SZ-Adventskalender:Kaum Zeit für ein eigenes Leben

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Als Teenager ist Elisabeth R. schwanger geworden. Ihr Kind zieht sie allen groß. (Symbolbild) (Foto: dpa)

Elisabeth R. ist im Teenageralter Mutter geworden. Nun zieht sie ihren kleinen Sohn alleine groß.

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Manche in ihrer Umgebung würden sagen, in ihrem Leben sei vieles bisher "dumm gelaufen", erzählt Elisabeth R. ( Name geändert) und senkt den Blick. "Aber wie kann ich sagen, dass etwas dumm gelaufen ist, wo doch so etwas Wunderbares entstanden ist?", frage sie sich in solchen Momenten immer. "Ein Mensch, den ich so sehr liebe?" Gemeint ist damit ihr kleiner Sohn, den Elisabeth R. alleine großzieht und der ihr ein und alles ist.

Die junge Mutter, die im Teenageralter schwanger wurde, hatte eigentlich ganz andere Pläne gehabt: die Schule beenden, ein bisschen was von der Welt sehen, eine Ausbildung abschließen, nach und nach etwas aufbauen und dann eine Familie gründen. Kosmetikerin zu werden war ihr großer Traum, erzählt sie. Menschen beraten und unterstützen, sich noch ein bisschen besser zu fühlen, wenn Kajal und Rouge Konturen betonen und Puder die eine oder andere Rötung abdeckt. Doch die Realität hat Elisabeth R. schnell eingeholt, vielleicht ein bisschen zu schnell.

Sie ist noch in der Schule und nicht volljährig, als sie mit ihrem Sohn schwanger wird. "Der Vater hat von Beginn an kein Interesse gezeigt, ist weggegangen und zahlt bis heute auch keinen Unterhalt", erzählt die junge Mutter. Dabei leide der Kleine unter der Situation. "Er ist im Kindergarten der einzige Bub, der nicht von seinem Vater erzählen kann. Manchmal kommt er abends zu mir und sagt: ,Ich will auch einen Papa, so wie die anderen'". Sätze wie diese zerrissen ihr jedes Mal das Herz, gesteht Elisabeth R.

Und die Sehnsucht des Kleinen nach einer Vaterfigur mache auch vor Familie und Fremden nicht Halt: "Manchmal sagt er zu meinem Papa auch Papa, oder zu Männern, die wir gar nicht kennen."

Zu diesen Problemen kommen bei der kleinen Familie große finanzielle Sorgen. Denn ohne Ganztagsbetreuung und Familie in der Nähe muss die alleinerziehende Mutter täglich für den Kleinen da sein. "Ich hatte zwar einen Job, während der Kleine im Kindergarten war", erzählt sie. Doch als sie sich eine Lungenentzündung zuzog und wochenlang ausfiel, verlor sie die Stelle wieder. "Ich würde sofort wieder arbeiten, gerne sogar", bekräftigt sie. "Aber ich weiß im Moment nicht, wie das zeitlich gehen soll." Gleichzeitig hat sie Angst, dass sie den Sprung nicht schafft, irgendwann trotz des Kindes eine Ausbildung abzuschließen und damit in einem qualifizierten Beruf ausreichend Geld zu verdienen, ihre Familie ernähren zu können. "Diese Angst vor der Zukunft ist echt belastend", sagt sie. Doch wie ändern? Eine von vielen Fragen in ihrem Leben, in dem sie schnell, zu schnell erwachsen sein musste. Weil sich ihr ganzes Leben um den Buben dreht, sind viele eigene Schritte auf der Strecke geblieben: "Ich habe auch keinen Führerschein, kein Auto, und mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln ist es schwierig, auf dem Land von A nach B zu kommen."

In der Folge leben sie und ihr Sohn von Sozialhilfe, gerade einmal 500 Euro bleiben den beiden im Monat zum Leben, sparen können sie daher kaum. Es ist schwer für die junge Mutter, alleine die gesamte Verantwortung zu tragen. Ein winziges Einzimmerapartment ist ihr Refugium. Das klapprige Jugendbett von Elisabeth R. teilt sie sich nachts mit ihrem Kind, tagsüber dient es als Sitzmöbel. Darüber hinaus ist das Zimmer ungewöhnlich kahl.

"Das meiste Geld geht eben für Lebensmittel drauf", sagt Elisabeth R. Doch auch für angemessene Kleidung reicht es nicht: "Vor allem der Kleine macht gerade einen großen Schub, ihm passt so gut wie nichts mehr."

© SZ vom 18.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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