Strafprozess:"Dann hat er sich halt abreagiert, auch als der andere schon am Boden lag"

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Sagt der Anwalt von Zoran S., der einem 23-jährigen gegen den Kopf geschlagen oder getreten haben soll. War es eine Schlägerei, ein versuchter Mord oder gefährliche Körperverletzung?

Von Andreas Salch

Als sein Opfer schon längst bewusstlos am Boden lag und sich nicht mehr rührte, soll Zoran S. ( Name von der Red. geändert) noch mit geballter Faust daneben gestanden haben.

Es war in den frühen Morgenstunden des 6. Juli 2014. Zoran S., Träger des Schwarzen Gürtels im Taekwondo, war angeblich wütend, weil Emin E. (Name von der Red. geändert) mit seiner älteren Schwester in einem Club in der Rosenheimer Straße getanzt hatte. Er bat ihn nach draußen. Dort soll Zoran S. den damals 23-jährigen Emin E. entweder mit einem Tritt oder einem Schlag gegen den Kopf zu Boden gebracht haben.

Was sich dann zugetragen haben soll, ist so nicht oft in einer Anklage der Staatsanwaltschaft am Landgericht München I zu lesen: Um sich an Emin E. "abzureagieren", habe Zoran S. den 23-Jährigen weiter mit der Faust gegen den Kopf geschlagen und ihm zudem "mindestens drei stampfende Fußtritte von oben nach unten" versetzt. Die Stirn von Emin E. war danach eingedrückt.

Zoran S. sitzt seit Montag auf der Anklagebank der Jugendstrafkammer am Landgericht München I. In der Untersuchungshaft habe er sich für ein "Anti-Aggressionstraining" beworben, erzählte er Richter Stephan Kirchinger.

"Ich find' Dich positiv, gut eben"

Für die Tat hatte sich der gelernte Kaufmann bereits Anfang 2015 vor dem Landgericht verantworten müssen. Vier Jahre Haft wegen gefährlicher Körperverletzung lautete das Urteil. Das Gericht hatte dem 21-Jährigen zugute gehalten, dass er letztlich von seinem Opfer abgelassen habe.

Die Staatsanwaltschaft, die Anklage wegen versuchten Mordes erhoben hatte, focht die Entscheidung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe an und hatte Erfolg. Der BGH hob das Urteil auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts München I.

Zoran S. hatte sich nach der Tat der Polizei gestellt. "Ich habe etwas gemacht, das ich in diesem Ausmaß so nicht verstehe", schrieb er Emin E. in einem Entschuldigungsbrief vor Beginn des ersten Prozesses und versicherte ihm: "Ich find' Dich positiv, gut eben." Nach den Faustschlägen und Tritten, die S. dem 23-Jährigen angeblich versetzte, soll er sich vor seinen Kumpels in dem Club an der Rosenheimer Straße gebrüstet haben.

Nach Verlesung der Anklage, gab einer der beiden Verteidiger von Zoran S., Rechtsanwalt Andreas Schröger, eine Erklärung für seinen Mandanten ab. Darin schilderte er unter anderem, wie es zu dem Streit gekommen sein soll. Angeblich hat sich die Schwester von Zoran S. bei ihrem Bruder darüber beschwert, dass Emin E. in dem Club "aufdringlich" mit ihr getanzt habe.

"Ich war unter Adrenalin-Schock"

Der 23-Jährige habe sie mit dem "Genitalbereich von hinten an das Gesäß" angetanzt, ergänzte Zoran S. Daraufhin habe S. Emin E. zur Rede gestellt, so der Verteidiger. Er habe ihn gebeten, mit ihm nach draußen zu gehen. Dabei hätten sich die beiden jungen Männern bereits gegenseitig beleidigt und Vorwürfe gemacht.

Emin E. habe Zoran S. geschubst, so Rechtsanwalt Schröger. Da S. geglaubt habe, er werde von E. angegriffen, habe er zugeschlagen, so der Verteidiger. "Möglicherweise" habe er Emin E. auch "zwei- bis dreimal mit dem Fuß gegen den Kopf getreten", danach aber von ihm abgelassen.

Hat der Angeklagte die Blutlache am Tatort gesehen, will Richter Kirchinger von dem Verteidiger wissen. Hat er nicht, erwidert der Anwalt. Und die eingedrückte Stirn des Opfers, hakt der Vorsitzende nach. Die hat der Angeklagte auch nicht gesehen, so der Verteidiger. Ob Zoran S. auf Emin E. auch dann noch eingetreten habe, als dieser schon am Boden gelegen habe, fragt Richter Kirchinger.

Bei seinem Mandanten habe "sich Adrenalin angestaut und dann hat er sich halt abreagiert, auch als der andere schon am Boden lag", sagt der Anwalt. Zoran S. fügt hinzu: "Ich war unter Adrenalin-Schock." Probleme beim Laufen oder auf einem Bein stehend zuzutreten, hatte er aber trotz einer Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille nicht. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 30.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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