Gemeinschaftsaktion:An der Isar ist das Schatzsucher-Fieber ausgebrochen

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Mit Schnorchel und Neoprenanzug geht Daniel Miranda-Fernandez in der Isar auf Schatzsuche. Nun hat der gelernte Tischler einen Auftrag: Ein Mann hat seinen Ehering beim Schwimmen verloren. (Foto: Robert Haas)

Daniel Miranda-Fernandez und viele weitere Menschen tauchen gerade unter - um einem Mann zu helfen, der seinen Ehering verloren hat. Egal wie die Suche ausgeht: dem Paar haben sie schon jetzt geholfen.

Von Stéphanie Mercier, München

Die Stelle in der Isar, an der Matthias Keller, 42, seinen Ehering verlor, wirkt vom Flauchersteg aus überschaubar. Das Wasser in dem circa 50 mal 40 Meter breiten Becken ist ruhig und klar. Erst unter der Wasseroberfläche wird die Herausforderung klar: Der Boden ist mal sandig, mal steinig, die tiefste Stelle misst knapp vier Meter.

Mitte August war Keller hier schwimmen. Zurück am Ufer merkte er, dass er seinen Ehering im Wasser verloren hatte. Er versuchte, das Schmuckstück selbst zu finden. Er lieh sich sogar von einer Frau am Ufer eine Schwimmbrille, doch der Ring blieb verschollen. Noch am gleichen Abend hängte er einen Zettel an die Badestelle, forderte Taucher auf, bei der Suche zu helfen. "Daniel Miranda-Fernandez hat sich sofort am nächsten Morgen gemeldet. Er war der Erste. Eine Viertelstunde später haben wir uns getroffen", erzählt Keller. An sich hat der Ehemann kaum mehr Hoffnung auf einen Fund: "Da unten ist alles so weit und groß. So ein bisschen habe ich den Ring schon aufgegeben", sagt er. Daniel Miranda-Fernandez, 34, ist da anderer Meinung: "Ich bin mir sicher, dass der Ring da irgendwo ist. Und höre nicht auf zu suchen, bis wir ihn gefunden haben."

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Daniel Miranda-Fernandez ist Hobbytaucher. Erst in diesem Jahr hat er angefangen, in den Gewässern Münchens nach Gegenständen zu suchen. Egal ob Kronkorken, versenkte Fahrräder oder Smartphones mit Wasserschaden - Miranda-Fernandez klaubt alles auf und entsorgt es hinterher, wenn nötig. Gerade aber freut sich der Halbkubaner etwas weniger über Abfälle und hofft auf sein Finderglück - und auch darauf, das Eheglück von Matthias Keller zu retten.

Geboren ist Daniel Miranda-Fernandez in Ost-Berlin. Für seinen Zivildienst kam er nach München und schlägt sich hier seitdem als Lebenskünstler durch. Die Sommermonate über verdient er mit Rikscha-Fahren seinen Unterhalt - das Geschäft mit den Touristen läuft so gut, dass er sich Geld für die kälteren Monate zurücklegen kann. Im Winter baut er auf Anfrage Möbel, er ist ausgebildeter Schreiner. Das weiße Lastenrad kommt ihm aktuell bei seiner Suche nach dem Ring gelegen. Am Flaucherufer klappt er die sauberen, gepolsterten Stühle um. Leicht modrig riechende Tauchutensilien kommen zum Vorschein. "Das ist ganz praktisch, dann muss ich das Zeug nur bis zum Ufer schleppen", sagt der hagere Mann und hievt sich die übergroße Tasche mit Tauchequipment über die Schulter.

Er fährt meistens dann an den Flaucher, wenn nur noch wenige Menschen darin baden. Manchmal geht er sogar mitten in der Nacht auf Schatzsuche, damit er niemanden stört. Auch an diesem Abend schimmern nur noch schwache Sonnenstrahlen auf dem Wasser, als Miranda-Fernandez mit Schnorchel, Flossen und Neoprenanzug untertaucht. Aufpoppende Luftbläschen und der Schnorchel verraten seine Position. Ein ungewöhnliches Bild, das eine pummelige weiße Bulldogge in Aufruhr versetzt. Sie hetzt an den Rand des Flaucherbeckens und schimpft das stille Wasser an. Ihr heiseres Bellen spitzt sich plötzlich zu, als nicht nur der Schnorchel auftaucht, sondern auch Miranda-Fernandez.

Der 34-Jährige gibt die Hoffnung nicht auf

In den Armen hält er mehrere Gegenstände: eine türkisfarbene Metalldose der Fußball-Europameisterschaft 2012, eine Plastikschüssel, in der wohl mal Humus war, und eine eigenartig riechende Cola-Flasche. Miranda-Fernandez kniet sich zur Flasche nieder und plötzlich weiten sich seine ohnehin schon großen Augen etwas mehr. "Ich habe eine Bong gefunden", sagt er und fährt mit seinen schrumpeligen Fingern über die ausgebrannten Löcher im Bauch der Flasche. Dann steht Miranda-Fernandez auf, wirft alles bis auf die Metalldose weg. Die nimmt er mit nach Hause zu den anderen Fundstücken.

Obwohl der Ring nicht aufgetaucht ist, gibt der 34-Jährige die Hoffnung nicht auf. Noch am Abend verabredet er sich mit einem anderen Taucher für die nächste Suchaktion. Sie sind nicht die einzigen, die das Schatzsucher-Fieber gepackt hat. Es haben sich so viele Helfer - Taucher oder Besitzer von Metalldetektoren - gefunden, dass Miranda-Fernandez für die Organisation eine eigene Whatsapp-Gruppe erstellt hat.

"Egal, wie die Geschichte ausgeht, ich fand es total süß zu sehen, wie plötzlich alle gesucht haben - sogar Kinder haben nach dem Ring geschnorchelt", schwärmt Matthias Keller. Bald wollen er und seine Frau allen Helfern nochmals danken, indem sie ein großes Grillfest veranstalten. Durch die Suche nach dem Ring hat er viel über Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft gelernt. Und auch Daniel Miranda-Fernandes freut sich, so viele Gleichgesinnte gefunden zu haben. "Meine Freunde finden es nicht so spannend, wenn ich erzähle, dass ich einen Kronkorken gefunden habe", sagt er und lacht. Die Leute, die er jetzt kennengelernt hat, wissen, wie gut es sich anfühlt, Dinge zu finden - auch wenn es oft nur Müll ist.

© SZ vom 24.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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