Technikgeschichte:"Kathedrale für Erfinder"

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Blickfang damals wie heute: das Deutsche Museum in München. (Foto: Deutsches Museum)

Mit viel Pomp wurde 1925 das Deutsche Museum eröffnet. Das Fest zum Jubiläum fällt bescheidener aus.

Von Martina Scherf

Es war ein riesiges Fest. Drei Tage lang stand die Stadt Kopf, als im Mai 1925 das Deutsche Museum eröffnet wurde. "Eine Kulturtat", titelte die Presse, "eine Kathedrale für Erfinder" nannte Museumsgründer Oskar von Miller selbst das Haus. Die Spitzen aus Politik und Gesellschaft waren nach München gekommen, und Zehntausende Münchner säumten die geschmückten Straßen, um den Umzug der Technikobjekte vom alten Nationalmuseum in der Maximilianstraße auf die Isarinsel zu verfolgen. Miller hatte durchgesetzt, dass Ämter und Schulen an diesem Tag geschlossen blieben: "Die Leute sollen reinströmen wie aufs Oktoberfest", ließ der Ingenieur seine Kollegen wissen.

"In diesem Haus darf jeder machen, was ich will"

Das taten sie dann auch. Gerhart Hauptmann hatte eigens ein Bühnenstück für den Festakt gedichtet, bei dem die geladene Gäste mit Blätterteigpastete, Ochsenlende und "Auer Kraftbier" bewirtet wurden. Zuvor hatten sie eine Führung vom Hausherrn genossen, mit der deutlichen Warnung: "Der gesamte Weg durch alle Sammlungsräume beträgt rund 15 Kilometer . . . Ein Abweichen von diesem Weg muss dringend widerraten werden", so hatte es Miller in seinem selbst verfassten Museumsführer niedergelegt.

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Berühmt und hofiert in Ingenieurskreisen

Miller, dessen Wahlspruch "In diesem Haus darf jeder machen, was ich will" noch heute gerne zitiert wird, war ein Visionär. Auf der Internationalen Elektrizitätsausstellung in Paris 1881 hatte er die neuesten Errungenschaften der Technik studiert: den ersten Dynamo von Zénobe Gramme, Thomas Alva Edisons gerade erst patentierte Glühlampe, Werner von Siemens' elektrische Straßenbahn, Alexander Graham Bells Telefon, Gustave Trouvés Elektroauto und: ein Elektroverteilnetz, das der Franzose Marcel Deprez vorstellte.

Strom zu erzeugen und dann übers Land zu verteilen, an diesem Projekt arbeitete auch von Miller. Für seine Kraftwerke - 1884 entstand das erste in München - wurde er berühmt und hofiert in Ingenieurskreisen. So machte er sich auch bald daran, seine Idee von einem Technikmuseum, wie es sie in Paris und London schon gab, in München in die Tat umzusetzen.

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Gegründet wurde das Museum schon 1903, die Exponate kamen aus aller Welt und wurden im alten Nationalmuseum untergebracht. Wilhelm Conrad Röntgen schickte einen Durchleuchtungsapparat, die Unternehmer Krauss und Maffei Lokomotiven, Alexander Bell "Telephoniergeräte". Prinzregent Luitpold gab Geld, Kaiser Wilhelm stiftete ein Modell seiner Rennyacht. Oskar von Miller war nicht nur genialer Erfinder, sondern auch geschickter Spendensammler.

So kam es, dass der Kaiser schon drei Jahre später den Grundstein für das heutige Deutsche Museum auf der einstigen Kohleninsel in der Isar legte. Die Stadt München hatte den Baugrund gestiftet. Krieg und Inflation verzögerten dann allerdings den Baufortschritt, erst am 7. Mai 1925, Millers 70. Geburtstag, konnte endlich der Umzug stattfinden.

Auch das Bauwerk selbst schrieb Geschichte

Doch wie das so ist mit Eröffnungen, auch damals war noch nicht alles fertig: Die Ausstellungen im zweiten Stock wurden erst nach und nach bestückt, das Bibliotheksgebäude und der Kongresssaal entstanden ebenfalls später. Doch auch das Bauwerk selbst schrieb Geschichte: Es war eines der ersten größeren Gebäude in München, die aus Stahlbeton errichtet wurden, der Bau mitten im Fluss eine gewaltige Herausforderung. Bis heute steht das Ensemble auf mehr als 1500 Betonpfählen, die sechs bis sieben Meter tief in den Inselboden getrieben wurden.

Mit exakt 787 523 Besuchern im ersten Jahr brach das Deutsche Museum schon damals Rekorde. Und es wurde mit seinen historischen und aktuellen Technikobjekten und dem Konzept, die Besucher mit Knopfdruckexperimenten einzubeziehen, Vorbild für Museumsgründungen weltweit. Die Bewunderung für die Leistungen der Ingenieure und den technischen Fortschritt war damals noch grenzenlos. Einen weiteren Weltkrieg später, nach Hiroshima und Vietnamkrieg, Contergan-Skandal und Tschernobyl sah das zwar anders aus, die Begeisterung für das Museum aber ist ungebrochen.

Von Herbst an nur noch ein halbes Museum

Heute kommen mehr als eine Million Besucher pro Jahr auf die Museumsinsel. Etwa 500 Mitarbeiter sorgen vor und hinter den Kulissen für den reibungslosen Betrieb des Hauses, neben den Kuratoren für die einzelnen Fachgebiete sind das Schlosser, Buchbinder, Bildhauer oder Instrumentenbauer. Berühmt sind auch die Dioramen, Miniaturwelten, die bis heute in eigener Werkstatt gebaut werden. Noch bis zum Herbst sind die meisten Ausstellungen zu besichtigen. Dann wird die Hälfte des Hauses bis auf Weiteres geschlossen, für die erste umfassende Generalsanierung seit der Gründung. Zum 100. Geburtstag 2025 soll dann alles, die Gebäudehülle und die Ausstellungen, runderneuert präsentiert werden.

In Erfinderkreisen gut vernetzt: Oskar von Miller (links) mit Thomas Alva Edison. (Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)
© SZ vom 20.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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