Mehr als Waschen:Ein Tag in der Pflege

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Beim Tag der offenen Tür der Pflegefachschule der Starnberger Kliniken lässt sich Landrat Stefan Frey von Petra Trcak Colaric, Auszubildende zur Pflegefachfrau, den Blutdruck messen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Am Tag der offenen Tür werben die Starnberger Kliniken um Auszubildende. Schülerinnen, Schüler und Landrat Frey tauchen in die Welt der Pflege ein. Warum wählt ein junger Mensch diesen Weg?

Von Christina Denk, Starnberg

Es piept einmal kurz und laut. "Das ist unser Henry", stellt Elsa Walker den fünfjährigen Patienten vor, der im Krankenhausbett an eine Infusion angeschlossen ist und eine Sauerstoffmaske trägt. Walker tritt einen Schritt vor, deutet auf die Kabel am rechten Arm des Patienten: Er hat Bronchitis und muss alle sechs Stunden eine kochsalzhaltige Lösung inhalieren, erklärt sie der 15-jährigen Schülerin, die neben ihr am Bett steht.

Elsa Walker ist auszubildende Pflegefachfrau. Vor mehr als einem Jahr hat sie sich für diesen Weg entschieden. Und der kranke Henry? Heute nur eine Puppe. Beim Tag der offenen Tür der Starnberger Kliniken wollen Walker und ihre Kollegen die Ausbildung zur Pflegefachkraft greifbar machen.

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Im Rahmen der Woche der Aus- und Weiterbildung in Bayern hat die Krankenpflegeschule die Möglichkeit angeboten, in den Pflegeberuf hineinzuschnuppern. Neben der Kinderstation ist ein Diabetes-Raum, eine Ecke mit Reanimationsübungen, ein OP-Zimmer und ein Altersanzug, der Beschwerden betagter Patienten simuliert, aufgebaut. Schüler im ersten oder zweiten Lehrjahr zeigen, wie man eine Infusion anschließt oder den Blutzuckerspiegel bestimmt, halten Vorträge und beantworten Fragen rund um den Pflegeberuf.

Hier nimmt niemand ein Blatt vor den Mund. "Man sollte körperlich und psychisch schon was einstecken können", erklärt Pflegeschüler Konstantin Kitzinger bei einem Vortrag im Krankenhaus an der Oßwaldstraße. Das Leid, das man sehe, sei nicht ohne.

Man ist so alt, wie man sich fühlt: Pflegeschülerinnen legen den Altersanzug an, der die körperlichen Beeinträchtigungen alter Menschen simuliert. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Auf der Kinderstation zeigen Elisa Walker (v.li.), Luzie Fella und Carla Oberth - allesamt Auszubildende zur Pflegefachfrau - an einer Puppe, wie eine Infusionskanüle angeschlossen wird. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

In drei Jahren durchlaufen die Auszubildenden unter anderem Stationen in der Kinderklinik, Psychiatrie, der ambulanten Pflege und in verschiedenen Bereichen der Erwachsenenpflege im Krankenhaus. Eine Vertiefung in der Kinderpflege ist möglich. Anschließend stehen die Wege in alle Bereiche der Pflege im Krankenhaus oder im Seniorenheim offen. Durch Fortbildungen und aufbauende Studiengänge lässt sich der Beruf zudem individuell an Wünsche und Lebenssituationen anpassen, betonen die Schüler am Tag der offenen Tür.

"Es erfüllt mich, Menschen so helfen zu können."

Wie aber kommen junge Menschen dazu, eine Pflegeausbildung zu beginnen, während Kräfte in Bayern für einen besseren Lohn auf die Straße gehen und Schicht- und körperlich harte Arbeit den Alltag bestimmen?

