Szenario:Sie schenken sich nichts

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Franz Xaver Kroetz und Marie Theres Relin im Residenztheater. Bis vor Kurzem, sagt er, konnten sie nicht einmal zehn Minuten zusammen in einem Raum verbringen. (Foto: Florian Peljak)

Franz Xaver Kroetz und Marie Theres Relin, einst Glamourpaar der Boulevardpresse, stellen im proppenvollen Residenztheater ihr gemeinsames Buch vor: "Szenen keiner Ehe". Ein ganz besonderes Zwei-Personen-Stück.

Von Christine Dössel

Da sitzen sie nun also Seit an Seit an einem Lesetisch und geben ein Bild ab von zweckgemäßer Zweisamkeit: Franz Xaver Kroetz und Marie Theres Relin, der einst gefeierte Schauspieler und Dichter mit seiner Ex. Er, der 77-Jährige: extralässig lümmelnd, im Casual-Outfit des möchtegernjungen Berufs-Coolen. Käppi, bunte Ringelsocken, Sneakers mit Airsohle (von ihr als "Stöckelturnschuhe" bezeichnet). Kecker Strizzi-Blick und "A Hund is er scho"-Schnauzer. Sie im Kontrast dazu: aufrecht sitzend und höchst konzentriert, schwarzes, kniekurzes Spitzenkleid mit selbstbewusstem Dekolleté, die Haare aufgeföhnt, die Miene ernst. Das einzig Gemeinsame: die Lesebrillen.

Einst waren die beiden das Glamourpaar der Boulevardpresse. Er, der gefeierte Baby Schimmerlos aus der Kultserie "Kir Royal", in den Siebzigern einer der meistgespielten Dramatiker überhaupt. Sie, die 20 Jahre jüngere Schönheit aus der berühmten Schauspielerfamilie, Mutter Maria Schell, Vater Veit Relin. 16 Jahre Ehe, die zur Hölle werden. Drei Kinder. Die Scheidung 2006 eine Schlammschlacht. Bis vor Kurzem hielten sie es nicht mal zehn Minuten in einem Raum miteinander aus, sagt Kroetz.

Nun aber haben sie ein Buch geschrieben, jeder für sich und doch zusammen, und an diesem Abend im proppenvollen Residenztheater stellen sie es in einer "Urlesung" (so Intendant Andreas Beck zur Begrüßung) vor: "Szenen keiner Ehe". Der Titel ist eine Anspielung auf jenes Filmdrama von Ingmar Bergman, das der schwedische Regisseur 1981 auf eben dieser Resi-Bühne selbst inszenierte, nur dass es damals wirklich "Szenen einer Ehe" waren.

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Bei Kroetz-Relin sind es die Aufzeichnungen zweier Geschiedener und Gescheiterter, die noch einmal gemeinsam nach Teneriffa aufbrechen, wo sie jahrelang lebten - aber nicht, um dort die Vergangenheit aufzuarbeiten. Sondern, ganz nüchtern, um Kroetz' klapprigen Mercedes nach Deutschland zu bringen, was er sich alleine nicht zutraut, weshalb sie ihn bezahlterweise begleiten soll. Er hat die Kohle, sie das Organisationstalent. Das Vorhaben zieht sich über Wochen, weil der Wagen erst noch repariert werden muss.

Ein gemeinsames Buch, aber jeder schreibt für sich

Es entsteht die Idee, ihre Eindrücke während dieser Zeit aufzuschreiben. Jeder für sich, jeden Tag eine Seite. Sie zwingt ihn dazu - ein Zwang, der dem Schreibkrisengebeutelten guttut. Im daraus entstandenen Buch stehen auf den linken Seiten jeweils die Texte von ihr, rechts die sehr viel knapperen von ihm (seine in Schreibmaschinenschrift, denn Kroetz nutzt keinen Computer).

Es ist ein schonungslos ehrliches Buch geworden, das ist seine Qualität. Die beiden schenken sich nichts in der Beschreibung ihrer eigenen Niederlagen und der Wahrnehmung des anderen. Kroetz ist der versiertere und gemeinere Autor, das ist klar, auch der souveränere Vorleser. Er macht kleine dramatische Nummern daraus, voller Selbstironie und kauzigem Witz, heimst Lacher und Zwischenapplaus ein, wenn er von seinen Blockaden berichtet, seinen leidvollen Versuchen "besser zu scheitern" oder Relin als nervige "Hobbykrankenschwester" beschreibt: "Sie verortet mich zwischen Friedhof und Altersheim."

Man hat ganz vergessen, was für ein schönes Bayerisch er spricht. Kokett nennt er sich einen "oiden Macho", als würde das die sexistischen Giftspritzen gegen "die Ex", wie er Relin in seinen Texten nennt, entschuldigen: "Obwohl sie fett ist, ist sie noch ziemlich sexy." Das Publikum lacht mit der nötigen Empörung.

In ihren Schilderungen erscheint er als wehleidiger alter Mann

Relin sitzt ungerührt da, eine in jahrelangen Kämpfen Abgehärtete. Sie ist nicht so böse wie er. Doch wenn sie von seinen Gebrechlichkeiten und seiner leidigen Stehpinkelei erzählt, gibt sie es ihm auf ihre fraulich-patente Weise zurück. Es ist ein Kabbeln, Sticheln und Austeilen. Knie, Asthma, Prostata - in Relins Schilderungen erscheint Kroetz als wehleidiger alter Mann. Der weiß es ja selbst: "Das Alter ist ein Massaker."

Er feixt und grimassiert, wenn Relin ihn als "Miesepeter" beschreibt, und er tätschelt sie leicht, wenn sie von ihren gescheiterten Jobangeboten erzählt und sich selbstkritisch eingesteht, wie sie, die sich doch längst emanzipiert hat, in alte Rollenmuster als Köchin und Kümmerin zurückfällt: "Ich lebe sein Leben als Trittbrettfahrerin mit."

Kurz vor Ende liest Marie Theres Relin ganz ruhig und klar, ohne emotionales Aufhebens, jenes Kapitel vor, in dem sie vom frühen Missbrauch durch ihren berühmten Onkel Maximilian Schell erzählt. Das hat eine große Wucht. Wenn sie dann am Ende beide dastehen und sich verbeugen, sind sie Gleichberechtigte. Zwei, die einander nach all den Kämpfen und dem Hass doch noch weitergeholfen haben. Auch das ist eine Art Happy End. Kroetz drückt seiner Ex einen Kuss auf die Wange. Riesenapplaus. Dieses Zwei-Personen-Stück sollte ins Repertoire aufgenommen werden.

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