25. Kunst-Parcours:Wo die kleinen Lebewesen wabern

Lesezeit: 3 min

Im Atelier von Ulrike Prusseit (l.) an der Possenhofener Straße in Starnberg ist ein wundersames Raumkunstwerk in sanften Farbtönen entstanden. (Foto: Arlet Ulfers)

Am kommenden Wochenende öffnen Künstler ihre Ateliers und Werkstätten zwischen Starnberg, Pöcking und Feldafing für Besucher.

Von Katja Sebald, Starnberg/Pöcking/Feldafing

Am kommenden Wochenende laden die Künstler am Westufer des Starnberger Sees noch einmal in ihre "Offenen Ateliers" ein. Zu entdecken gibt es 18 verschiedene künstlerische und kunsthandwerkliche Positionen an elf verschiedenen Orten, außerdem Atelierhäuser und Atelierwohnungen mit Seeblick, Kellerateliers und Gartenateliers, Werkstätten, ehemalige Ladengeschäfte und leerstehende Industriegebäude, die zu Ausstellungsräumen umfunktioniert wurden.

Im Atelier von Ulrike Prusseit an der Possenhofener Straße in Starnberg ist ein wundersames Raumkunstwerk in sanften Farbtönen entstanden: Kleine pastellfarbige Lebewesen wuchern aus einem Inkubator heraus, hängen selbst noch an einer Nabelschnur, gebären aber fortwährend Köpfe, Rümpfe, Arme und Beine, die sich zunächst weder Mensch noch Tier zuordnen lassen. Zu einem einzigen großen Gebilde vereint, kriechen sie vom Boden aus die graue Betonwand hinauf.

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Dort tauchen sie wieder in den Leinwandarbeiten auf, haben nun Brüste, aber keine Köpfe. Oder sie haben Körper, aber keine Gesichter. Sie hängen wieder an neuen Nabelschnüren. Sie schweben oder sie stehen Kopf. Man könnte meinen, die neuen Arbeiten von Ulrike Prusseit, wie immer in einer spannenden Mischtechnik aus Malerei und Collage ausgeführt, seien als Ergänzung zu den Textilskulpturen und Objekten von Nena Čermák entstanden, die bei ihr als Gastkünstlerin ausstellt. Es könnte freilich auch genau umgekehrt sein.

Grenzen verschwimmen auch in dem aufgelassenen Industriegebäude hinter dem Possenhofener Bahnhof, den auch in diesem Jahr die Zeichnerin Susanne Mansen und die Keramikerin Ute Kathrin Beck als Ausstellungsraum nutzen. Artefakte und Fundstücke heben sich gleichermaßen reizvoll vor den zementgrauen Wänden und den alten Holzbalken ab. Die feinsinnigen Figurenerzählungen von Susanne Mansen brauchen keine großen Formate, um große Themen zu verhandeln.

Susanne Mansen (rechts) und Ute Kathrin Beck auf dem Teppich mit Ihren gemeinsamen Arbeiten im ersten Stock. (Foto: Arlet Ulfers)
"Jahrestreffen Hüftopertion" (2022) heißt eines der Werke im Pöckinger Atelier von Susanne Mansen, Ute Kathrin Beck und Thomas Putze. (Foto: Arlet Ulfers)

Von "hereinbrechender Dunkelheit erschreckt" und "entsetzt über den teuflisch zerstörten Weltfrieden" stolpere sie durch die Welt des Internets, wo sie versichern müsse, kein Roboter zu sein, schreibt die Künstlerin selbst über die Begebenheiten, die sie zu ebenso pointierten wie poetischen Kommentaren veranlassen. Ihre freundlich-merkwürdigen Fabelwesen tauchen aber auch immer wieder auf kleineren Vasen von Ute Kathrin Beck auf, die außerdem höchst dekorative Gefäßskulpturen mit metallisch schimmernden Oberflächen zeigt. Auch hier stellen in diesem Jahr mit der Münchner Keramikerin Christiane Wilhelm und dem Holzbildhauer Thomas Putze zwei Gastkünstler aus.

