Kultur:Spagatsprung am Seesteg

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Szene aus dem Kurzfilm "Lake of Dreams" von Axel Werner. (Foto: lake-of-dreams.art/oh)

Improvisierende Balletttänzer, eine gleitende Gondel und ein fliegendes Klavier: Bei der Premiere des Kurzfilms "Lake of Dreams" des Regisseurs Axel Werner wird der Wörthsee zur Bühne.

Von Patrizia Steipe, Wörthsee

Es sind starke Bilder, die Regisseur Axel Werner in seinen neuen Kurzfilm "Lake of Dreams" gepackt hat. Eine Ballerina, die in einer wellenbewegten Gondel tanzt, ein Tänzer, der Dämonen entflieht und mit einem Grand Jeté, also einem Spagatsprung zu ihr über den Steg zum erlösenden Pas de Deux auf Holzbohlen eilt. Den Komponisten und Drehbuchautor selbst sieht man am Flügel Klavier spielen - allerdings steht das Instrument auf einem Holzfloß mitten im Wörthsee: ein dreiminütiges Feuerwerk von Klängen, Emotionen, Farben, Bewegungen und natürlich Natur. "Kunstfilm über die Sehnsucht in der Naturidylle des Wörthsees" hat Werner sein neues Oeuvre genannt.

Auch bei der Premiere in Wörthsee am Donnerstagabend hat der Regisseur voll in die Effektekiste gegriffen: Mit seiner über 20-jährigen Erfahrung in der Werbebranche weiß er, was beim Publikum ankommt. Den Bootsverleih "Lago Mio" mit seiner Liegewiese hatte er flugs in eine "Klein-Bregenzer Seebühne" umgestaltet. Bereits am Eingang war ein an einem Haken in der Luft hängender Flügel ein Eyecatcher. Das Publikum hatte es sich in den am Ufer lagernden Tretbooten oder an den Stehtischen bequem gemacht.

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Maximilian Koch, der mit seiner venezianischen Gondel den Fährmann im Film spielt, fuhr mit seinem Kahn über den spiegelglatten See, währenddessen hinter ihm die Sonne den Himmel in zarte Rottöne tauchte. Auf der Leinwand wurden die Bilder, die auf den Film einstimmen sollten mit der zunehmenden Dunkelheit immer klarer erkennbar - bis es soweit war und "Lake of Dreams" das erste Mal öffentlich lief. Die Leinwand war übrigens im Wasser auf einem Holzpodest befestigt: Seebühne Wörthsee eben.

Kameramann Ralf Schweinböck erzeugt durch den Wechsel von Großaufnahmen, Totalen und die ungewöhnlichen Blickwinkel auf die Körper der Tänzer von der ersten Sekunde an Spannung. "Wir wollten den Ballettzuschauern Perspektiven eröffnen, die weit über die Welt des Theaters hinausgehen", versicherte Peter Mang (Produktion). Der ungewohnte Kontrast zwischen Natur und der Künstlichkeit des Tanzes, dazu die eingehende, jazzig angehauchte und lyrische Musik kamen gut an. Viel zu schnell war der Film vorbei. Das Publikum forderte vehement eine Zugabe, die es auch bekam.

Der Wörthsee wird zum "Lake of Dreams" im gleichnamigen Ballettfilm von Axel Werner (vorne rechts) mit den Tänzern Melissa Chapski und Sava Milojevic. Gondoliere war Maximilian Koch. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Die Zuschauer konnten es sich am Seeufer gemütlich machen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Besonderen Applaus gab es für Tänzerin Melissa Chapski und Tänzer Sava Milojević vom Münchner Staatsballett, die statt des gewohnten Tanzbodens auf glitschigen Bohlen tanzen mussten. Auch die sechs Grad Kälte und der immer heftiger werdende Wind waren bei den Filmaufnahmen eine Herausforderung gewesen, ebenso für den Fährmann, der bei stürmischem Wind gegen das Kentern seiner Gondel kämpfte.

