Verwaltungsgericht:Starnberg will Schneeschaufeln auf 62-jährige Anwohnerin abwälzen

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Die Stadt hat den 70 Meter langen Fußweg zum Schulweg umgewidmet. Auf die Anwohnerin wäre viel Arbeit zugekommen, darum klagt sie dagegen. (Foto: Georgine Treybal)

Die Frau soll die Räumpflicht auf einem Fußweg übernehmen. Die Starnbergerin lässt sich das nicht gefallen und verklagt die Stadt - mit guten Chancen.

Von Andreas Salch, Starnberg/München

Eine Anwohnerin des Wegs An der Schindergrube staunte nicht schlecht: Im Februar 2017 teilte ihr die Stadt Starnberg in einem Schreiben mit, dass der Fußweg, der an ihrem Anwesen vorbeiführt, umgewidmet wurde und nun ein Schulweg sei. Aus diesem Grund sei die 62-Jährige fortan für die Räum- und Streupflicht verantwortlich. Der Weg, der den Prinzenweg und die Wilhelmshöhenstraße verbindet, ist gut siebzig Meter lang und weist eine Steigung um die zehn Prozent auf. Die Satzung der Stadt sieht vor, dass Anwohner bei Schnee werktags zwischen 7 und 19 Uhr, an Sonn- und Feiertagen zwischen 8 und 18 Uhr verpflichtet sind, zu räumen. Auf die Anwohnerin wäre also viel Arbeit zugekommen. Doch sie kam der Auflage der Stadt nicht nach.

Nur "netterweise" habe sie im vergangenen Winter, wenn es stark geschneit habe, Splitt gestreut, sagte sie jetzt vor dem Verwaltungsgericht München, wo sie die Stadt Starnberg verklagt hatte. Ihr Ziel: Befreiung von der Räum- und Streupflicht. Auch wenn die Richter der zweiten Kammer noch keine Entscheidung verkündet haben, ließen sie keinen Zweifel daran, dass sie der Klägerin recht geben werden.

Zwar könne die Räum- und Streupflicht von Kommunen durchaus auf Bürger "abgewälzt" werden, sagte der Vorsitzende. "Aber es gibt keine vollständige Abwälzung", fügte er hinzu. Dies käme einem Eingriff in das Grundrecht auf "Handlungsfreiheit" eines Bürgers gleich. Überdies stelle die Übertragung der "Räum- und Streupflicht" eine "erhebliche Belastung" für die Betreffenden dar. Und wo, fragte der Richter die Vertreter der Stadt, befinde sich denn überhaupt eine Schule?

Eine Vertreterin der Verwaltung erklärte hierauf, das auf einem Grundstück, oberhalb des Wegs An der Schindergrube Leute mit Kindern eingezogen seien. Da beide Parteien einem vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich nicht zustimmten, stellte der Vorsitzende deshalb klar, dass im "vorliegenden Fall keine Räum- und Streupflicht der Klägerin" bestehe. Dies ergebe sich aus dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz. Das Kuriose ist: Das Verwaltungsgericht Würzburg hatte in einem identischen Fall anders entschieden. Allerdings erging in der Sache kein Urteil, da sich der Kläger und die Beklagte in der Berufungsverhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München auf einen Vergleich einigten.

Im vorliegenden Fall wird jedoch eine Entscheidung ergehen. Der Anwalt der Stadt bat das Gericht ins sogenannte schriftliche Verfahren überzugehen. Das bedeutet, das es zu keiner weiteren mündlichen Verhandlung kommt. Die Stadt hat nun zwei Monate Zeit Stellung zu nehmen. Der Vertreter der Klägerin, Rechtsanwalt Michael Beisse, stimmte zu und betonte, dass seine Mandantin nicht dafür verantwortlich sei, den Weg vor ihrem Anwesen zu räumen. Der Anwalt der Stadt verlangte, die Klage abzuweisen. Sollte das Verwaltungsgericht eine Entscheidung verkünden, werde diese weitreichende Folgen haben, erklärte der Vorsitzende Richter. Die Kommunen in ganz Bayern müssten dann mehr Aufwand bei der Räum- Streupflicht betreiben.

© SZ vom 28.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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