Gesprengte Geldautomaten:31 Explosionen und eine Spur in die Niederlande

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Ort der Zerstörung: Der gesprengte Bankautomat der Sparkasse in Weßling. (Foto: Arlet Ulfers)

Der in der Nacht zum Mittwoch gesprengte Geldautomat in Weßling passt in eine Serie ähnlicher Verbrechen. Das Bayerische Landeskriminalamt vermutet organisierte Banden hinter den Taten.

Von Christian Deussing, Weßling

Unbekannte haben in der Nacht zum Mittwoch gegen 2.45 Uhr einen Geldautomaten der Kreissparkasse an der Hauptstraße in Weßling gesprengt. Die Täter flüchteten anschließend in einem dunklen Auto in Richtung der nahen Lindauer Autobahn, womöglich mit einem hochmotorisierten Audi A 6 oder Audi RS6, wie ein Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) mitteilte.

Der Geldautomat befindet sich in einem freistehenden Metall-Container in der Ortsmitte unweit des Weßlinger Bahnhofs. Der Terminal war erst vor drei Jahren eingerichtet worden. Die Explosion hatte Anwohner aufgeschreckt, die dann den Notruf wählten. Die Höhe der Beute liegt dem Vernehmen nach im fünfstelligen Bereich, der Schaden beläuft sich auf etwa 80 000 Euro. Der Tatort und die nähere Umgebung waren mehrere Stunden gesperrt, eine sofortige Fahndung blieb aber erfolglos.

Die Ermittlungen hat das LKA übernommen, das derzeit mit einer Serie von gesprengten Geldautomaten in Bayern zu tun hat. Weßling ist bereits der 31. Fall in diesem Jahr - und vor allem ein typischer, wie der LKA-Sprecher erläuterte.

Im Inneren des Automaten-Containers sind die Schäden durch die Sprengung besonders gut sichtbar. (Foto: Arlet Ulfers)
Die Trümmerteile waren bis auf die Hauptstraße geflogen. (Foto: Arlet Ulfers)

Denn diese Automaten mit wenig Umbauung und schnellen Fluchtwegen zu Autobahnen und Bundesstraßen seien bei den professionell agierenden Tätern beliebt. Die Fahnder vermuten, dass die Banden aus den Niederlanden stammen. Dort sind die Automaten inzwischen mit Farb- und Klebepatronen ausgerüstet, die bei unberechtigtem Zugriff zünden und die Geldscheine wertlos machen. Das LKA rät daher seit Längerem den hiesigen Geldinstituten nachzurüsten, um ihre Geldautomaten besser zu schützen.

Mit festem Sprengstoff wurde die Tresortür des Automaten aufgebrochen

In den kommenden Tagen soll der Sprengstoff, der in Weßling von den Kriminellen verwendet wurde, genauer im kriminaltechnischen Institut des LKA untersucht werden. Nach ersten Erkenntnissen handelt es sich um einen festen, selbst gemischten Sprengstoff, der die etwa 55 Kilogramm schwere Tresortür geknackt hat. Daraus stahlen die maskierten Täter die Geldkassetten. Durch die Wucht der Detonation waren kleinere Trümmerteile bis auf die Hauptstraße geflogen. In unmittelbarer Nähe wäre die Explosion tödlich gewesen, sagte der LKA-Sprecher.

Die Fahnder gehen davon aus, dass die Automatenknacker zunächst untergetaucht sind, um nicht in ihren meist gestohlenen oder mit entwendeten Kennzeichen ausgestatteten Autos in eine Polizeikontrolle zu geraten. Für die Ermittlungen seien laut LKA auch Hinweise aus der Bevölkerung wichtig; zum Beispiel, ob solche dunklen PS-starken Fahrzeuge in Vierteln gesehen werden und verdächtig parken oder umherfahren. Denn die organisierten Täter prüften vor der Tat auch die Umgebung von Filialen und Geldautomaten, weiß der LKA-Sprecher.

Die Ermittler bitten nun um Mithilfe von Zeugen und fragen: Wem sind in den Nachtstunden zum Mittwoch im Bereich der Hauptstraße 23 in Weßling verdächtige Personen aufgefallen? Wer hat Wahrnehmungen gemacht, die im Zusammenhang mit der Sprengung des Geldautomaten stehen könnten? Wer kann sonst sachdienliche Hinweise zur Tat, den Tätern oder dem Fluchtfahrzeug geben? Hinweise nimmt das Bayerische Landeskriminalamt unter der Telefonnummer 089/1212-0 oder jede andere Polizeidienststelle entgegen.

Vor sechs Jahren hatte es einen Anschlag auf einen Geldautomaten der Kreissparkasse München-Starnberg-Ebersberg in Oberhaching gegeben. Vor knapp vier Wochen gab es einen ähnlichen Vorfall im Gewerbegebiet von Unterhaching. Auch dort sprengten Kriminelle einen Geldautomaten in einem Containerbau auf und flüchteten in Richtung Autobahn. Welche Konsequenzen zieht nun die Kreissparkasse aus dem Weßlinger Fall? Dazu könne man jetzt noch keine Angaben machen, man berate sich aber darüber intensiv mit dem LKA, teilt das betroffene Geldinstitut mit.

Auch die VR-Bank ist jetzt beunruhigt

Die Täter gehen immer rücksichtsloser vor und verwenden immer stärkeren Sprengstoff, was auch die VR-Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg beunruhigt. Gefährdete Automaten seien besonders gesichert und die jeweiligen Standorte der Polizei bekannt, erklärt Unternehmenssprecherin Franciska Distler. Man berate sich aber derzeit mit den Behörden, noch weitere Sicherheitssysteme zu installieren, was pro Automat zwischen 3000 und 6000 Euro kosten würde. Im Landkreis Starnberg befinden sich 23 Geldautomaten der Genossenschaftsbank.

Der bisher letzte ähnlich geartete Fall im Landkreis ereignete sich am frühen Morgen des 22. Oktober 2018 in Starnberg: Die Täter hatten den Geldautomaten der Deutschen Bank an der Wittelsbacherstraße aufgeschlitzt und in den Spalt Gas eingeleitet. Doch die Sprengaktion im Vorraum scheiterte. Nur fünf Tage davor hatte eine Bande aus den Niederlanden versucht, einen Geldautomaten der Sparda-Bank in Germering zu sprengen. Doch ein Spezialkommando der Polizei vereitelte den Coup und nahm kurz darauf drei Komplizen des Haupttäters in einer Gilchinger Wohnung fest.

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