Szene München:Achtung, Bierdieb!

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Für den Biernachschub sorgt Mama Afrika: Junge Münchner spätabends am Gärtnerplatz. (Foto: Florian Peljak)

Wohin nur mit der leeren Pulle? Die Frage stellt sich seit diesem Sommer nicht mehr: Wer am Gärtnerplatz sitzt und nicht sekündlich auf sein Bier aufpasst, muss damit rechnen, dass ein Flaschensammler es ihm wegschnappt. Schön, wenn jemand mal höflich danach fragt - und einen für das Pfand belohnt.

Eine Kolumne von Thierry Backes

Mama Afrika trägt zumeist einen Turban auf dem Kopf und weite, rosafarbene Gewänder, die sie - zumindest auf den ersten Blick - als friedliebendes Blumenkind erscheinen lassen. Die Frau ist wohl jedem ein Begriff, der einmal einen Sommerabend auf dem Gärtnerplatz verbracht hat. In ihren Gesundheitsschuhen läuft sie stundenlang um den Brunnen herum und sammelt leere Flaschen ein. Weil sie sich für einen kleinen Obulus freundlicherweise auch um den Biernachschub kümmert, ist sie so etwas wie der beste Kumpel der hier Sitzenden.

Altruistisch veranlagt ist Mama Afrika indes nicht. Sie kann ziemlich dominant auftreten, wenn jemand versucht, ihr ausgeklügeltes Geschäftsmodell auszuhebeln. Traut sich jemand, in ihrem - offenbar gottgegebenen - Revier nach Flaschen zu wildern, wird aus der Mama schnell eine Furie, die Konkurrenten anherrscht (und so zu verscheuchen versucht).

Das hilft aber auch nicht mehr: Die Bandagen auf dem Mikromarkt Gärtnerplatz, sie sind in diesem Sommer härter geworden. Ja, man könnte fast schon von einem Kleinkrieg zwischen Flaschensammlern sprechen. Für den nichts ahnenden Gast heißt das erst mal: Achtung, Bierdieb! Wer nicht sekündlich auf sein Getränk aufpasst, muss damit rechnen, dass ein übereifriger Flaschensammler es ihm einfach wegschnappt.

München fühlt sich so immerhin wieder etwas großstädtischer an. Es ist noch nicht so wie in Berlin, wo man quasi an jeder Ecke Bierkisten (oder gar Einkaufswagen) findet, die nur darauf warten, gefüllt zu werden. Aber die Sammler sind längst nicht mehr nur am Gärtnerplatz unterwegs, sondern auch an der Isar.

Und auch hier ist jede einzelne Flasche umkämpft. Da freut man sich, wenn der eine Kollege vorbeikommt, der einem für die leere Flasche einen Spruch anbietet. Das Thema kann man sich selbst aussuchen, und selbst, wenn die Zeilen immer wieder die gleichen sind: Der gute Mann ist freundlich. Davon könnte Mama Afrika noch was lernen.

© SZ vom 14.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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