SZ-Serie: Dorf-Dynastien:Verstoßen von den Guggenheims

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1943 begann Hilla von Rebay mit dem Star-Architekten Frank Lloyd Wright die Planung des heutigen Guggenheim-Museums. (Foto: privat)

Die von Rebays aus Weßling sind eine illustre Künstlerfamilie. Die wohl schillerndste Figur in der Ahnengalerie ist Hilla von Rebay, die in New York die Gründung des Guggenheim-Museums maßgeblich mit angestoßen hat. Aber auch an ihrem Heimatort hat die Familie Spuren hinterlassen.

Von Patrizia Steipe, Weßling

Es sind drei Themen, die sich bei den Rebay von Ehrenwiesens, die in Weßling mit der Kurzform "von Rebay" auftreten, wie ein roter Faden durch die Generationen ziehen: Kunst, Architektur und Politik. In der Familie ist es Tradition, sich vielfältig für die Heimat zu engagieren. Erst vor Kurzem hat beispielsweise Konstanze von Rebay zur Weihnachtsausstellung der Künstler am Ort in den Pfarrstadl eingeladen. Ihr Vater Roland von Rebay senior, der vor zehn Jahren gestorben ist, hatte die Tradition vor vielen Jahrzehnten begründet. Es sind auch immer wieder von Rebays, die ihre Werke dort mitausstellen - und schließlich ist da Hilla von Rebay, die maßgeblich zur Gründung des Guggenheim-Museums in New York beigetragen hat.

Mit dem Begriff "Dynastie" könne sich die Familie aber nicht identifizieren, betont Sohn Roland, "denn hier leitet sich aus unserer Sicht ein gewisser Anspruch aus einer Art Familienstolz ab", sagt er. "Unser Verständnis ist aber eher, dass ein jeder versuchen sollte, durch das eigene Wirken und Verhalten etwas für die Gesellschaft zu tun."

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Auf ihre Geschichte können die von Rebays - ohne hierarchischen Anspruch - aber trotzdem durchaus stolz sein. Die Familienhistorie ist unkonventionell, bunt und spannend. Die Chronik kann bis ins 14. Jahrhundert an den Comer See nach Italien zurückverfolgt werden. Schon damals hatte sich die Familie gesellschaftlich engagiert, zum Beispiel eine Kirche, die heute noch erhalten ist, gestiftet. Im 18. Jahrhundert betrieben sie einen Leinwandgroßhandel in Günzburg, der später auf den Münzhandel ausgeweitet wurde und schließlich 1789 zur Adelung führte.

Die Geschichte der von Rebays in Weßling beginnt 1929. In diesem Jahr zog Franz Hugo von Rebay in das Dorf. Seine Ehefrau Hella erwirbt dort den Hoamer Hof, der 1937 durch ein Wohnhaus ersetzt wird. Schwester Hilla wird später ein Sommerhaus im Dorf kaufen, weilt aber meistens in Amerika.

Viele von Rebays waren auch künstlerisch aktiv. Hier eine typische Zeichnung von Maresa von Rebay, die als Malerin auch einige Kinderbücher illustriert hat. (Foto: Roland von Rebay)
Hier das Bild "Das moderne Weßling" von Roland von Rebay senior. (Foto: Georgine Treybal)

Die gutbürgerliche Familie ist künstlerisch wie musisch veranlagt. Der Großvater Franz Joseph von Rebay verziert Möbel mit Schnitzereien, von Franz Hugo gibt es stimmungsvolle Landschaftsaquarelle, von Hella Porträts. Von seinen drei Kindern sind vor allem Maresa und Roland künstlerisch begabt. Maresa, eine eher zurückgezogen lebende Person hat als Malerin einige Kinderbücher illustriert. Wegen ihrer burschikosen Art wurde sie in der Familie als "Tante Peter" bezeichnet. Die exzellente Skifahrerin bestieg in ihrer Jugend über 70 Dreitausender.

Es sind jedoch die charismatischen Personen Hilla und ihr Neffe Roland, die durch ihr Wirken bleibende Werte geschaffen und die nachfolgenden Generationen beeinflusst haben. Die Geschichte von Hilla Rebay von Ehrenwiesen (1890 bis 1967) beinhaltet Stoff für einen Spielfilm. Die unkonventionelle junge Frau studierte in Paris und Köln Kunst. Von 1912 an stellte sie ihre Werke aus. Sie war die einzige Frau unter den 49 Gründungsmitgliedern der Künstlervereinigung "Novembergruppe". In den regelmäßig organisierten Ausstellungen sollte die Kraft und die Freiheit der modernen Kunst ohne einengende Schranken und Stilvorgaben expressiv, kubistisch, konstruktivistisch oder futuristisch dargelegt werden.