In Feldafing kann man dem Künstler Peter Schaller buchstäblich beim Arbeiten über die Schulter schauen. Weil er einen Großteil seiner Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken derzeit im Haus der Bayerischen Landwirtschaft in Herrsching ausstellt, zeigt er in seinem Atelier die Druckplatten für seine Holzschnitte sowie eine kleine Auswahl seiner Bilder, die stets in subtilen Abstufungen von Grautönen entstehen. Auch bei seiner Nachbarin, der Malerin Ina Kohlschovsky, ist eine echte Arbeitssituation zu sehen: In ihrem Atelier kann man neben den aktuellen, von geheimnisvollen Figuren bewohnten Bildern auch eine Reihe älterer Arbeiten entdecken.

"Industrieserie 2021/22" hat Peter Schaller seine Holzschnitte benannt. (Foto: Arlet Ulfers)
Ina Kohlschovsky zeigt sich in Feldafing vor ihrer aktuellen gelben Serie. (Foto: Arlet Ulfers)
Sophia Epp präsentiert ihre Schmuckarbeiten. (Foto: Arlet Ulfers)

Das surreal anmutende großformatige Gemälde "Immer bei Vollmond" aber ist so neu, dass die Farbe noch kaum getrocknet ist. Als Gastausstellerin zeigt hier die Silberschmiedin Sophia Epp ihre filigranen Schmuckstücke. Ebenfalls in Feldafing sind im ehemaligen Atelier des verstorbenen Künstlers Gunther Radloff die Papierarbeiten und Keramiken von Thomas Niggl zu sehen. Der Holzbildhauer und Drechslermeister Johannes Hofbauer hat sich in seinen Ausstellungsraum in der Bahnhofstraße die Malerin Ulrike Gerd Hartmann als Gastausstellerin eingeladen.

In Pöcking zeigt Julius Wurst in seinem Atelier Installationen, Materialbilder und Fotografien. In Niederpöcking öffnet Ursula Steglich-Schaupp ihr Dachatelier, wo sie Malerei, Zeichnung und Keramik ausstellt. An der Mozartstraße in Starnberg bespielen Katharina Kreye und Erika Schalper gemeinsam einen Ausstellungsraum und in Söcking öffnet der Bildhauer Max Wagner seine Werkstatt an der Watzmannstraße. Er zeigt neben "vielem, was einfach so rumsteht" die Skulpturen aus der neuen Serie "Self Experiment", für die er ein Selbstporträt immer wieder verändert, mit Spiegelbrille, Mundschutz und Kopfhörern ausstattet, mit schweren Rosenkränzen behängt, mit einem Kopfverband umwickelt oder mit Schriftzeichen überzieht.

Als Malgrund sorgt ein Samtstoff für eigenwillige Effekte

Zum Abschluss bietet sich noch ein Besuch bei Annette Girke an, die ihre Arbeiten zu einer sommerlichen Ausstellung arrangiert hat: Neben stimmungsvollen kleinen Bildern von Badehütten und Schwimmern zeigt sie auch noch einmal ihre witzigen Miniaturfiguren von Tauchern. Das Gemälde, auf dem ein pinkfarbener Wohnwagen vor einem glühend roten Nachthimmel steht, ist ein Vorgeschmack auf ihre kommende Ausstellung im Museum Starnberger See, in der sie ausschließlich neue Arbeiten präsentieren wird. Als Malgrund verwendet sie seit Kurzem einen Samtstoff, der für höchst eigenwillige Effekte sorgt.

Die "Offenen Ateliers" sind am kommenden Wochenende, 6. und 7. Mai, samstags und sonntags von 14 bis 19 Uhr zu besichtigen. Alle Adressen mit Lageplan unter www.offene-ateliers-starnberg.de.

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