SZ-Adventskalender:Ständig Schmerzen und kaum Schlaf

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Das Leben war und ist nicht einfach für Mike F. Doch er hofft, irgendwann wieder gesund zu sein. (Foto: Catherina Hess)

Depressiv, getrennt, wohnungslos. Nun hat Mike F. eine Bleibe gefunden und seine Kinder können ihn besuchen.

Von Sabine Buchwald

Seine Krankheit ist unberechenbar. Sie überfällt ihn wie ein wildes Tier, auch in Momenten, in denen er nicht damit rechnet. "Es kann alles gut sein und trotzdem hat man seine depressiven Phasen", sagt Mike F.

Zurzeit läuft es eigentlich ganz gut für ihn, auch wenn der Schmerz in seinen kaputten Knien immer da ist, genauso wie das unsichtbare psychische Leiden, das ihn quält, und die ständige Schlaflosigkeit. Ohne Medikamente käme er nicht durchs Leben.

Mike F. sitzt bei sich zu Hause auf einer großen Ledercoach, die ihm ein Freund vermacht hat. Sie dominiert das Wohnzimmer, an das auch ein Küchenbereich angeschlossen ist. Einen Esstisch und Stühle hat er nicht im Moment. Das Sofa lässt sich zu einem breiten Bett verwandeln. Die Kinder schlafen darauf, wenn sie bei Mike F. zu Besuch sind. Die 14 Jahre alte Tochter und der elfjährige Sohn leben bei der Mutter, jedes zweite Wochenende dürfen sie zum Papa. Seit er eine eigene Wohnung hat, ist das nun möglich. "Sie kommen gern zu mir", sagt Mike F. Auf dem Sofa liegt ein kleines rotes Plüschherz, ein Geschenk der Tochter. An der Wand hängen Fotos von zwei hübschen Kindern, die fröhlich lachen und sich fest umarmen.

Nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin war Mike F. viele Jahre wohnungslos. Auf der Straße habe er nie schlafen müssen, sagt er. Aber er kenne die Münchner Männerwohnheime. "Sie möchten nicht wissen, wie es dort zugeht." Für ihn, der depressiv ist, dem manchmal jede Kleinigkeit zu viel wird, wie er sagt, der so oft nachts wach liegt, sind sie schwierige Orte, weil er es "nicht packt, unter vielen Menschen zu sein". Nun kann er sich zurückziehen.

Die Sozialwohnung liegt in einem Neubaugebiet und hat bodentiefe Fenster. Die Häuser stehen dicht an dicht, man kann den Nachbarn auf die Teller schauen. Mike F. fühlt sich beobachtet. Vorhänge hat er keine, es gibt auch keine Schienen oder Stangen dafür. Um welche anzubringen, bräuchte er eine Bohrmaschine. Hat er auch nicht. Oft lässt er deshalb die elektrischen Jalousien runter, igelt sich ein, auch tagsüber. Helligkeit aber hilft gegen Depression, das weiß er. Er hat einige Therapien hinter sich, und immer noch springt das Tier ihn an, krallt sich manchmal an seinem Hals fest. Mike F. leidet unter dem HWS-Syndrom, hat Nacken- und Schulterschmerzen, die sich bis hinauf in den Kopf ziehen.

Seine Kinder sind sein Lebensmittelpunkt

Aufgewachsen ist Mike F., der eigentlich anders heißt, in Berlin. Eine Stadt, in die er nicht mehr zurückmöchte. Sie ist ihm zu groß, die Erinnerung an die Kindheit und seine Eltern nicht allzu gut. Nach München kam er 1997 wegen seiner Ausbildung zum Rettungssanitäter. Es macht ihm Freude, anderen Menschen zu helfen. Auch als Altenpfleger hat er gearbeitet. Die angeborene Fehlstellung der Füße waren für ihn früher schon ein Problem, aber da konnte er noch Fußball spielen. Jetzt, obwohl er erst 43 Jahre alt ist, falle es ihm schwer, lange zu stehen. Seine Kniegelenke sind schon operiert worden, aber eine erneute OP wird bald nötig sein. Nach der Reha möchte er umschulen und finanziell wieder auf die eigenen Beine kommen.

Seine Kinder sind sein Lebensmittelpunkt. Mit ihnen zu spielen und Ausflüge zu machen, gibt ihm Kraft. Gern würde er mal mit ihnen einen kleinen Urlaub machen. Oder eine Fahrradtour? Mike F. lächelt: "Sehr gerne." Dazu bräuchten aber alle Räder, er selbst wohl ein stabiles E-Bike, wie aber soll er sich das leisten?

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