Hilla von Rebay verhalf der Moderne als Stilrichtung zum Durchbruch

Nach der Machtübernahme 1933 musste die Künstlergruppe ihre Arbeit einstellen. Da war die "Baroness" schon längst in New York, wo sie Solomon Guggenheim, einen der reichsten Männer des Landes, kennenlernte. Sie begeisterte ihn für ihre Leidenschaft, die gegenstandslose Malerei. 1943 begann Hilla von Rebay mit dem Star-Architekten Frank Lloyd Wright die Planung des heutigen Guggenheim-Museums, außerdem war sie Gründungsdirektorin der Solomon-R.-Guggenheim-Foundation in New York. Bei dem Aufbau der Sammlung kaufte sie zahlreiche abstrakte Bilder der Moderne und verhalf dieser Stilrichtung zum internationalen Durchbruch, rettete aber auch etliche Bilder vor dem Los als "entartete Kunst" verbrannt zu werden. Somit legte sie den Grundstein für den Weltruhm des 2019 zum Unesco-Weltkulturerbe ernannten Museums mit Werken von Marc Chagall, Paul Klee, Pablo Picasso, Piet Mondrian und vielen anderen.

Hilla war aber auch eine exzentrische, oft allzu direkte Person, womit sie sich nicht nur Freunde machte. Als Guggenheim 1949 starb, verlor sie den Rückhalt der Guggenheim-Erben. Ihre Leitungsposition musste sie 1952 aufgeben. Zur Eröffnung des Museums 1959 wurde sie nicht eingeladen. Im Museum hing weder eines ihrer Gemälde, noch wurde sie mit einer Silbe erwähnt. Aus Verbitterung darüber setzte sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1967 nie wieder einen Fuß in das Guggenheim-Museum.

Roland von Rebay senior (gestorben 2014) hat seine von den Guggenheim-Nachkommen ignorierte Tante Hilla letztlich mit einer Ausstellung rehabilitiert. (Foto: Roland von Rebay)

Es war ihr Neffe Roland, der die von den Guggenheim-Nachkommen verschwiegene Tante rehabilitierte. Kurz vor seinem 80. Geburtstag fand 2005 im Museum eine Gedächtnisausstellung über Hilla von Rebay statt. Bei der Vernissage hielt er die Laudatio.

Roland von Rebay (1926 bis 2014) selbst hatte ebenfalls die kreative Ader der Familie geerbt. Er studierte Architektur bei Frank Lloyd Wright, mit dem Tante Hilla das Guggenheim Museum geplant hatte. Zurück in Weßling haben seine Gebäude maßgeblich das Ortsbild Weßlings geprägt. An ihn erinnern etwa 260 Wohnhäuser, die Sporthalle, das Freizeitheim in Hochstadt, der Kiosk.

Die Weßlinger Sporthalle... (Foto: Franz Xaver Fuchs)
...oder auch der inzwischen sanierte Kiosk am See gehören zum architektonischen Erbe von Roland von Rebay senior. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der vielseitig begabte Weßlinger war auch Karikaturist, Maler und langjähriger Gemeinderat. Roland von Rebay senior fand obendrein Zeit für Sport. So gehörte er dem legendären Weßlinger Eishockeyteam an, d em 1953 der Aufstieg in die Oberliga gelungen war. Darüber hinaus hat er in Weßling gemeinsam mit Otto Kriwetz die Ortsgruppe der "Freien Wähler" gegründet und saß bis 2002 im Gemeinderat.

Das politische Engagement ist besonders bei den Söhnen Roland junior und Rasso ausgeprägt. Beide kandidieren immer wieder für Ämter in den lokalen Gremien und haben auch schon einige Legislaturperioden im Gemeinderat hinter sich. Derzeit sitzt Rasso von Rebay (Jahrgang 1966) im Ratsgremium.

Rasso von Rebay hält aktuell die Familienflagge im örtlichen Gemeinderat hoch. (Foto: Nila Thiel)
Auch Roland von Rebay junior (links) ist politisch engagiert - und obendrein künstlerisch aktiv. (Foto: Arlet Ulfers)

Er ist Architekt wie sein Vater und seit dem 18. Lebensjahr, als er erstmals beim Auszählen von Stimmzetteln bei der Bundestagswahl half, leidenschaftlicher Lokalpolitiker. Seit 2000 ist er im Vorstand der Freien Wähler Weßling. Bruder Markus widmet sich auch einer Art Kunst, nämlich der ärztlichen Kunst. Er ist Internist in Gilching.

Die Leidenschaft fürs Malen haben vor allem Roland von Rebay junior und dessen Sohn Nando sowie die Künstlerin Konstanze von Rebay. Roland von Rebay kann sich sogar noch daran erinnern, wie er bereits mit vier Jahren von seinen Tanten Hilla und Maresa zum Malen ermutigt wurde. Dass er heute am liebsten abstrakt malt, hätte der berühmten Vorfahrin sicher gefallen. Mittlerweile gibt es in der Familie 16 Enkelkinder, die die Familientradition fortführen können.

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