Starnberg:Wohnen und arbeiten in der "Schwammstadt"

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Der Plan zum "Moosaik": Die Animation verdeutlicht die Lage der insgesamt 18 Baukörper, die auf dem Areal des Starnberger Gewerbegebiets entstehen sollen. Unten befindet sich die B2, links die Moosstraße und rechts die Petersbrunner Straße. (Foto: Animation Kehrbaum Architekten)

Der Bauausschuss befürwortet den Umbau des Gewerbegebiets im Norden der Stadt zum "urbanen Quartier". Das Verfahren ums "Moosaik" geht nun in die öffentliche Auslegung.

Von Peter Haacke, Starnberg

Rahmenplan, Flächennutzungsplan, Bebauungsplan: Der Umbau des Gewerbegebiets im Starnberger Norden in ein "urbanes Quartier" mit hoher baulicher Dichte und Nutzungsmischung im Sinne einer "Stadt der kurzen Wege" hat die nächste Hürde genommen. Wie erwartet, befürwortete der Bauausschuss am Montag zur Freude von Rudolf Houdek einhellig das Planungskonzept, das der Stadt auf einer Fläche von 3,5 Hektar mit Wohnungen, Arbeitsplätzen, Nahversorgung und Freizeiteinrichtungen ein völlig neues Gesicht geben wird: Direkt am Starnberger Ortseingang entsteht eine Art "Future-City".

Zwar müssen Rahmen- und der geänderte Flächennutzungsplan Ende Januar 2024 noch vom Stadtrat abgesegnet werden, doch gilt dies nur noch als Formalie. Einmal mehr dominierte die Debatte im Bauausschuss jedoch zeitweise ein eher untergeordnetes Bauwerk mit offensichtlich hoher symbolischer Bedeutungskraft: Der Bau einer Fußgänger- und Radwegbrücke über die B2, die nach aktuellem Stand weder geplant noch realisiert werden kann, weil sie auf dem Grundstück des Landratsamtes - und damit auf fremdem Gebiet - endet.

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Der neue Stadtteil soll ein nachhaltiges und klimaschonendes Quartier werden, das neue Wohn- und Arbeitsformen mit Natur und Kultur verbinden will. Hochkarätige Architektur-Büros haben 18 unterschiedlich gestaltete Baukörper mit insgesamt 80 000 Quadratmetern Geschossfläche geplant, die zu etwa 60 Prozent gewerblich genutzt werden sollen. Zwei Gebäude im Zentrum ragen mit 32 und 38 Metern Höhe heraus.

Vorgesehen sind 270 Wohnungen, hinzu kommen Gewerbebetriebe, Arztpraxen, Gastronomie, Hotellerie, Kita und sonstige Nutzungen. Der gesamte Bereich ist von einer Tiefgarage mit rund 800 Stellplätzen auf zwei Ebenen unterkellert, knapp 200 Parkplätze werden oberirdisch angelegt. Ein Mobilitätskonzept sieht die Förderung von Radverkehr, ÖPNV-Nutzung sowie Sharing-Angeboten vor. Eine Konkurrenzsituation zu Geschäften in der Innenstadt soll ausgeschlossen sein: Verkaufsflächen im Moosaik sind auf 799 Quadratmeter begrenzt, die meisten Shops sollen maximal 250 Quadratmeter Verkaufsfläche haben.

Das Moosaik wird Starnbergs "Future City" und verheißt Freiraum und Licht für Grün- und Aufenthaltsflächen. (Foto: Visualisierung: Studio Blomen)

Das Plangebiet ist begrenzt von der B2 im Süden, Leutstettener Moos im Nordosten sowie der Moosstraße im Westen. Überdies ist langfristig ein Sondergebiet im südöstlichen Bereich direkt an der Münchener Straße zwischen Petersbrunner Straße und Leutstettener Moos/Würm für ein Rettungsleitzentrum geplant, was am Montag aber nicht weiter thematisiert wurde.

Zur Entscheidungsfindung im Ausschuss waren mehrere Tausend Seiten Papier zwischen Stadt, Fachbehörden und Vorhabenträger abgestimmt worden. Hinzu kamen mehr als 40 Stellungnahmen aus der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit von August bis Oktober 2021, die allesamt in der Stellungnahme der Verwaltung berücksichtigt werden mussten. Unberührt von den Planungen des Mammutprojekts wähnen sich die Nachbargemeinden Berg, Pöcking und Gauting, ebenso eine Reihe weiterer Behörden und Träger öffentlicher Belange wie die Polizeiinspektion, das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten oder das katholische Pfarramt.

Das Moosaik wird als "Schwammstadt" konzipiert

Neben Einwendungen wegen der Nähe zum FFH- und Landschaftsschutzgebiet Leutstettener Moos, einer Zunahme des Verkehrs sowie Lärm- und Luftqualität wurde ein Bedenken gleich mehrfach vorgebracht: Befürchtet wird, dass sich der Bau auf schwierigem Untergrund negativ auf den Grundwasserhaushalt auswirken könnte oder bei Hochwasserlagen Schäden an der umliegenden Bebauung ergeben könnten. Die vorliegenden Gutachten konnten die Bedenken jedoch weitgehend entkräften. Das Entwässerungskonzept nötigte Franz Sengl (Grüne) sogar ein Lob ab: Das als "Schwammstadt" vorgesehene Niederschlagswasserkonzept sei "sensationell gut".

Durchgrünte Zonen, begrünte Dächer, Sickerflächen, Zisternen und Rigolen im Untergrund: Hochwasser und Starkregen sollen kein Problem sein im Moosaik. (Foto: Visualisierung: Kehrbaum Architekten)

Um das Moosaik trocken zu halten, wurden verschiedene Maßnahmen ersonnen. Als Entwässerungskonzept ist "ein hoher Grad an grüner Infrastruktur in Form von Gründächern und Moosgärten" vorgesehen, heißt es in der Stellungnahme der Stadt. Hinzu kommen überdimensionale Zisternen und Rigolen, die Niederschläge auch bei Starkregen so lange wie möglich zurückhalten sollen.

Zudem werden 15 500 Quadratmeter Fläche entsiegelt, sodass sich im Hinblick auf Versickerung sogar eine Verbesserung der aktuellen Situation ergeben soll. Eine Einleitung von Regenwasser in einen Kanal soll dann nicht mehr erfolgen. In der Bauphase soll das hydrologische System durch Düker oder eine Kombination aus Grundwasserüberleitung und zeitweise Öffnung der Baugrubenumschließung nahezu vollständig reguliert werden können. Damit soll ein Aufstau oder Absinken des Grundwassers von mehr als fünf Zentimeter verhindert werden. Gefahren für die angrenzenden Gebäude könnten durch die Planung verhindert werden, hieß es. Überdies werde der Abwasserverband Starnberger See bis Jahresmitte 2024 einen "Generalentwässerungsplan" vorlegen.

Der Steg wurde als "verbindendes Element" über die B2 zwischen Moosaik und Seeufer erdacht, hat aber einen Schönheitsfehler: Auf fremden Grund kann man nicht planen. (Foto: Visualisierung: Kehrbaum Architekten)

Auf Anregung von Ludwig Jägerhuber (CSU) soll in den kommenden Wochen eine Quartiers-Bürgerversammlung für Betroffene stattfinden. Die Pläne gehen dann in die öffentliche Auslegung. Wie sich das Landratsamt zum symbolbehafteten "Steg" verhalten wird, dürfte dabei vorerst nur eine untergeordnete Rolle spielen.

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