Tassilo:"Sobald wir dürfen, legen wir los"

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Simone Wittmann und Ruth Feile vom Verein "Wir in Giesing" wollen sich auch in schwierigen Zeiten nicht davon abhalten lassen, die kulturelle Vielfalt des Stadtteils sichtbar zu machen. Für die Sommermonate liegt ein fertiges Konzept in der Schublade

Von Patrik Stäbler

Ein Freitag im April, durch die Zweige der Bäume schickt die Sonne ihre Strahlen hinunter zu Simone Wittmann und Ruth Feile, die es sich auf dem Grünspitz bequem gemacht haben - jenem Mini-Park an der Tegernseer Landstraße, bloß einen Steinwurf vom Sechzgerstadion entfernt. Eigentlich hätte es dort am Abend Livemusik geben sollen. Ja, mehr noch: Es wäre der Startschuss für eine Konzertreihe bis in den Oktober hinein gewesen, mit Pop, Jazz, Elektro, Hip-Hop, Volksmusik und einigem mehr - immer freitags und im Wechsel an drei verschiedenen Spielorten in Giesing. Die Tickets hätte es für einen Euro gegeben, "weil wir das bewusst niedrigschwellig machen wollen", sagt Simone Wittmann.

Doch hätte, wäre, wenn - der in diesen Corona-Zeiten allzu oft gebrauchte Konjunktiv verrät es schon: Ein Konzert wird es an diesem Abend nicht geben. Ebenso wenig am Freitag drauf. Und vermutlich auch an den folgenden Freitagen nicht. Grund ist natürlich die Pandemie, die seit 13 Monaten gerade im Kulturbereich Pläne hat dahinschmelzen lassen wie einen Schneemann an einem warmen Frühlingstag. Entsprechend niedergeschlagen müssten Simone Wittmann und Ruth Feile eigentlich sein, steht ihr Verein "Wir in Giesing" doch hinter dem geplanten und nun verschobenen Musikfestival namens "Ois Giasing". Doch stattdessen trifft man am Grünspitz auf zwei Frauen, deren Gemüt mit der Sonne um die Wette strahlt. "Frustration? Nein, das gibt's bei uns nicht", sagt Simone Wittmann. Vielmehr verspüre sie mehr Motivation denn je. "Wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Wir schauen immer, was zum jeweiligen Zeitpunkt möglich ist - und das reizen wir aus."

Kultur verlangt oft den Balance-Akt zwischen großen Träumen und dem Machbaren: Zwei die das ziemlich gut bewerkstelligen können, sind (von links) Simone Wittmann und Ruth Feile von der Initiative "Wir in Giesing". Hier an einem der Schauplätze ihrer Festival-Aktionen, dem Giesinger Grünspitz. (Foto: Robert Haas)

Dieser Satz ist zugleich eine Art Leitmotto von "Wir in Giesing" im zurückliegenden Corona-Jahr. Doch bevor es um all die Planungen, Neuplanungen, nochmalige Neuplanungen und schließlich auch um die Veranstaltungen des Vereins in Zeiten der Pandemie gehen wird, zunächst ein Blick zurück. Im Jahr 2018 war gerade die zweite Auflage des Stadtteil-Kulturfestivals Ois Giasing über die Bühne gegangen - am letzten Samstag der Sommerferien, mit Dutzenden Ständen, Workshops, Führungen und Aktionen, mit 60 Bands an 23 Spielorten sowie 20 000 Besuchern. Organisiert hatte die 2017 erstmals ausgerichtete Veranstaltung erneut der Verein Real München, der sich im gesamten Stadtgebiet für eine möglichst vielfältige Kulturlandschaft engagiert. Das Ziel in Giesing sei gewesen, sagt Simone Wittmann, "die Inspiration und den Anschub" fürs Ois Giasing zu leisten. Dann jedoch, nach zwei sehr erfolgreichen Festivals, habe sich Real München zurückziehen und die Veranstaltung in lokale Hände übergeben wollen. Und so seien kurz nach dem Festival "die üblichen Verdächtigen" im Stadtteilladen an der Tegernseer Landstraße zusammengekommen, erzählt Ruth Feile. Sie gründeten den Verein "Wir in Giesing".

Der Verein war 2019 erstmals für das Ois Giasing verantwortlich - "und es ist wirklich super gelaufen", erinnert sich Simone Wittmann. Wieder kamen mehr als 17 000 Menschen, wieder gab's Livemusik von 40 Bands, wieder war alles ohne Eintritt, wieder wurden zig Institutionen aus der Nachbarschaft eingebunden, von der Kirchengemeinde bis zum Löwen-Fanklub, und wieder habe man es geschafft, "die kulturelle Vielfalt des Stadtteils sichtbar zu machen", so formuliert es Ruth Feile. Genau das ist den Machern von "Wir in Giesing" wichtig, ebenso die Vernetzung im Viertel und die Unterstützung für Kulturschaffende. Schon kurz nach seiner Premiere 2019 begann der Verein mit der Vorbereitung des Festivals im darauffolgenden Jahr - bis die Pandemie alle Pläne über den Haufen warf.

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"Im April stand fest, dass es ein Ois Giasing in der bisherigen Form nicht geben wird", sagt Ruth Feile. Doch statt leise "dann halt im nächsten Jahr" zu murmeln und die Sache auf sich beruhen zu lassen, stürzte sich das circa zehnköpfige Orga-Team sogleich in neue Pläne. Oder wie es Simone Wittmann ausdrückt: "Bevor wir nichts machen, ist es doch besser, wir machen das, was geht." Und so veranstaltete der Verein unter dem Motto "Giesing is a feeling" von Juli bis Oktober 14 Konzerte am Grünspitz - mit Tickets für einen Euro und ohne Konsumzwang. "Es war kein Festival, aber es hat dem Viertel eine gewisse Leichtigkeit gegeben", sagt die Vorsitzende Simone Wittmann. Auch wegen der großen Resonanz wollte der Verein im Winter nachlegen - mit "Freezing in Giesing", einem Adventsmarkt am Grünspitz, wo nicht nur Künstlerinnen und Künstler hätten auftreten, sondern auch Gewerbetreibende sich hätten präsentieren sollen. Allein es blieb erneut beim Corona-Konjunktiv, der dritten Pandemiewelle wegen. Immerhin: Bis Mitte Dezember durfte der Verein eine einzelne Verkaufshütte vor der Post an der Tegernseer Landstraße aufstellen - als "klitzekleine Alternative", die aber weithin Beachtung fand.

Dass aus den ursprünglichen Plänen nichts wurde? "War halt so", sagt Simone Wittmann und zuckt mit den Schultern. "Und das heißt ja nicht, dass die Arbeit umsonst war. Wenn so eine Veranstaltung nach Corona wieder möglich ist, können wir das Konzept aus der Schublade ziehen." Gleiches gilt fürs Ois Giasing 2021, das sich über sechs Monate erstrecken soll - mit Freitagskonzerten nicht nur am Grünspitz, sondern auch im Kronepark und am Giesinger Bahnhof. Wann die Pandemie-Lage den Startschuss zulassen wird? Bei dieser Frage wollen sich beide nicht auf Spekulationen einlassen, auch wegen der Erfahrungen der vergangenen Monate. Nur so viel sagt Feile: "Wir sind bereit. Sobald wir dürfen, legen wir los."

Wenn Sie eine Kandidatin oder einen Kandidaten vorschlagen wollen, schreiben Sie bitte bis 30. April eine E-Mail an tassilo@sz.de.

© SZ vom 21.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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