Sicherheit im Internet:"Die Suchmaschine entscheidet darüber, was sie uns zeigt"

Lesezeit: 3 min

Datenkrake Google: Die Open Search Foundation will die Monopolstellung sowie die fehlende Regulierung des US-amerikanischen Tech-Konzerns durchbrechen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die Starnberger Open Search Foundation will mit einer eigenen Suchmaschine die Monopolstellung von Google aufbrechen und das Internet demokratischer machen. Für ihr Vorhaben hat die NGO bereits großzügige EU-Mittel aus Brüssel erhalten.

Von Linus Freymark, Starnberg

Wer im Internet unterwegs ist, hinterlässt Spuren. Ein Klick hier, eine Suchmaschinenanfrage da - und zack, ploppt wenig später dazu passende Werbung auf. Kennt jeder, soweit nichts Neues. Nur: Wie groß sind diese Spuren wirklich? Wie prägen Suchmaschinen unseren Blick auf die Welt? Und was lässt sich gegen die Allmacht von Google tun? Immerhin laufen mehr als 90 Prozent aller Suchanfragen in Europa über den Anbieter aus dem Silicon Valley in Kalifornien.

Diesen Fragen widmet sich die Open Search Foundation (OSF) mit Sitz in Starnberg: Die 2018 gegründete NGO prangert das Monopol des US-amerikanischen Tech-Konzerns Google und die damit verbundenen Probleme an - und will dessen Vormachtstellung in Europa langfristig mit der Entwicklung einer eigenen Suchmaschine aufbrechen. "Wir wollen helfen, Europas digitale Souveränität zu stärken", erläutert OSF-Vorstand Stefan Voigt. Denn in der Machtfülle des privaten US-Konzerns sieht die OSF eine "Einladung zu Missbrauch und Manipulation". Das heißt nicht, dass Google diese Einladung tagtäglich annimmt. Aber die Möglichkeit ist laut Voigt und Christine Plote, ebenfalls im Vorstand der OSF, eben da.

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Statt der "Blackbox Google" planen Voigt und Plote gemeinsam mit ihrem Team, das unter anderem aus Juristen, Medien- und Informatik-Professoren besteht, ein transparentes System, bei dem - anders als bei Google - die Vorgänge und Algorithmen nachvollziehbar sind, die dazu führen, welche Treffer den Nutzern bei der Internetrecherche ganz oben angezeigt werden.

Denn Studien zeigen: Die ersten Ergebnisse werden von den Usern wahrgenommen, alles andere oft als irrelevant abgetan. Aber: "Die besten Suchergebnisse stehen nicht immer oben", erklärt Plote. Denn die Suchmaschinen entscheiden selbst über das "Ranking", also die Reihenfolge der Suchergebnisse. Und wegen der intransparenten Abläufe im Hintergrund wisse man nicht, welchen Einfluss die Suchmaschinen darauf nehmen. "Dahinter stecken durchaus Eigeninteressen", sagt Plote, "oft ein wirtschaftliches Interesse wie beim Werbekonzern Google oder ein staatliches wie bei Baidu, der größten chinesischen Suchmaschine."

Hinzu kommt, dass der US-Konzern Google Daten über seine Nutzer sammelt, um die Ergebnisse besser auf individuelle Interessen zuschneiden zu können. Und das nicht zu knapp. "Das ist total übel", sagt der studierte Geograf Voigt, der beim Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) forscht. "Vielen ist gar nicht bewusst, welche Informationen Google über einen sammelt."

8,5 Millionen Euro Fördergeld hat die OSF aus EU-Töpfen erhalten

Für Werbestrategen wie für Google selbst sind die Informationen über Nutzer Gold wert. Allerdings führen sie dazu, dass zwei verschiedenen Personen bei gleicher Eingabe ins Suchfeld unterschiedliche Ergebnisse angezeigt werden - je nachdem, wo sich die Nutzer gerade aufhalten und wonach sie zuvor gesucht haben. "Die Suchmaschine entscheidet darüber, was sie uns zeigt", sagt Plote.

Stefan Voigt und Christine Plote wollen eine demokratischere Suchmaschine entwickeln. (Foto: Nila Thiel)

Neben der Einflussnahme durch Google führe das zu einem weiteren Phänomen, den in den Medien- und Sozialwissenschaften vielfach behandelten Filterblasen. Das Problem dabei: Usern werden nur noch Inhalte ausgespielt, die ihrer eigenen Weltanschauung entsprechen und sie in ihren Auffassungen unterstützen. Das erschwert den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus - und damit den demokratischen Diskurs. Denn die Auseinandersetzung mit konträren Standpunkten entfällt.

Für ihre offene, nicht-kommerzielle Suchmaschine arbeitet die OSF mit verschiedenen Stellen wie etwa dem Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zusammen. Auch das renommierte europäische Kernforschungszentrum Cern mit Sitz in Genf ist bereits mit an Bord. Zudem gibt es verschiedene Fachgruppen mit Experten, darunter ein Ethik- sowie ein Juristengremium, die sich mit der Frage der Gouvernance befassen. Denn auch beim Modell der OSF muss irgendjemand ja entscheiden, welche Suchergebnisse als relevant betrachtet werden.

Anders als bei Google soll das aber kein Konzern mehr allein entscheiden, sondern Expertengruppen und Nutzer zusammen. Ähnlich wie bei Wikipedia sollen möglichst viele Menschen ihre Erfahrungen einbringen können. "Das muss möglichst dezentral organisiert sein", erklärt Voigt. Auch Fake News sollen so möglichst erkannt und gekennzeichnet werden. Für ihr Projekt hat die OSF 8,5 Millionen Fördergelder aus EU-Töpfen erhalten. In den nächsten drei Jahren soll das Pilotprojekt abgeschlossen sein, in sechs bis acht Jahren könnten dann die ersten Open-Search-Suchmaschinen verfügbar sein, schätzt Voigt.

Bis dahin haben Voigt und Plote noch ein paar praktische Tipps für mehr Privatsphäre im Netz. Der einfachste: Suchmaschinen wie Duckduckgo oder Ecosia nutzen, die deutlich weniger Daten abgreifen als Google. Und auch den Browser öfter wechseln, hilft dabei, seinen digitalen Fußabdruck zu verkleinern.

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