SZ-Adventskalender:Arbeitslos im Advent

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Aicha wohnt mit ihren drei mittlerweile erwachsenen Kindern in einer kleinen Wohnung. Für Weihnachtsgeschenke fehlt ihr das Geld. (Foto: Catherina Hess)

Jahrelang hat Aicha Flure, Treppen und Räume einer Münchner Universität geputzt. Dann kommt die Kündigung - und die Angst, deswegen von ihrer Tochter getrennt zu werden.

Von Inga Rahmsdorf, München

Es ist noch nicht lange her, dass Aicha ihre Tochter Fabienne endlich wiedersehen konnte. Nach vielen Jahren der Ungewissheit, ob ihr Kind überhaupt noch lebt. Doch nun hat die 51-Jährige erneut Angst, von ihrer Tochter getrennt zu werden. Denn Fabienne hat keine sichere Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland, obwohl die 18-Jährige bereits eine Ausbildung als Krankenpflegerin in München macht. Weil die Kinder von Aicha nicht möchten, dass Arbeitskollegen und Freunde von ihrer Situation erfahren, sind ihre Vornamen der Kinder geändert und wird ihr Nachname nicht genannt.

Aicha ist vor 13 Jahren aus dem Kongo nach Deutschland geflohen. Sie konnte damals nur ihren Sohn mitnehmen. Im Kongo gibt es keinen funktionierenden Rechtsstaat, die Mobutu-Diktatur und die Konflikte haben das Land ruiniert. Gewalt und Unruhen prägen den Alltag. Fabienne und Celina, die beiden Töchter von Aicha, waren jahrelang verschollen, der Vater der Kinder war gestorben.

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Die Mutter hatte keinen Kontakt zu ihnen, erst vor wenigen Jahren, die Töchter waren bereits Jugendliche, gelang es Aicha, erst Celina und dann Fabienne nach Deutschland zu holen. In kurzer Zeit haben die beiden in München einen qualifizierten Mittelschulabschluss gemacht und Celina hat bereits eine Ausbildung abgeschlossen und arbeitet als Hotelfachfrau.

Aicha wohnt mit ihren drei mittlerweile erwachsenen Kindern in einer kleinen Wohnung im 4. Stock, einen Aufzug gibt es nicht. Seit einigen Wochen kann sie die Wohnung kaum noch verlassen, die Schmerzen sind zu stark geworden. Nur wenn sie zum Arzt muss, quält sie sich die Treppe hinab. Aicha krempelt ihre Hosenbeine hoch und streift die Socken ab.

Ein Knie ist geschwollen, Arthrose. Über ihre Beine ziehen sich große Narben, die Spuren von Folter und Misshandlungen im Kongo. Polizisten haben ihr die Fußsohlen mit Messern zerschnitten. Seit sie in Deutschland lebt, kann sie ihre Füße zwar medizinisch versorgen lassen, doch immer noch schmerzt jeder Schritt. Im vergangenen Frühjahr wurde bei Aicha Brustkrebs diagnostiziert. Sie musste operiert werden.

Ohne Arbeitsvertrag keine Einbürgerung

Trotzdem jammert Aicha nicht. "Ich bin so froh, in München zu leben und meine Kinder bei mir zu haben", sagt sie. Und sie hat ihren Unterhalt immer alleine bestritten, bezieht bis heute keine Sozialleistungen. Jahrelang hat sie Flure, Treppen und Räume einer Münchner Universität geputzt, acht Stunden täglich Böden gewischt, Wassereimer geschleppt. Bis vor einem Monat. Da hat ihr die Reinigungsfirma gekündigt. Das Unternehmen hatte den Auftrag verloren, die Mitarbeiter wurden entlassen.

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Aicha weiß nun nicht, wie es weitergehen soll. Sie hatte eigentlich alle Unterlagen vorbereitet, um einen deutschen Pass zu beantragen. Sie hat den notwendigen Sprachkurs und den Einbürgerungstest bestanden, sie arbeitet auch ehrenamtlich als Kulturdolmetscherin und übersetzt für ankommende Flüchtlinge. Doch für den deutschen Pass braucht sie einen Arbeitsvertrag.

Die Kinder sollen gut ausgebildet werden

"Ich liebe Deutschland", sagt sie. Hier fühle sie sich zu Hause. Hier gebe es einen Rechtsstaat. "Und meine Kinder können hier eine Schulabschluss und Ausbildung machen und arbeiten. Das ist eine große Chance." Wenn Aicha nun Sozialleistungen beziehen würde, würde sie den Aufenthalt ihrer Tochter Fabienne gefährden. Und die hat sich bereits gut eingelebt. Anfangs sei sie sehr ängstlich und nervös gewesen, erzählt Aicha. Fabienne ist im Kongo sexuell missbraucht worden. Seit sie in München lebt, macht sie eine Therapie.

Aicha würde ihren Kindern gerne zu Weihnachten etwas schenken. Und ein schönes Essen mit ihnen kochen. Doch derzeit kann sie nicht einmal die Miete zahlen und sie hat Angst, die Wohnung zu verlieren. Aber ihr größter Traum ist, dass ihre drei Kinder in Deutschland bleiben dürfen, eine Ausbildung abschließen und eine Arbeit finden.

© SZ vom 21.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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