Konstantin Kitzinger ist einer von vier Pflegefachmann-Anwärtern unter etwa 20 Frauen im zweiten Lehrjahr. Über Umwege kam er zur Ausbildung im Pflegebereich. "Vom Polizisten bis zum Pferdewirt war alles dabei", sagt er. Am Ende hat er sich für den Pflegeberuf entschieden. Da seine Eltern ebenfalls in diesem Bereich tätig sind, wusste er, was auf ihn zukommt. Seine Motivation: Sich um Menschen kümmern. Die psychische Belastung des Pflegealltags gleicht er mit Sport aus. Außerdem unterstützen sich die Auszubildenden gegenseitig, betont er zusammen mit einem anderen Schüler.

Elsa Walker ist im zweiten Lehrjahr ihrer Ausbildung zur Pflegefachfrau. Sie hat die pädiatrische Vertiefung auf der Kinderstation gewählt. "Mir macht es total viel Spaß", sagt sie über die Arbeit mit den Kindern und Babys. Man arbeite tagtäglich mit sehr unterschiedlichen Menschen zusammen. Jede Schicht bringe andere Aufgaben. Nach dem Abitur wollte Walker mit einem freiwilligen sozialen Jahr (FSJ) erst einmal die Arbeit im Krankenhaus kennenlernen. "Was wirklich die Aufgaben von einer Pflegefachfrau oder einem Pflegefachmann sind, weiß man eigentlich gar nicht", sagt sie. Pflegen sei mehr als nur Waschen. Zu vielen Patienten habe man eine innige Bindung. Deshalb freue sie sich trotz vieler bedrückender Frühchen-Geschichten bereits auf ihren nächsten Einsatz auf der Neugeborenen-Intensivstation.

Carla Oberth hat ebenfalls die Arbeit auf der Kinderstation als Schwerpunkt gewählt. "Ich bin tatsächlich im Krankenhaus ein bisschen groß geworden, weil ich selber betroffen bin", erzählt sie. Nach der Schule wollte sie die andere Seite kennenlernen - die Seite der Pflegenden. Die Ausbildung? Anspruchsvoll, aber "ich würde es auf jeden Fall empfehlen, wenn man an Menschen interessiert ist", sagt sie. Beim Tag der offenen Tür kümmerte sie sich gemeinsam mit Elsa Walker um die Kinderstation.

Laura Leimer betreut im zweiten Jahr ihrer Ausbildung kranke und alte Menschen in der Klinik. "Es erfüllt mich immer wieder, Menschen so helfen zu können", sagt sie über ihre Arbeit. Interesse am Gesundheitsbereich hatte sie bereits während der Schulzeit. Nach dem Abitur folgte das FSJ im Starnberger Klinikum. Die Arbeit in der Pflege gefiel ihr so gut, dass sie die Idee vom Medizinstudium vorerst an den Nagel hängte, um in der Klinik die Ausbildung zu beginnen. "Man geht jeden Dienst nach Hause und hat das Gefühl, man hat den Leuten was Gutes getan", sagt sie .

Landrat Frey übte sich selbst als Pfleger - und hat einen Appell an junge Leute

Wer nach den ersten Eindrücken am Tag der offenen Tür wie Kitzinger, Walker, Oberth und Leimer den Weg als Pflegefachkraft einschlagen will, konnte in einem kleinen Raum neben der Kinderstation direkt ein erstes Gespräch führen. Wie in vielen beruflichen Feldern muss auch die Krankenpflegeschule sich bemühen, genügend geeignete Interessenten zu finden. Ziel sei es, "Leute aus der Region für uns zu gewinnen", sagt die Schulleiterin Daniela Matzke.

Landrat Stefan Frey ist ein Mann der Tat: Bei seinem Besuch im Klinikum "testet" er den Altersanzug und die sehbehindernde Brille, die Auszubildenden Annika Wild (li.) und Laura Leimer weisen ihm den Weg mit dem Rollator. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Schaut euch auch gerade im klinischen Bereich um, im Pflegebereich", empfiehlt Landrat Stefan Frey jungen Bürgern zum Abschluss. "Ich hab gesehen, dass jeder da was Passendes finden kann, wenn er sich nur umschaut." Der Landrat hatte sich einige Stunden zuvor selbst als Pfleger versucht, sich samt Altersanzug und Rollator durch die Gänge manövriert und auch dem kranken Henry den Teddy gehalten.

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