Werner setzt auf feine Stilmitteln für große Gefühle, "um die Menschen zu berühren".

Und während Chapski grazile Leichtigkeit auf dem schwankenden Boot demonstrierte und ohne Wackeln oder Unsicherheit ihr Bein locker in die Luft streckte, lotete der ausdrucksstarke Milojević - gehalten von einer besonderen Konstruktion im Schuhwerk - die Schwerkraft des menschlichen Körpers hin- und herschwingend auf einem Baumstumpf im Wald aus. "Wir leben hier sehr privilegiert", erklärte Werner dem Premierenpublikum. Die Schönheit der Natur müsse bewahrt werden, forderte er. Dazu wolle er mit "feinen Stilmitteln große Gefühle anregen, um die Menschen zu berühren".

Abgehobener Flügel: Am Eingang schwebt das Tasteninstrument in fünf Meter Höhe. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Die untergehende Sonne erzeugt am Wörthsee stets eine besondere abendliche Stimmung. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Unwillkürlich fühlte man sich an einen anderen Mahner gegen die Umweltzerstörung erinnert: Auch der Pianist Ludovico Einaudi hat bei seiner für Greenpeace geschriebenen "Elegy for the Arctic" seinen Flügel auf eine Scholle inmitten bröckelnder Eisberge der Arktik gestellt. Seine schwermütige Musik beinhaltet allerdings eine tragische Apokalyptik. "Lake of Dreams" hingegen hat ein Happy End, bei dem das Tänzerpaar auf roten Holzstühlen sitzend vom Steg aus in den Sonnenuntergang blickt.

Mit den Holzstühlen hat es übrigens eine besondere Bewandtnis, erklärte der Filmmacher im Anschluss. Teile der Aufnahmen werden als Material für die Werbekampagne seines Kunden und Sponsors, ein international agierender Immobilienfonds, verwendet. Dessen Markenzeichen seien die beiden Holzstühle, die deswegen in den Film integriert wurden - der einzige Kompromiss, den das Team eingehen musste, versicherte Werner. Denen, die "Filmkunst" und "Werbung" als Widerspruch ansehen, gab er den Satz "Werbung ist auch Kunst" mit auf den Weg. Werner ist nämlich nicht nur Romantiker und Künstler, sondern auch pragmatischer Unternehmer von Kreativagenturen. Ohne Geld kein Film: So einfach ist seine Rechnung.

Für das Publikum gab es noch weitere Zugaben. "Lake of Dreams" ist der dritte Teil nach den Kurzfilmen "Come closer" und "Color your Mind", die ebenfalls gezeigt wurden. Sie gehören zu Werners "Blue Hour Collection", einer Folge von 20 jazzig-romantischen Klavierstücken, die Werner für modernes Ballett und Ausdruckstanz komponiert hat. Der 1967 geborene Tondichter aus Wörthsee komponiert seit seiner Kindheit. Hauptberuflich ist er Werbefachmann. Um seine Musik in Bewegung umzusetzen, hat Werner den renommierten Choreographen Gonzalo Galguera gewinnen können. Neben den Tanzschritten - eine Mischung aus Ausdruckstanz und klassischen Ballett - hat er einen besonderen Fokus auf die Mimik gelegt, die im Gegensatz zum Theater durch die sich mitbewegende Kameraführung einen anderen Stellenwert bekommen hat.

Nach der Premiere schickt Axel Werner seinen Film "auf die Reise", wie er es nannte. Weltweit soll er auf Filmfestivals gezeigt werden, und vielleicht wieder den ein oder anderen Preis abräumen. Für die beiden Vorgängerfilme hat er immerhin 80 Awards in den unterschiedlichsten Kategorien gewonnen - darunter bei Festivals in Cannes, Rom, Berlin, Los Angeles und New York.

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