SZ-Adventskalender:Eigenständig durchs Leben

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Theresa S. ist an einer spinalen Muskelatrophie erkrankt. Ohne Helferinnen müsste sie ihre Wohnung aufgeben. (Foto: Catherina Hess)

Theresa S. hat spinale Muskelatrophie. Unabhängigkeit ist ihr wichtig - auch in einem Leben, in dem sie immer auf Hilfe angewiesen sein wird.

Von Monika Maier-Albang, München

Theresa S. neigt nicht zur Klage. Das Fahren mit dem Bus, mit der Tram, mit der U-Bahn - "das funktioniert gut in München", sagt sie. Es dauert halt nur alles viel länger, wenn man im Rollstuhl sitzt und auf den Aufzug hier und den Fahrer dort warten muss, der einem die Rampe herrichtet. Wie mühsam allein schon der Weg in die Arbeit ist, "kann man sich wahrscheinlich schlecht vorstellen, wenn man selbst nicht betroffen ist", sagt Theresa S..

Sie hat Helferinnen, "persönliche Assistenz" ist der Fachbegriff für die Menschen, die ihr den Alltag erleichtern. Ohne sie könnte Theresa S., die an einer spinalen Muskelatrophie erkrankt ist, nicht alleine in ihrer Wohnung leben. Die Helferinnen schieben ihren Rollstuhl über den Spalt zwischen Bahnsteig und U-Bahn-Waggon, legen ihr das Sitzgeschirr an, das sie zum Duschen benötigt, helfen ihr ins Bett, sobald sie schlafen gehen möchte. Auch nachts muss sie um Hilfe bitten, wenn sie die Seite wechseln möchte, auf der sie liegt. Alleine umdrehen, ihren Körper aus eigener Kraft bewegen, das kann die 32-Jährige nicht.

Und trotzdem findet sich Theresa S. in diesem Leben zurecht, sie hat studiert, hilft jetzt Menschen mit Sprachstörungen. Aber immer wieder macht selbst sie, die sprachgewandt ist und sich im Behördendeutsch zurechtfindet, die Erfahrung, wie mühsam der Kampf mit den Krankenkassen ist. "Man bekommt nur, was unbedingt notwendig ist", sagt sie, den Rollstuhl, den Lifter.

"Alles, was über das absolute Minimum hinausgeht, wird nicht bezahlt. Auch wenn es Dinge sind, die dir das Leben so viel einfacher machen." Theresa S. hat sich eine elektrische Eingangstür einbauen lassen. "Wenn ich Besuch erwarte, macht es einfach einen Unterschied, ob ich selbst die Tür öffnen kann. Oder ob ich erst die Assistenz bitten muss, sie zu öffnen."

Es ist ein Stück Unabhängigkeit in einem Leben, in dem sie immer auf Hilfe angewiesen sein wird. Die jeweilige Assistentin, die Dienst hat, schläft in ihrem Wohnzimmer oder sitzt in ihrem Schlafzimmer, wenn sie sie gerade nicht braucht. So wichtig wie die Eingangstür sind die verlängerten Türgriffe, die es ihr dank der Hebelwirkung ermöglichen, selbst die Wohnungstüren zu öffnen.

Auch die Kücheneinrichtung ist auf ihre Bedürfnisse abgestimmt: die Arbeitsfläche in passender Höhe und unterfahrbar, das Spülbecken so flach, dass sie bis auf den Boden kommt, ein Herd, den sie bedienen kann. "Ich möchte mir mein Spiegelei selbst braten können", sagt Theresa S.. Das Geld dafür hat sie geliehen, sie wird es abstottern in den nächsten Jahren. Und würde sich freuen, wenn sich das etwas beschleunigen ließe.

© SZ vom 19.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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