Tutzinger Brahmstage:Geschmeidiges Changieren

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Das Mandelring-Quartett eröffnet in der Evangelischen Akademie Tutzing die 26. Brahmstage. Es spielen (v.li.) Sebastian Schmidt, Nanette Schmidt (beide Violine), Andreas Willwohl (Viola) und Bernhard Schmidt (Violoncello). (Foto: Georgine Treybal)

Im ausverkauften großen Saal der Evangelischen Akademie genießen die Zuhörer ein faszinierendes Auftaktkonzert mit dem Mandelring Quartett.

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Im Gegensatz zur Farbenlehre der Landtagswahlen erlebten die Besucher des Eröffnungskonzerts der 26. Tutzinger Brahmstage im ausverkauften großen Saal der Evangelischen Akademie einen wahren Farbrausch. Trotz seines bereits vierzigjährigen Wirkens ist das "Mandelring Quartett" keinesfalls weder verblasst noch festgefahren und schon gar nicht gediegen. Viel temperamentvolles Rot war da zu hören, florierendes Grün frischte die Stimmung auf, selbst sonniges Gelb überstrahlte bisweilen zart das Bild im Kontrast zu immer wieder aufziehenden Trübungen in dunklem Kobaltblau, die sich aber auch gerne ins Violette auflösten. Vielleicht liegt die sinnenfreudige Spielweise des Ensembles daran, dass die Heimat des Quartetts, Neustadt an der Weinstraße, in einer Lebensfrohen und lustvoll genießenden Gegend liegt.

In dieser zum Ensemble stimmigen Umgebung kann man die Geschwister Schmidt - Sebastian (Violine 1), Nanette (Violine 2) und Bernhard (Violoncello) - sowie seit 2015 Andreas Willwohl (Viola) auch beim selbst gegründeten Hambacher Musikfest alljährlich in der Fronleichnamswoche in reinster Form erleben neben anderen Spitzenmusikern, die gern mit ungewöhnlichen Programmen eingeladen werden. Was nicht heißen soll, dass auch Tutzing imstande wäre, lustvoll-spielfreudiger Musizierweise das passende Ambiente und begeisterungsfähiges Publikum zu bieten. Die wunderbare Konzertatmosphäre und spürbare Begeisterung waren Beweis genug.

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Das Erlebnispotential vor Ort hat auch Brahms selbst erkannt, als er vor nunmehr rund 150 Jahren einen Sommer lang in Tutzing weilte. Die Auswahl der Werke des Abends war geradezu dafür prädestiniert, das Publikum zu euphorisieren. Gerade deshalb, weil es wenig Gefälliges oder Eingängiges, dafür viel Spannungsgeladenes bot: Schon mit dem Reiterquartett op. 74/3 von Haydn zu Beginn stand fest, dass es hier ordentlich zur Sache gehen würde. Das steht zwar in g-Moll, räumt aber ungewöhnlich viel Raum den Dur-Tonarten ein.

Vom nachträglichen Beinamen ließ sich das Ensemble nicht beirren und tauschte im Schlusssatz den Ritt gegen Tangoleidenschaft. Der Kontrast zur volksfröhlichen Leichtigkeit im zweiten Thema hätte nicht größer ausfallen können und beantwortete wirkungsvoll die Gegenüberstellung vom schwungvollen und selig-vergnügten Thema des Kopfsatzes. Das vollmundige Largo stand indes einem beschwingten Menuett im Zentrum gegenüber.

Um die Substanz auf eine für Brahms geradezu orchestrale Höhe zu hieven, half Janáčeks Streichquartett Nr. 1 - die "Kreutzersonate". Tolstoi hatte sich von der gleichnamigen Violinsonate Beethovens - entstanden vor 220 Jahren - zu einer ebenso betitelten Novelle inspirieren lassen, die Janáček wiederum zu diesem Streichquartett beflügelte. Genau hundert Jahre ist es alt, aber unter den Bögen der Mandelrings gewann es erneut an Schärfe und entwickelte eine turbulente Choreographie zwischen spannungsvollem Drängen, Verdichtungen und zuweilen klotzender Substanzfülle, andererseits warmtoniger Melancholie, atmosphärischer Zartheit und klagender Leidenschaft.

Für das musikalische Brahms-Mahl nach der Pause standen reichlich Speisen für Gourmets bereit: Das in Tutzing entstandene Streichquartett a-Moll op. 51/2 ist kein Werk, bei dem man sich in Askese üben muss. Als letzte Zutat des Abends prägte hier das Mandelring Quartett plastisches Modellieren und geschmeidiges Changieren heraus. Auch wenn sich Brahms im Aufbau an tradierte Formen hielt, brachte er seine Spezialität, die entwickelnden Variationen, mit ins Spiel.

Ein fortwährendes Sich-Wandeln, Hervorgehen, Entschwinden oder Im-Neuen-Aufgehen sind die Mittel der Wahl, vom Mandelring Quartett trotz lebendiger Variationsdichte beeindruckend homogen modelliert und musizierfreudig verabreicht. Geschmeidig beschwingt in der Zugabe mit Dvořáks A-Dur-Walzer op. 54/1 im Wiener Wiegeschritt von der konzentrierten Spannung erlöst, war die Eröffnung der Brahmstage fulminant vollbracht.

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