Weltfrauentag:Wie sich Frauen aus der Region in der Wirtschaft behaupten

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Hält nicht viel vom Gendern: Dagmar Schuller, Geschäftsführerin von Audeering. (Foto: Arlet Ulfers)

Sie sind Firmenchefinnen, Abteilungsleiterinnen oder Gründerinnen: Vier erfolgreiche Frauen erzählen, worauf es bei Führungsrollen ankommt - und warum sich Frauen mehr zutrauen sollten.

Von Christina Denk und Luzi Power-Feitz, Starnberg

Dagmar Schuller ist Chefin und Mitbegründerin des Gilchinger Unternehmens "Audeering", das im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) auf Software für Sprach- und Audioanalyse spezialisiert ist:

Dagmar Schuller hält nicht sehr viel vom Gendern oder einer Frauenquote. "In meiner Branche geht es um Leistung, um Kompetenz, um Wissen - und nicht darum, ob eine Frau oder ein Mann das liefern kann", erklärt die Audeering-Geschäftsführerin. Am wichtigsten für die Führung eines Unternehmens sei Wertschätzung und die Anerkennung der Leistung sowie der Person, die diese erbringt - unabhängig von der Nationalität, dem Alter oder eben dem Geschlecht, so Schuller. Für weiblichen Zuwachs in der KI-Branche müsste sich das "ursprüngliche Erziehungsmuster von Frauen ändern", sagt sie.

"Frauen sagt man schon in ganz jungen Jahren: Halte dich zurück und guck erstmal. Damit werden Ängste geschürt", sagt Schuller. Nichtsdestotrotz hätte diese Zurückhaltung auch etwas Positives, "wenn man weiß, wie man sie einsetzen kann". Soft Skills wie Empathie und Zuhören würden im Berufsleben immer wichtiger, gerade in Zeiten der Corona-Krise und des Ukraine-Kriegs. Gerade die KI-Branche sieht Schuller hier als gutes Terrain, um als Frau etwas voranzubringen. Hier sei man am Puls der Zeit, könne Dinge erforschen und vorantreiben. "Man kann ganze Industrien und Prozesse revolutionieren."

Lisa Bittighofer aus Herrsching begleitet mit ihrem Naked-Minds-Club Frauen auf dem Weg in die Selbständigkeit. Ihr Unternehmen wurde 2022 beim Starnberger Wirtschaftspreis als "Role Model" in Sachen Frauenförderung ausgezeichnet:

Lisa Bittighofer aus Herrsching unterstützt mit ihrem "Naked Minds Club" junge Gründerinnen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Letztens sprudelte es aus einer Gründerin in der Anfangsphase nur so raus. "Wir sind immer zu irgendwas...zu lustig, zu sexy, zu prüde - und es ist so schwer, sich zu finden", sagte die Frau zu Lisa Bittighofer. Im "Naked Minds Club", Bittighofers eigener Unternehmensberatung, berät sie Frauen auf dem Weg in die Selbständigkeit. Täglich erlebt sie, dass sich Frauen trotz guter Ideen und einer guten Ausbildung die Gründung eines eigenen Unternehmens nicht zutrauen.

Kein unbekannter Gedanke für Bittighofer. Die gleichen Zweifel beschäftigten sie vor ihrer eigenen Selbständigkeit. "Ladehemmung", nennt es die 37-Jährige. Nach zwei Jahren als selbständige Beraterin befolgt sie mittlerweile den Grundsatz: "Die meisten Sachen, die ich machen möchte, die darf ich machen" - vor dem Gesetz, als Mann und eben auch als Frau. "Ich muss sie mir selbst erlauben", betont Bittighofer.

Gibt es so etwas wie "weibliche" Führung überhaupt? Nicht, wenn es nach Bittighofer geht. Führungspersonen sollten sich bewusst sein, "dass sie eine Verantwortung für Menschen haben", sagt sie. Sie ermuntert Frauen, sich zu trauen. Gerade auch draußen, außerhalb von München. Nach der Auszeichnung beim Starnberger Wirtschaftspreis, sagt sie, habe sie viele, tolle Kontakte geknüpft. Im unübersichtlicheren München sei das viel schwieriger.

