Schule im Landkreis Starnberg:Der ganz normale Wahnsinn

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"Willkommen am Otto-von-Taube-Gymnasium", schreibt Direktorin Sylke Wischnevsky auf eines der brandneu installierten Touchboards. (Foto: Georgine Treybal)

Am Dienstag startet für die Schülerinnen und Schüler im Landkreis Starnberg wieder der Unterricht. Nach Jahren des Ausnahmezustands schauen die Schulen wieder optimistischer nach vorne.

Von Mascha Plücker und Viktoria Spinrad, Starnberg

Wenn an diesem Dienstag 1434 Abc-Schützen und die weiteren Schülerinnen und Schüler im Landkreis Starnberg in die Klassenzimmer strömen, schnatternd, lachend, vielleicht auch gähnend, dann geht nach sechs Wochen Sommerferien wieder der ganz normale Schulwahnsinn los. Stäbchen in die Nase, maskierte Gesichter, Last-Minute-Dienstanweisungen aus dem Ministerium und ein Beschäftigungsverbot für schwangere Lehrerinnen - all das gehört der Vergangenheit an. Und hört man sich um in der Schulfamilie, dann klingen die Töne denn auch schon wieder vorsichtig optimistisch.

Die Schulamtsleiterin Karin Huber-Weinberger etwa hat den Sommer über gewissermaßen Tetris gespielt mit der chronisch komplizierten Lehrerplanung. Ihr Schluss: Die Ausgangsbasis sei eine ganz andere als in den vergangenen Jahren. "Ich bin vorsichtig positiv optimistisch, dass wir guten Unterricht machen können." Damit ist sie nicht alleine. Zwar ist der Mangel an Fachkräften wie in anderen Branchen auch das Problem Nummer eins an den Schulen - doch hat man längst gelernt, kreativ zu werden und mit Quereinsteigern zu arbeiten.

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So auch an der Staatlichen Realschule Gauting. "Wunderbar" sei die Lehrerversorgung heuer, sagt Direktor Reinhard Schlamp. "Wir haben alle, die wir brauchen." Wobei es bei näherer Betrachtung eben auch nur mit den sogenannten "Substituten" geht, also formal unqualifizierten Lehrern. Diese müssten zwar immer mal wieder an die Hand genommen werden, sagt Schlamp, und es habe auch mal "schwarze Schafe" gegeben, wo es nicht so gut gelaufen sei. Generell mache man hier aber gute Erfahrungen.

Schwieriger wird es dort, wo hochspezialisierte Fähigkeiten gefragt sind. Entsprechend nüchtern klingt Susanne Mörtl vom Sonderpädagogischen Förderzentrum in Starnberg. Zweieinhalb Lehrerstellen sind hier mit Studenten besetzt worden, zudem springen Gymnasiallehrer ein. Das sei natürlich nicht so einfach, sagt die stellvertretende Schulleiterin, "wir sind aber natürlich dennoch froh, dass wir sie haben."

Für die Digitalisierung war die Pandemie ein echter Katalysator

Der Lehrermangel beziehungsweise der Lehrstundenmangel - mehr als die Hälfte aller Pädagogen in Bayern arbeitet in Teilzeit - ist ein Problem, das auch im Kultusministerium längst nicht mehr verhehlt wird. Diese "Herausforderung" werde "das ganze Jahrzehnt" andauern, prognostizierte Kultusminister Michael Piazolo (FW) kürzlich. Längst sind Schulleiter auch Recruiter und Nachqualifizierer - was gerade bei den Lehrerverbänden kritisch beobachtet wird. Momentan sehe es so aus, als habe man genug Lehrer beisammen, sagt Nicole Bannert, stellvertretende Kreisvorsitzende des bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV) und Rektorin der Starnberger Grundschule. "Aber am Ende des Schuljahres werde ich wieder Lücken haben."

Immerhin eine Lücke scheint an vielen Stellen geschlossen worden zu sein: die der Digitalisierung. Dafür scheint die Pandemie mit ihrem Distanzunterricht ein echter Katalysator gewesen zu sein. Auch sonst eher tafelaffine Lehrer waren plötzlich gezwungen, sich in die Welt von PDFs, Powerpoint und Videokonferenzen einzuarbeiten. Bei der "Handhabung des digitalen Handwerks" habe die ganze Lehrerschaft einen großen Sprung gemacht, sagt Sylke Wischnevsky vom Gautinger Otto-von-Taube-Gymnasium. Hier wurde den Sommer über geschraubt, in allen Klassenzimmern hängen nun Touchboards. Auch Tablets stehen in schwarzen Behältern bereit. "Digitalisierter Unterricht ist heute selbstverständlich", sagt Wischnevsky.

Gleich kistenweise warten die Tablets im Gautinger Gymnasium auf ihren Einsatz. (Foto: Georgine Treybal)

Gleich vier iPad-Klassen wird es an der Starnberger Fünfseen-Schule geben, die Teil des Projekts "digitale Schule der Zukunft" ist. Da könne man überhaupt nichts bemängeln, sagt Mörtl zufrieden. Aus dem Bundesprogramm "Digitalpakt" heraus sind quer durch den Landkreis Geräte für Schüler und Lehrer angeschafft worden. Das Paket ist eine Brücke über die berüchtigte Finanzierungskluft im Schulwesen, wo etwaige Investitionen an den Kommunen und Landkreisen hängenbleiben, die je nach Gewerbeeinnahmen leere oder volle Töpfe haben.

Eine Kostenaufteilung, die finanziell strapazierten Kommunen wie Starnberg nicht gerade entgegenkommt. Eigentlich sei es für sie auch eine Überforderung, moniert BLLV-Frau Bannert. Und selbst wenn die Geräte finanziert und angeliefert sind, muss sie ja auch noch jemand aufsetzen. Das bleibt oft an einem auserkorenen IT-Zuständigen aus dem Lehrerkollegium hängen, der oder die dafür dann ein paar Anrechnungsstunden Zeit bekommt. Die Verwaltung sei "eine Zumutung", sagt sie, "wir bräuchten fachmännisches IT-Personal vor Ort." Fachkräfte also, um die auch die freie Wirtschaft konkurriert - die diese allerdings deutlich besser entlohnen kann.

Also alles zurück zum Wahnsinn vor der Pandemie, mit qualmenden Druckern, vollen Kantinen, motivationsgeforderten Teenagern? Fast. So ganz haben die Schulen die Nachwehen der monatelangen Einsamkeit im Kinderzimmer noch nicht abgeschüttelt. Im Sozialen gebe es auf jeden Fall Lücken, sagt Bannert. Gerade die Fähigkeit, sich länger zu konzentrieren, sei zurückgegangen. Auch inhaltlich haben Schüler teils noch mit Lücken zu kämpfen, weshalb einige Schulen am "Brücken Bauen" Nachhilfeprogramm des Freistaats festhalten wollen.

Und dann sind da ja noch die Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine, die zu integrieren sind. Was gar nicht so einfach ist, wenn sie selber nicht wissen, wie lange sie noch in Deutschland sind - und nebenher teils noch online Aufgaben für ihre Heimatschule erledigen. An der Gautinger Realschule plant man derzeit mit drei Brückenklassen, die den Kindern aus der Ukraine den Weg in den regulären Unterricht ebnen sollen. Wie viele genau kommen werden, das weiß Direktor Schlamp noch nicht. Zuerst sollen die Deutschkenntnisse getestet werden. Immerhin: Bei Schulveranstaltungen, sagt Schlamp, seien die Ukrainer bisher schon gut integriert gewesen.

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