Tarife:Nach S-Bahn-Pannen: Für die Pendler gibt's kein Geld zurück

Lesezeit: 2 min

  • Ein Kurzschluss am Hauptbahnhof am Donnerstagabend, Schnee und Eis am Freitagmorgen: S-Bahn-Fahrgäste in München haben zwei chaotische Tage hinter sich.
  • Trotz der größten Panne seit langem dürfen die Fahrgäste aber nicht auf Rückerstattungen von Kosten hoffen - das könnte sich von 2019 an aber ändern.
  • Bis dahin verrät die SZ-Redaktion ein paar persönliche Stressbewältigungsstrategien.

Von Christian Krügel, München

Die Sache klingt ganz einfach: Wer nicht die Leistung bekommt, für die er bezahlt hat, erhält sein Geld zurück. Kein Wunder also, dass das in den überfüllten Zügen am Donnerstagabend das Hauptthema unter den geplagten Pendlern war: "Wann kriegen wir unseren Fahrpreis zurück?" Doch was in allen Handels- und Dienstleistungsunternehmen der freien Wirtschaft üblich ist, gestaltet sich bei der S-Bahn München und dem Münchner Verkehrsverbund (MVV) schwierig.

Auftraggeber für die S-Bahn ist nicht der MVV, sondern die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG). Der Vertrag, den die BEG mit der Bahntochter hat, wird seit langem kritisiert, weil er die S-Bahn bevorzuge. Denn die Erlösrisiken und -chancen aus dem gesamten S-Bahn-Betrieb mit täglich rund 800 000 Pendlern liegen bei der Bahn. Bedeutet: Die S-Bahn stellt der BEG alle Fahrten in Rechnung. Wenn es zu Zugausfällen oder Pannen wie am Donnerstag kommt, sind zwar Strafgelder, sogenannte Pönalen, fällig. Erzielte Gewinne können aber bei der Bahn verbleiben. Zwischen 100 und 150 Millionen Euro dürften das im Jahr sein, schätzen Experten. Wegen dieses Vertrags könnte auch nur die S-Bahn Rückerstattungen an Fahrgäste zahlen, sagt BEG-Geschäftsführer Johann Niggl: "Die Entscheidung darüber liegt allein dort."

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Nachdem gestern im Feierabendverkehr Tausende Pendler auf der Stammstrecke nicht mehr weiterkamen, meldet die S-Bahn München heute gleich an mehreren Stellen Probleme.

Die Bahn beruft sich auf europäisches Recht und eine Kosten-Nutzen-Rechnung - aus der ein Reisender, der etwa mit dem ICE nach Hamburg fahren möchte, deutlich besser hervorgeht als ein täglicher S-Bahn-Pendler aus München. Sollte der ICE-Reisende nämlich von der Bahn nicht nach Hamburg gebracht werden, bekommt er seinen Ticketpreis erstattet. Der ist mit rund 150 Euro allerdings auch viel höher als der Preis für eine S-Bahn-Fahrt in München, zumal wenn der Pendler mit einem Jahresticket unterwegs ist. Bei der Bahn spricht man von maximal einem Euro. "Entschädigungsbeträge unter vier Euro werden nicht ausgezahlt", heißt es aber im Fahrgastrechte-Formular der Bahn.

Geht es nach BEG-Chef Niggl, ist die allerdings dafür von Dezember 2019 an nicht mehr zuständig. Dann soll der "erste Münchner S-Bahn-Vertrag" greifen. Von da an sollen die Erlöschancen und -risiken auf Seiten der BEG liegen - das ist zumindest das politische Ziel, das inzwischen auch Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) anstrebt. Die Hoffnung dahinter: Gewinne aus dem S-Bahn-Betrieb könnten zugunsten der Fahrgäste direkt in die Verbesserung des Systems gesteckt werden. Und dieser Vertrag böte noch eine Chance, so Niggl: "Wir wollen auch Mechanismen einbauen, die unter gewissen Umständen eine Rückerstattung möglich machen." Andere deutsche Verkehrsverbünde hätten Regelungen dafür entwickelt, die man derzeit prüfe und gegebenenfalls auf München übertragen werde.

Derweil wären die MVV-Fahrgäste schon zufrieden, wenn zumindest die Preise nicht noch weiter steigen würden. Doch schon jetzt gilt es als sicher, dass die MVV-Gesellschafter im September die nächste Preiserhöhung beschließen werden. Steigende Personal- und Energiekosten müssen getragen werden - wenn nicht die Ticketpreise steigen, müssen die Landkreise, die Stadt München und der Freistaat mehr Steuergeld zuschießen. Und diese Summe sei ohnehin schon sehr hoch, sagt Dachaus Landrat Stefan Löwl (CSU). 40 bis 50 Millionen Euro zahlen alleine die Landkreise jährlich. Er hält deswegen wenig von Rückerstattungen oder einem Versprechen von stabilen Preisen. "Die Pendler sind bereit zu bezahlen, wenn die Leistung stimmt - und das tut sie derzeit nicht. Daran müssen wir arbeiten", so Löwl.

Münchens Zweiter Bürgermeister Josef Schmid (CSU) drückt es deutlicher aus: "Ich verstehe den Unmut der Menschen. München kann sich ein solches Verkehrschaos auf Dauer nicht leisten." Mit der zweiten Stammstrecke werde nun wenigstens das Netz endlich ausgebaut - wenn auch viel zu spät, so Löwl. Dabei allein dürfe man es die nächsten zehn Jahre aber nicht belassen. Ein wenig Hoffnung soll den Fahrgästen die Tarifreform machen, die 2018 kommen soll. Die Fahrpreise soll einfacher und gerechter werden. Und schon jetzt dürfte klar sein: Eine deutliche Erhöhung wird es zumindest dann nicht geben.

© SZ vom 29.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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