Starnberg:Keine Entlastung für Eva John

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Umstrittene Bürgermeisterin: Eva John (jetzt Pfister) bekommt keine Entlastung. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Bayerische Kommunale Prüfungsverband fordert vom Stadtrat eine Begründung, weshalb der Ex-Bürgermeisterin keine Entlastung für die Haushaltsjahre 2015 bis 2020 gewährt wurde. Das Gremium bleibt beim Nein - eine Reise in die Vergangenheit.

Von Peter Haacke, Starnberg

Die Schatten der Vergangenheit sind lang, aber an wenigen Orten Oberbayerns wirken sie so stark auf das Hier und Jetzt wie in Starnberg. Beim ungetrübten Blick auf das vergangene Jahrzehnt bleibt aufmerksamen Beobachtern insbesondere die Ära Eva John im Gedächtnis: Die Erste Bürgermeisterin in der Geschichte der Kreisstadt, die sich den Chefposten im Starnberger Rathaus von 2014 bis 2020 nach internen Querelen als CSU-Rebellin und Tunnel-Gegnerin erobert hatte, prägte einen außergewöhnlichen kommunalpolitischen Stil. Doch nichts ist vergeben oder vergessen - der Stadtrat verweigerte der ehemaligen Rathauschefin nun erneut die Entlastung für die Haushaltsjahre 2015 bis 2020. Darunter versteht man das nachträgliche Zugeständnis des Stadtrats, dass ein Bürgermeister in seiner Amtszeit ordnungsgemäß gewirtschaftet hat. Das war Anlass für eine ausschweifende Debatte am Montag: Der Bayerische Kommunale Prüfungsverband (BKPV) monierte, dass der Stadtrat für die Nicht-Entlastung keine maßgeblichen Gründe angegeben habe.

Altgediente Mitglieder des Stadtrates erinnerten sich nun wieder an ungewöhnliche Zeiten. Denn wiederholt hatte John das höchste politische Gremium der Kreisstadt mit eigenmächtigen Entscheidungen überrascht, die nicht immer auf Wohlgefallen stießen. Das hatte Folgen: Eine Mehrheit im Gremium strengte 2018 erfolgreich eine Disziplinarklage gegen John an, über die bis heute nicht endgültig entschieden ist. Und für die Haushaltsführung in den sechs Jahren ihrer Amtszeit war die Bürgermeisterin aufgrund einer Reihe fragwürdiger Entscheidungen kein einziges Mal entlastet worden - ein Vorgang mit Seltenheitswert. Nun befasste sich der Stadtrat erneut mit dem Thema - eine Steilvorlage zur Vergangenheitsbewältigung: Die Aufgabe bestand am Montag darin, stichhaltige Begründungen für eine Verweigerung der Entlastung zu liefern.

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John, die mittlerweile Pfister heißt, war der Sitzung am Montag ferngeblieben; ihr Ehemann, BMS-Stadtrat Josef Pfister, verfolgte die Debatte als Zuhörer. Das Gremium ging derweil auf Zeitreise und erinnerte sich: Etwa an den rechtswidrigen Verkauf des Wangener Weihers zu einem Spottpreis an einen Privatmann (2015). An die umstrittene Aufhebung der städtischen Straßenausbaubeitragssatzung ohne Rechtsgrundlage (2016). An die unzähligen, teuren und ungenehmigten Erweiterungsaufträge zum Umbau des Wasserparks (2017 bis 2020). Oder an die eigenmächtige Beauftragung eines Rechtsanwalts im Verfahren mit der Deutschen Bahn gegen das ausdrückliche Votum des Stadtrats (2019).

"Es war zu Recht, dass wir keine Entlastung gewährt haben", sagte Thomas Beigel (CSU), von 2014 bis 2020 stellvertretender Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses der Stadt Starnberg. Er verwahrte sich gegen die Auffassung des BKPV, der Stadtrat habe John die Entlastung ohne Begründung versagt: "Das ist nicht der Fall", sagte Beigel, und verwies insbesondere auf die Protokolle des Ausschusses sowie die Stellungnahme des Kommunalen Prüfungsverbands: "Der Bericht war niederschmetternd."

Der Löschteich im Starnberger Ortsteil Wangen wurde 2015 von der Stadt an einen Privatmann verkauft. Obwohl das Geschäft rechtswidrig war, kann es nicht rückgängig gemacht werden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Mit dieser Haltung stand Beigel nicht allein. Winfried Wobbe (UWG) plädierte ebenso wie Beigel gegen die Entlastung Johns: "Wir haben uns stets bemüht, Empfehlungen auszusprechen, die wurden aber nicht umgesetzt", sagte Wobbe. "Und es wurde nicht besser." Deutlicher wurde Franz Sengl (Grüne): "Wir wurden wiederholt belogen und betrogen." Ohnehin frage er sich, wie die Verwaltung auf die Idee gekommen sei, "uns die Entlastung Johns zu empfehlen". Die Antwort lieferte Kämmerer Thomas Deller: "Wir brauchen eine Begründung im Beschluss", sagte er, "ich habe 'ein schlechtes Gefühl' reicht nicht".

Vier Mitglieder des Stadtrates wollten John dennoch entlasten: Abgesehen vom BMS-Fraktionskollegen Stefan Kandler vermutete Johannes Glogger (WPS) in der Verweigerung ein "bösartiges Nachtarocken", Ursula Lauer (Grüne) vermochte zur Überraschung ihrer Fraktion "keine juristisch hinreichende Begründung" zu erkennen, und Anke Henniger (FDP) sorgte sich um ein "negatives Außenbild der Verwaltung".

Der Umbau des Starnberger Wasserparks erwies sich als teure Angelegenheit: Aus den ursprünglich kalkulierten 18 Millionen Euro wurden fast 25 Millionen Euro. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Nicht-Entlastung hat freilich keine weitreichenderen Folgen für John. In einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) von 1984 heißt es: "Die Entlastung (...) stellt kein Instrument einer allgemeinen Rechts- oder Zweckmäßigkeitskontrolle oder der politischen Kontrolle dar." Im Hinblick auf das "gedeihliche Zusammenwirken der kommunalen Hauptorgane" ließe sich bestenfalls die Überlegung heranziehen, "dass die Verweigerung der Entlastung (...) dem Ansehen des Bürgermeisters in der Öffentlichkeit und auch als Dienstvorgesetzter der Gemeindebediensteten erhebliche Einbußen zufügen kann". Eine Frage des Vertrauens also, bei der die Umstände des Einzelfalles entscheidend sind.

Ausschlaggebend für die versagte Entlastung dürfte für die Mehrheit im Gremium auch die mögliche Signalwirkung an den VGH gewesen sein: Hier steht weiterhin eine Disziplinarklage gegen John zur Verhandlung an. Zwar hatten die Richter des Verwaltungsgerichts München (VG) die damalige Bürgermeisterin im Juli 2019 in nur sechs von elf Anklagepunkten für schuldig befunden und in erster Instanz zur Kürzung ihrer Dienstbezüge für ein Jahr um zehn Prozent verurteilt - in Summe rund 10 000 Euro. Doch die Landesanwaltschaft hielt die Strafe angesichts der Schwere der Verfehlungen Johns für zu gering und legte Berufung ein. Seither warten viele Starnberger auf den Folgetermin; eine bereits angesetzte mündliche Verhandlung am 16. Februar 2022 war wegen Erkrankung kurzfristig abgesagt worden. Wann es ein abschließendes Urteil in der Causa John gibt, ist derzeit unbekannt.

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