Stickstoffdioxid-Messungen:Die Luft wird besser - ein bisschen

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  • An 16 von 21 Stellen lagen die Messwerte im dritten Quartal dieses Jahres unter den festgelegten Jahresdurchschnittswerten.
  • Bedenklich sind die Werte weiterhin für die Tegernseer Landstraße sowie für Chiemgau-, Frauen-, Steinsdorf- und Wotanstraße.
  • Umweltreferentin Stephanie Jacobs zeigt sich "vorsichtig optimistisch", sie hatte mit schlechteren Ergebnissen nach dem warmen Sommer gerechnet.

Von Dominik Hutter

Der heiße Sommer ließ eigentlich anderes erwarten. Die städtischen Passivsammler, mit denen die Stickstoffdioxidbelastung (NO₂) an 21 Stellen stadtweit gemessen wird, vermelden jedoch eine vergleichsweise beruhigende Bilanz des dritten Quartals 2018: An 16 Standorten befinden sich die Messwerte im grünen Bereich, liegen also unter den 40 Mikrogramm (µg) pro Kubikmeter Luft, die die Europäische Union als maximalen Jahresdurchschnittswert festgelegt hat. Umweltreferentin Stephanie Jacobs gibt sich "vorsichtig optimistisch", sie hatte in der warmen Jahreszeit einen Anstieg und damit ein schlechteres Resultat erwartet. Die Vorsicht der Behördenchefin ist darauf zurückzuführen, dass zur Berechnung eines Jahreswerts ja noch das vierte Quartal fehlt. Das Limit ist, anders als es von Interessengruppen gerne kolportiert wird, nicht als Alarmwert bei Verkehrsspitzen, sondern als längerfristige Belastungsgrenze gemeint. Einen Ein-Stunden-Grenzwert und eine Alarmschwelle gibt es auch, sie liegen aber bei 200 und 400 µg.

Zur Frischluftoase wird München mit diesem Zwischenergebnis trotzdem nicht. Denn an fünf Stellen liegt der Messwert trotzdem höher als die EU (als Jahresgrenzwert) erlaubt. Negativer Spitzenreiter ist die Tegernseer Landstraße mit 63 µg, es folgen die Chiemgaustraße mit 59, die Frauenstraße mit 53, die Steinsdorfstraße mit 47 und die Wotanstraße mit 40 µg. Diese von der Stadt stammende Liste ist allerdings unvollständig. Denn sie umfasst nur die in kommunaler Regie aufgestellten Passivsammler, mit denen sich das Rathaus ein detaillierteres Bild von der Münchner Situation verschaffen will. Dazu kommen noch die aufwendiger ausgestatteten Messcontainer des Landesamts für Umwelt, zu denen auch das berüchtigte Exemplar an der Landshuter Allee gehört. Dort wird, ebenso wie am Stachus, der Grenzwert weit überschritten. Und vermutlich gibt es noch einige Stink-Meilen mehr, dort steht aber schlicht und einfach keine Messstelle. Die Anlagen wurden bewusst an exemplarisch ausgewählten Adressen montiert, mal an verkehrsreichen Haupttrassen wie dem Mittleren Ring, mal in Wohngebieten und mal an eher friedlichen Ecken in den äußeren Stadtbezirken.

Jacobs ist vor allem deshalb zufrieden, weil sie viel Schlimmeres befürchten musste. Bevor die Passivsammler aufgebaut wurden, hatten Rechenmodelle des Landesamts Grenzwertüberschreitungen an fast einem Viertel des Hauptstraßennetzes ergeben. Dies ist nicht eingetreten, und da seit dem ersten Quartal die Luft an diversen Adressen besser geworden ist, sagt die Umweltreferentin: "Es tut sich was. Die Luft wird besser."

Für eine Aufnahme in den Kreis der nur leicht belasteten Städte, den Bundeskanzlerin Angela Merkel vor wenigen Tagen mit Blick auf die Stadt Frankfurt aufgemacht hat, reicht es in München trotzdem bei weitem nicht. Merkel hat sich dafür ausgesprochen, bei Belastungen von bis zu 50 µg von Fahrverboten abzusehen. Die Münchner "Hotspots" liegen allerdings immer noch weit über diesem eher willkürlich ausgewählten Limit. Und ob die EU bei einer Verwässerung ihrer Grenzwerte durch eine nationale Regierung mitspielt, ist noch offen. Vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg läuft bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und fünf weitere Staaten wegen des Nichtbeachtens der NO₂-Grenzwerte.

Für eigenmächtige Lösungen fühlt sich die Stadt nicht befugt

München zählt wegen seiner starken Luftbelastung im Behörden-Jargon zu den "Intensivstädten", dessen Vertreter am Montag im Bundesverkehrsministerium in Berlin versammelt waren. Dabei wurde vor allem über die Nach- und Umrüstprogramme für Dieselautos gesprochen, berichtet Jacobs. Das Merkelsche Toleranzedikt für Dieselautos kam offenbar ebenso wenig zur Sprache wie die Blaue Plakette, die sich die Stadt München zur Bewältigung des Problems so sehr wünscht. Der Aufkleber soll Autos kennzeichnen, die eine bestimmte Schwelle an NO₂-Ausstoß nicht überschreiten - vergleichbar den bekannten grünen Plaketten, die in der auf Feinstaub zugeschnittenen Umweltzone bereits gelten. Der Bund setzt nach Auskunft der Münchner Umweltreferentin auf einen Grenzwert von 270 Milligramm NO₂ pro Kilometer, den man aber nicht per Plakette ablesen kann, sondern der mit Hilfe des Nummernschilds mit den Zulassungsstellen abgeglichen wird. Details seien noch unklar.

Der Münchner Stadtrat hat bereits einen "Vorsorgebeschluss" getroffen. Mittel der Wahl ist eine neue NO₂-Plakette, und sobald diese vom Bund eingeführt wird, wird der Aufkleber zur Bedingung, um in die bestehende Umweltzone innerhalb des Mittleren Rings einzufahren. Die Sperrung einzelner hoch belasteter Straßen, wie sie zum Beispiel Hamburg praktiziert, gilt in München als untaugliches Mittel, da die Autofahrer dann einfach andere Wege suchen und entweder lange Umwege in Kauf nahmen oder aber in kleinen Wohnstraßen die Luft verpesten. Für eigenmächtige Lösungen fühlt sich die Stadt nicht befugt. Für Luftreinhaltepläne ist der Freistaat verantwortlich. Und der sperrt sich.

© SZ vom 24.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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