Timo sieht aus wie eine Pflanze, "rankenartige Arme und Beine, blass grünliche Haut und orangegelbes Haar". Er wohnt in einem Haus mit seiner Oma, die "anderthalb Jahrhunderte" auf dem Buckel hat. Valerie wiederum wacht erst auf, wenn ihre Träume auserzählt sind. Manchmal schläft sie tagelang. Richard hat ein ganz anderes Problem: Wo er auftaucht, "werden alle vor Langeweile bewegungsunfähig".
Die drei Außenseiter sind Protagonisten eines außergewöhnlichen Romans: "Draußen feiern die Leute" (Kein & Aber) ist das Debüt von Sven Pfizenmaier. Sein formschöner wie lässiger, trauriger wie lustiger, zeitloser wie gegenwärtiger Dorfroman dreht sich, reichlich angeschickert, um die ewige Sehnsucht junger Menschen nach einem besseren Ort.
Der Autor macht es sich im Vagen ungemütlich
Der Wahl-Berliner, geboren 1991 in Celle, hat sein extravagantes Ensemble - eine wichtige Rolle spielen auch die lustig-doofen Drogen-Amateure Dima, Danik und Doktor Dobrin - in ein Dorf in der Provinz bei Hannover verpflanzt. Das Aufregendste sind das alljährliche Zwiebelfest, der zwangsläufige Dauerrausch und das Heilung versprechende Verknalltsein. Aber noch etwas lullt die Menschen dort ein, auch die Erwachsenen: Teenager, die einfach verschwinden, die sich in Luft auflösen wie Flora, deren Schwester Jenny misstrauisch wird und sich auf die Suche macht. Und sie ist nicht die einzige, die sich in Gefahr begibt.
Irgendwann lässt Pfizenmaier durchblicken, was es mit der stilisierten Eule auf dem Cover seines Buches auf sich hat. Und wer noch alles verschwinden und knifflige Entscheidungen treffen muss, um das Rätsel um ein scheinbar besseres Leben zu lösen. Ansatzweise zumindest. Das sind dann auch die Momente, in denen der der Jugendsprache nicht abgeneigte Autor literarische Reife beweist. Wenn er Möglichkeiten nur andeutet, sparsam mit Erklärungen hantiert, es sich (und den Leserinnen und Lesern) im Vagen ungemütlich macht. Und dabei ein Kopfkino in Gang setzt, das falsche (und richtige) Fährten zum goldenen Horizont skizziert.
Wenn Pfizenmaier sein irres Buch beim Frühlingsmix im Literaturhaus vorstellt, dann wird er nicht der einzige mit einer aufmuckenden Stimme sein. Denn dafür ist die Reihe bekannt: Dass sie gleich mehrere Autorinnen und Autoren ans Mikro lässt, die noch ungeschliffen und hoffnungsfroh etwas wagen. Wie Krisha Kops mit seinem Debüt "Das ewige Rauschen" (Arche Verlag). In der deutsch-indischen Familiengeschichte ist es ein Baum, der als Erzähl-Instanz spricht.
Lustvoll kreativ, in mehrfacher Hinsicht, ist Bernadette Schweihoff aus Berlin, die dritte im Bunde. Ihre preisgekrönte Graphic Novel "Treiben" (Edition Moderne) führt einerseits nach Sibirien, andererseits in eine sinnliche weibliche Gefühlswelt. Flirrend und intim. Und damit bestens passend zu den Moderationen der Gastgeberinnen Marion Bösker-von Paucker, Katrin Lange und Alke Müller-Wendlandt.
Frühlingsmix mit Sven Pfizenmaier, Krisha Kops und Bernadette Schweihoff, Di., 17. Mai, 20 Uhr (Bar ab 19 Uhr), Literaturhaus München, Karten unter www.literaturhaus-muenchen.de