Bettina Richter ist Chefin des Seefelder Zahnarzttechnikherstellers 3M, der vergangenes Jahr den Starnberger Wirtschaftspreis gewonnen hat:

Im Laufe ihrer Karriere bei 3M hat Bettina Richter nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA gearbeitet. (Foto: Arlet Ulfers)

Der erste Satz, den Bettina Richter in ihrem Chemie-Studium vom Professor zu hören bekam, geht ihr bis heute nicht aus dem Kopf. Sie zitiert: "Alle Damen oder Frauen, die da sitzen, können eigentlich gleich wieder gehen, die bekommen am Ende als Chemiker sowieso keinen Job." Heute, etwa 36 Jahre später, ist sie promovierte Chemikerin und lenkt als Managerin die Geschicke bei 3M Oral Care, dem Gewinner des Starnberger Wirtschaftspreises 2022. Diskriminierung habe sie im Berufsalltag seit ihrem ersten Tag an der Universität nicht mehr erlebt.

Ihr Geheimnis als weibliche Führungskraft? "Ich habe nie versucht, mir vorzunehmen: Agiere jetzt so wie deine männlichen Vorbilder oder Vorgesetzten", sagt Bettina Richter. Sie habe ihren eigenen Weg gesucht. Ihr Führungsstil? "Mit sehr empathischen Mitteln und sehr authentisch." Also schon auf eine weibliche Art, "wenn man das so möchte", sagt Richter. Als zweifache Mutter weiß sie, dass Vollzeitjob und Kinderbetreuung organisatorisch eine Mammutaufgabe sein können und dass Frauen unter anderem für kranke Kinder manchmal Freiräume brauchen. Diese Möglichkeiten zu schaffen, bringe aber wiederum Loyalität und spiegele sich in der Leistung der Frauen wider, sagt Richter.

Familie und Beruf kombinieren? Das sei für sie und ihre Familie "eine Selbstverständlichkeit", sagt sie - mit flexiblen Arbeitsmodellen wie geteilten Führungspositionen heute mehr denn je. Jungen Führungskräften, weiblichen wie männlichen, wünscht sie daher, "dass sie einfach ihr Potenzial so ausnutzen, wie sie sich das auch erträumen". Letztendlich komme es auf die persönliche Entscheidung an - und nicht darauf, "wohin man sich getrieben fühlt".

Annette von Nordeck leitet die Wirtschaftsförderung bei der GWT Starnberg:

Annette von Nordeck arbeitet seit 2017 als Projektleiterin für die GWT Starnberg. (Foto: Georgine Treybal)

Als eine der wenigen Frauen arbeitet Annette von Nordeck bei der GWT, der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises Starnberg. Ein Problem sei das für sie als Führungskraft aber nie gewesen, sagt sie. "Vielleicht habe ich da einfach das Glück gehabt, auf Menschen zu treffen, die erkannt haben, dass man was kann", so Nordeck. Ihren eigenen Führungsstil beschreibt sie als "sehr menschlich und freundschaftlich" - irgendwie "aus dem Bauch heraus". Das habe sich über die Jahre kaum geändert. Nur das Vertrauen in sich selbst, in ihre Persönlichkeit musste sich über die Jahre entwickeln.

Jungen, weiblichen Führungskräften rät sie daher, mutig zu sein, sich Dinge zuzutrauen und sich aktiv auf Führungspositionen zu bewerben. "Man muss sich da auch melden." Und wenn man gefragt werde, solle man nicht lange überlegen. "Das ist, glaub ich, auch so ein Problem bei vielen Frauen, die lange überlegen, noch Familie und alle fragen müssen - einfach machen", sagt sie.

Ihrer Tochter lebt sie die Rolle als Business-Mama gerne vor. Gemeinsam mit ihrem Mann, der selbst Unternehmer ist, teilt sie sich die Erziehungsarbeit. "Ich hab' da auch keine Zerrissenheit. Meine Tochter kennt das nicht anders", so Nordeck. Vielleicht will diese eines Tages selbst einmal eine Abteilung leiten? Aber das "muss sie selbst entscheiden", sagt Annette von Nordeck.

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