor Currentzis sowie das SWR-Symphonieorchester blieben bis Redaktionsschluss jedenfalls unbeantwortet.

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