Null Acht Neun:Das Geheimnis der Bananenfrau

Null Acht Neun: Was macht ein Mensch mit so vielen Bananen?

Was macht ein Mensch mit so vielen Bananen?

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Beim Warten in der Supermarktschlange lassen sich Kunden und auch ihre Einkäufe studieren - vom Zartbitter-Typ bis zum Augustiner-Hallodri. Doch eine Begegnung kurz vor Ladenschluss bleibt ein Rätsel.

Glosse von Christian Mayer

Es war kurz vor Ladenschluss. Vor der Kasse im kleinen Edeka in der Säbener Straße standen drei, vier Kunden, die nach einem langen Arbeitstag noch schnell ihre Besorgungen machen wollten, da gesellte sich eine jüngere Frau zur Gruppe der Späteinkäufer dazu. Sie fiel sofort auf, weil sie im Gegensatz zu allen anderen gar nicht abgespannt und müde wirkte, sondern sehr erfrischt aussah und lächelte. Im Einkaufswagen hatte sie keine hastig zusammengestellte Notversorgung für den Abend, sondern nur ein Produkt aus der Obstabteilung: Bananen für eine vierzigköpfige Großfamilie. Die Kundin hatte offenbar die gesamte Auslage des Supermarkts abgeräumt. Gerne hätte man von ihr Näheres über den Grund ihres Einkaufs erfahren, aber da verschwand die Bananenfrau schon in der Harlachinger Nacht.

Das Warten in der Supermarktschlange hat ja einen großen Vorteil: Man kann die Kunden genauso studieren wie die von ihnen ausgesuchten Waren und bekommt so zumindest eine Ahnung davon, wie sie leben und was sie vom Leben wollen. Ob sie eher so der Zartbitter-Typ sind, der Augustiner-Hallodri, die Kichererbsentante, die Zimtschnecke oder der Vollblutveganer. Früher kam auch immer noch eine lustige alte Dame ins Geschäft, die sich täglich ihren Piccolo und eine Schachtel Marlboro light abholte. Doch das ist Vergangenheit, die Piccolo-Generation hat offenbar abgedankt, zumindest in diesem Teil von München.

Die Bananenfrau bleibt eine rätselhafte Erscheinung, sie ist seitdem nie mehr im Supermarkt aufgetaucht. Und so kann man nur spekulieren, was der Grund ihrer Südfruchtoffensive war: Gehört sie zur wachsenden Zahl der ambitionierten Cafébetreiberinnen, die sich immer raffinierteren Obstkreationen verschrieben haben? Bananenbrot etwa, gerne serviert mit einem Hafermilch-Cappuccino, ist in einigen Münchner Vierteln ja längst die Hauptnahrungsquelle, die allenfalls noch durch Rote-Bete-Carpaccio und Avocado-Dinkel-Mus ergänzt wird. Oder ist die Bananenfrau vielleicht die Fruchtbevollmächtigte einer engagierten Kita, die erkannt hat, wie wichtig der Kaliumhaushalt für die lieben Kleinen ist? Mixt sie gelbe Vitaminbomben in der Wohlfühl-Lounge einer großen Münchner Anwaltskanzlei oder asiatische Cocktails auf der Feierbanane zwischen Sendlinger Tor und Maximiliansplatz?

Vermutlich wird man es nie erfahren, aber eines ist sicher: Die Bananenfrau hatte offensichtlich gute Laune. Muss wohl am Gegenstand ihres Einkaufs liegen.

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