Oktoberfest:Dieser Stadt ist nicht zu helfen

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Wiesn-Zeit ist Ausnahmezeit in München. Also reitet die Bierwelle, tanzt die Helene Fischer, umarmt einander. Oder befolgt eine Strategie, die schon seit Jahrzehnten funktioniert.

Kolumne von Christiane Lutz

Während des Oktoberfests, das ist das Wunderbare, ist ganz München eine Art erweiterte Wiesn. Das bedeutet, dass der Wiesn-Verhaltenskodex auch für den Rest der Stadt gelten muss. Logisch. Da wird in der S-Bahn gegrölt, geschlafen und gefummelt wie nach der vierten Mass im Schottenhamel. An jeder noch so entlegenen Straßenecke werden kleine Kotzehäufchen platziert wie sonst nur am namensgebenden Kotzhügel. An stinknormalen Dienstagabenden marschieren die Männer in Lederhosen in stinknormale Kneipen und fahren ihr subtiles Wiesn-Flirtprogramm: wortloses Angrapschen. Funktioniert im Zelt ja auch. Manchmal. Wem da nicht gmiatlich ums Herz wird, der hat keins.

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Die meisten Münchner Kneipen und Clubs feiern diesen Zustand 16-tägiger Anarchie, manche bieten stimmungsvolle "After Wiesn Partys" an, um noch ein bisserl besser am Wahnsinn mitzuverdienen. Ein paar wenige aber verbitten sich und ihren Besuchern die Wiesn-Gaudi komplett. Das "Café Kosmos" zum Beispiel verhängt über seine Gäste seit Jahren ein Trachtenverbot. Wer was Dirndlartiges trägt, darf nicht rein. Basta. Die "Bar Gabanyi" hat während der Wiesn gar nicht erst geöffnet.

Mitfeiern oder konsequenter Boykott

Das ergibt natürlich überhaupt keinen Sinn, denn wo sollen all die armen Australier, die extra angereist sind, bitteschön hingehen, wenn im Zelt immer schon um 23 Uhr Schluss ist mit Que sera, sera? Das muss man doch als Repräsentant der Münchner Gastro-Szene berücksichtigen. Und gilt ein Trachtenverbot eigentlich auch für, sagen wir, Burkas oder Bollenhüte? Nur mal so kritisch hinterfragt.

Oh ihr Trutzburgen der Vernünftigen! Ihr Wächter des guten Geschmacks! Gebt euch geschlagen! Dieser Stadt ist nicht zu helfen während der Wiesn. Sich zu sträuben, ist so anstrengend wie nutzlos. Also reitet die Bierwelle, tanzt die Helene Fischer, umarmt einander, auch wenn ihr schwitzig seid, und haltet einander beim Übergeben die Haare. Der allerbeste Tipp nach wie vor: Während der Wiesn einfach in Urlaub fahren.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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