SZ-Adventskalender für gute Werke:Niemals den Mut verlieren

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Franziska Seifert tut alles, um ihre Patchwork-Familie zusammenzuhalten. Weil ihr Mann während der Pandemie in Kurzarbeit ist, bekommen die Eltern und die vier Kinder Hartz IV.

Von Bernd Kastner

Eine Familie zusammenzuhalten, erfordert viel Kraft, gerade in Coronazeiten. Eine Patchwork-Familie mit vier Kindern aus unterschiedlichen Kulturen erst recht. Und wenn dann noch die eigene kleine Firma in Schwierigkeiten gerät, dann müssen die Eltern kämpfen. Franziska Seifert ( Name geändert) kann davon erzählen, wie viel Energie es kostet, für die Familie zu sorgen.

Franziska Seifert, 37, lernte ihren Mann 2015 kennen, übers Internet. Er ist gebürtiger Tunesier, hat lange Zeit in den USA gelebt und hat zwei Kinder aus einer früheren Ehe. Es geht alles schnell, schon sechs Wochen nach dem Kennenlernen heiraten die beiden nach islamischem Brauch, er zieht bei ihr ein, in eine kleine Wohnung. Es geht weiter in dem hohen Tempo: Schwangerschaft, Umzug in eine größere Wohnung am Stadtrand, standesamtliche Hochzeit, Reise nach Tunesien, um die Töchter des Mannes, die noch bei den Großeltern lebten, zu holen. Wenig später kommt Franziska Seiferts erste leibliche Tochter zu früh zur Welt. Die Patchwork-Familie war geboren.

Die Mutter fühlt sich in permanentem Ausnahmezustand, sie trennt sich vorübergehend von ihrem Mann, die Auszeit tut ihr gut, sie machen eine Paartherapie und finden wieder zusammen. Kurz vor Beginn der Pandemie ist Franziska Seifert erneut schwanger. Sie sagt, sie habe sich so darauf gefreut, aber wieder verlief die Schwangerschaft unter Stress, diesmal wegen Corona. "Ich konnte die Schwangerschaft wieder nicht genießen."

"Mama." So nennen sie auch die angeheirateten Kinder. Franziska Seifert machte sich oft Sorgen, dass sie den Erwartungen der Mädchen nicht gerecht werden kann. Beide sind heute Teenager, was es nicht immer einfach mache, sagt Franziska Seifert. Auch der Kontakt zur leiblichen Mutter der beiden sei nicht einfach, die Frau lebt in den USA. Vor allem der Älteren mache der Verlust der leiblichen Mutter zu schaffen.

Noch anstrengender aber sei die finanzielle Situation der Familie. Dabei kannten sie gute Zeiten: Der Mann, heute 43, arbeitete in den USA im Hotelmanagement, er war recht wohlhabend, aber nach der Rückkehr nach Tunesien verließ ihn das Glück. Der Traum von einer eigenen Farm endete ungut, er verlor viel Geld. Als er seinem Bruder nach Deutschland nachfolgte, war er fast mittellos. Später gründete er in München mit seiner Frau zusammen ein kleines Taxi-Unternehmen, er ist bei ihr angestellt. Doch während der Pandemie ließ das Geschäft so stark nach, dass Franziska Seifert Kurzarbeit für ihren Mann anmelden musste. Vor ein paar Jahren hatten sie den Plan, bald Wohneigentum zu erwerben, doch Corona hat auch dies durchkreuzt.

"Man kann es trotzdem schaffen", sagt Franziska Seifert am Telefon, es klingt wie ihr Lebensmotto. Sie selbst arbeitete vor der Geburt ihrer beiden Kinder in der Textilbranche, war Abteilungsleiterin in einem Münchner Kleidungsgeschäft; später gestaltete sie eine Boutique am Stadtrand, sie hatte große Freude daran. Vor Kurzem ergab sich die Gelegenheit, im Januar in Teilzeit in einem Immobilienbüro mitzuarbeiten, sie kann von daheim aus arbeiten, das erleichtert viel. Macht es aber auch anstrengend, wenn nicht nur die Mutter im Home-Office ist, sondern die Kinder nach der Schule zu Hause sind, zumal die Jüngste noch keinen Krippenplatz hat. Der Mann und Vater ist auch in diesem Monat wieder in Kurzarbeit, die Zeiten sind schwierig fürs Taxigewerbe. Die Familie bekommt Hartz IV als Aufstocker, sie war und ist immer wieder an der Belastungsgrenze.

Hat die Mutter auch Wünsche? Ein Fahrrad wäre toll, sagt sie. Kleidung brauchen Kinder immer wieder, und wegfahren, in den Urlaub, das wäre auch eine schöne Abwechslung. Am meisten aber wünscht sich die Mutter einen schönen Geburtstag: Kurz vor Weihnachten wird ihre Jüngste ein Jahr alt.

Franziska Seifert hat ein paar Gedanken zu ihrer Situation zu Papier gebracht: "Allein eine Patchwork-Familie zu sein, ist schon eine unglaublich große Herausforderung. Bei uns stoßen zusätzlich unterschiedliche Kulturen, Religionen, Sitten, Sprachbarrieren und Vorurteile aufeinander. Unter all diesen Voraussetzungen eine funktionierende Familie zu werden und zu bleiben, ist nur durch die intensive, tagtägliche Arbeit jedes Einzelnen von uns möglich. Daher nenne ich uns eine Arbeiterfamilie."

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