Kritik:Alter schützt vor Torheit

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Leopold Hager leistet Grandioses am Pult der BR-Symphoniker, und Pianistin Khatia Buniatishvili erspielt sich drei Zugaben.

Von Michael Stallknecht

Krankheitsbedingte Ausfälle häufen sich noch immer im Konzertbetrieb, was nicht selten eine Chance für junge Einspringer ist. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ging nun sozusagen den umgekehrten Weg, um den ausgefallenen Dirigenten Mikko Franck zu ersetzen. Es rief, zum ersten Mal seit mehr als vierzig Jahren, den 86-jährigen Leopold Hager ans Pult, den Jüngere vor allem von vielen Aufnahmen kennen. Bei Anton Bruckners Siebter Symphonie war also zu erleben, was ein erfahrener Kapellmeister leisten kann: Grandioses. Hager weiß genau, wie man Bruckners große Steigerungen anlegen muss, bringt Details gleichzeitig prägnant und im Handumdrehen auf den Punkt. Fast schwerelos zieht der Viersätzer vorüber, in ziemlich rasanten Tempi, und selbst beim auftrumpfenden Schluss kracht es nicht in der dafür anfälligen Isarphilharmonie.

Jedenfalls stellte Hager mit seiner Selbstverständlichkeit locker das Debüt der Pianistin Khatia Buniatishvili bei den BR-Symphonikern in den Schatten, das im ersten Teil des Abends wohl eigentlich die Aufmerksamkeit hätte anziehen sollen. Die 34-Jährige ist eine Extremvirtuosin, womit sie bei Sergej Rachmaninows berühmtem Zweitem Klavierkonzert natürlich richtig liegt (auch wenn die Zusammenstellung mit Bruckners Siebter programmatisch hirnrissig ist). So richtig jedenfalls, dass sie sich beim begeisterten Publikum drei Zugaben erspielte. Denn neben extrem schnellen Fingern verfügt Buniatishvili über einen schönen, variantenreichen Anschlag, mit dem sie immer wieder ins Träumerische lockt. Nur wohin sie locken will, versteht man nicht. Die Tempi wirken sprunghaft, Atmosphärisches kapriziös, das - dafür anfällige - Stück verliert die Form. Leopold Hager folgt tapfer, kann aber Koordinationsprobleme mit dem Orchester verständlicherweise nicht immer verhindern. Schöner also, ihn danach allein am Pult der BR-Symphoniker zu erleben - und hoffentlich bald wieder.

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