Starnberger See:Ausgereiztes Baurecht

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In diesem Haus hatte der Komponist Arnold Schönberg einst seine Sommerfrische verbracht. Nun soll es abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. (Foto: Sabine Bader)

Der Berger Gemeinderat hatte das Vorhaben bereits abgesegnet. Als der Bauwerber seine Pläne jedoch bis in den Außenbereich ausdehnt, kassiert er eine Abfuhr.

Von Sabine Bader, Berg

Im Berger Rathaus kennt man das seit Jahrzehnten: Wer genügend Geld hat, um sich in der Seeufergemeinde ein Grundstück leisten zu können und ein Haus zu bauen, reizt sein Baurecht meist bis zum Äußersten aus - und mancher geht noch ein Stück darüber hinaus. Wenn man dabei aber Außenbereichsgrenzen tangiert und überschreitet, versteht die Gemeinde keinen Spaß. So geschehen jüngst bei einem Wohnbauprojekt am südlichen Ortsrand. An der Seeshaupter Straße 14 nahe dem Abzweig nach Leoni will eine Immobilienentwicklungsgesellschaft aus dem Münchner Umland auf dem mehr als 6000 Quadratmeter großen Grundstück vier Reihenhäuser mit je sechs Wohneinheiten und Tiefgarage errichten.

Der Gemeinderat hatte der Bauvoranfrage im Juni mehrheitlich zugestimmt. Allerdings waren im Vorbescheidsantrag Balkone und Terrassen nicht enthalten. Wie die Verwaltung jetzt im Bauantrag feststellen musste, ragen Balkone und Terrassen von zwei der Bauten ebenso in den Außenbereich hinein wie Holzstege und ein Grillplatz. Auch zwei Besucherparkplätze sollen im Außenbereich entstehen. Für die Verwaltung steht fest: Hier würde der Außenbereich nach "Salamitaktik" zersiedelt.

Bürgermeister Rupert Steigenberger erklärt die Haltung der Gemeinde tags darauf der SZ so: "Wir kennen das: Erst ist es nur ein Grillplatz in der Landschaft. Dann werden Zäune gezogen und dann Hecken gepflanzt." Und ehe man sich versehe, sei aus dem Außenbereich optisch Innenbereich geworden. In der jüngsten Vergangenheit waren die Berger in ähnlich gelagerten Fällen standhaft geblieben und hatten von Verwaltungsrichtern Rückendeckung bekommen.

Hinzu kommt in diesem speziellen Fall noch, dass die Verwaltung vorab mit dem Bauwerber Kontakt aufgenommen hatte, um ihn dazu zu bewegen, die Planung abzuändern, was dieser nicht wollte. Und so kam es im Gemeinderat, wie es wohl kommen musste: Einstimmig lehnten die Ratsmitglieder das Vorhaben ab, das sie noch im Vorbescheid bewilligt hatten. Während Grundstückseigner und Räte um die Nachfolgebauten auf dem Areal ringen, sieht der ehemals stattliche Altbau schon erbärmlich aus. Tür- und Fensterstöcke sind herausgerissen, der Erker ist abgeschlagen, und das Spalier nach Osten ist entfernt.

Dabei hat das Gebäude eine interessante Geschichte: In dem Anwesen von Zimmerermeister Widl hat 1911 der Schöpfer der Zwölftonmusik, Arnold Schönberg, seine Sommerfrische verbracht. Eine Erinnerungstafel für den Komponisten gibt es auf dem Areal nicht. Dabei hat Schönberg in Berg Teile des Musikdramas "Die glückliche Hand" komponiert, was er seinem Schüler Alban Berg am 25. August 1911 aus Berg schrieb. Auch arbeitete Schönberg in der Seegemeinde an der Bühnenaufführung seines Monodrams in einem Akt, "Erwartung op. 17". All diese Details hat der Starnberger Musikwissenschaftler Christian Lehmann herausgefunden.

Nach seiner Recherche kam es in dieser Sommerfrische auch zu einem Treffen zweier Wegbereiter der Moderne: Der malende Zwölftonkomponist Arnold Schönberg traf in Berg den musikbegeisterten Maler Wassily Kandinsky. Der eine entgrenzte die traditionelle Musik, der andere ließ die gegenständliche Malerei hinter sich. Eigentlich hatte Kandinsky Schönberg zu sich nach Murnau eingeladen, weiß Lehmann. Doch "da Schönberg sehr beschäftigt ist, bittet er Kandinsky, ihn stattdessen in Berg zu besuchen", erzählt er. Am Dienstag, 1. September 1911, holt Schönberg seinen Gast Kandinsky, der mit dem Zug von Murnau nach Tutzing gefahren und mit dem Schiff nach Berg geschippert war, um 11.40 Uhr am Dampfersteg ab. Gesichert ist laut Lehmann auch ein Gegenbesuch Schönbergs am 14. September bei Kandinsky und dessen Künstlerfreunden in Murnau. Briefkontakt sollen die beiden Künstler bis in die Dreißigerjahre gehabt haben.

© SZ vom 14.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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