Coronavirus im Landkreis Starnberg:Unmut über die Maskenpflicht an Grundschulen wächst

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Eltern demonstrieren vor dem Landratsamt, Landrat Stefan Frey stellt sich ihnen. Schon am Freitag startet ein Umzug in Wörthsee.

Von Christine Setzwein und David Costanzo, Wörthsee/Starnberg

Väter, die sich mit Schildern an der Grundschule postieren, Eltern, die zum "Laternenumzug mit unseren Kindern für das Recht auf eine unbeschwerte Kindheit" aufrufen, mehr als 150 Kommentare innerhalb kürzester Zeit auf einen Facebook-Eintrag von Landrat Stefan Frey (CSU) zur Maskenpflicht an Grundschulen: Der Unmut über die verschärften Vorgaben der Staatsregierung zur Eindämmung des Coronavirus hat den Landkreis erreicht. Am Donnerstagabend protestierten bereits zwei Dutzend Menschen vor dem Landratsamt.

"Echt anstrengend" empfindet Andrea Torggler das, was gerade in ihrer Schule passiert. Die Rektorin der Grundschule Wörthsee meint damit nicht ihre 211 Schüler, die seien einfach "bewundernswert". Sie meint Eltern, die sie "massiv unter Druck setzen", die sie ständig belehren und sogar auffordern, ihrer "Remonstrationspflicht" nachzukommen. "Ich musste erst einmal nachsehen, was das überhaupt ist", sagt Torggler. Nun weiß sie es: Sie solle sich bei ihrem Vorgesetzten gegen die Maskenpflicht auflehnen.

"Das werde ich nicht tun", sagt die Rektorin, "das ist eine Anweisung, und ich verlasse mich auf meine Vorgesetzten." Die Schüler, die seit März ständig in neue Situationen gerieten, "nehmen die Maske klaglos hin", stellt sie fest. Alle achteten darauf, auch in der Pause, und alle wollten mithelfen, dass andere nicht krank werden. Sollte die Maske einem Kind mal zu viel werden, "bekommt es eine Auszeit, darf auf den Balkon oder nach draußen".

Am Dienstag hatten zwei Männer vor der Schule mit Schildern gegen die Maskenpflicht demonstriert. Sie sei von Eltern angerufen worden, weil Kinder davon irritiert gewesen seien, sagt Bürgermeisterin Christel Muggenthal, die sich daraufhin auf den Weg zur Schule machte. Dort forderte sie die beiden auf, die Schilder runterzunehmen, "damit der Schulfrieden nicht gestört wird". Sie könnten ihre Schilder außerhalb des Schulgeländes aufstellen.

Der "Laternenumzug" und die Maskenpflicht an Grundschulen fielen zufällig zusammen, sagt Veranstalter Max Giesbert. Schon seit längerem hätten Wörthseer Eltern den Umzug geplant, weil wegen Corona nichts mehr stattfinde. "Wir wollen einfach mit unseren Kindern spazieren gehen und zeigen, dass wir verantwortungsvolle Eltern sind", sagt er. Die "eigenverantwortlich entscheiden, besonders wenn es um das Wohl unserer Kinder geht", wie es auf dem Flyer steht, mit dem Eltern per Smartphone zur Demo eingeladen wurden. 50 Teilnehmer habe er zunächst beim Landratsamt angemeldet, nun aber auf 100 erhöht. Start ist an diesem Freitag um 18.15 Uhr am Parkplatz Maistraße. Auf die Abstandsregeln werde geachtet, der Zug werde von der Polizei begleitet, sagt Giesbert. Die Freiwillige Feuerwehr Steinebach/Auing, die den Martinsumzug in der Gemeinde immer gern ehrenamtlich abgesichert hat, wird nicht dabei sein. "Das machen wir nicht", sagt Kommandant Josef Kraus. Wegen der Corona-Pandemie gelte bei der Feuerwehr strenge Maskenpflicht. "Und dann sollen meine Leute neben Leuten gehen, die dagegen protestieren und vielleicht keine Maske tragen? Das passt nicht zusammen."

Eltern protestieren vor dem Landratsamt gegen die Maskenpflicht an Grundschulen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Viktoria Weber kann über den Umzug nur den Kopf schütteln. Ihre beiden Kinder besuchen die Grundschule Wörthsee, tragen die Masken ohne Murren, "weil wir es auch tun". Die Veranstaltung sei angesichts ständig steigender Infektionszahlen unverantwortlich.

In einer Erklärung an die Eltern, die er auch auf Facebook veröffentlichte, schreibt Landrat Frey, dass er Schulen und Kindergärten unbedingt offenhalten wolle. Seine Fachmediziner rieten ihm dringend, die Maskenpflicht nicht aufzuheben, so wie es München für die Grundschulen getan habe. "Meine Kinder sind auch betroffen, beklagen sich aber nicht", schreibt Frey. Er "versuche wirklich, einen verantwortbaren Mittelweg zu gehen. Die Entscheidungen sind nicht einfach!"

Am Abend stellt er sich der nicht angemeldeten Demonstration von etwa zwei Dutzend Menschen - mehr Mütter als Väter, einige mit Kindern, zwar auf Abstand bedacht, aber alle ohne Maske. Frey nimmt seine erst ab, als er mit mehreren Metern Distanz zu ihnen spricht. Die Eltern berichten von Kindern, die unter dem Mund-Nasen-Schutz litten, die sich nicht einmal trauten, ihn zum Essen abzunehmen. Auch wenn Wortbeiträge teilweise ins Verschwörungstheoretische abzugleiten drohten, gelingt es im Gespräch, mehrere konkrete Punkte herauszuarbeiten, um die Lage zu verbessern: Frey versichert, mit Schulleitern zu reden, damit Kinder mit Attest gegen die Maske nicht stigmatisiert werden, dass Schulen belasteten Kindern gleichermaßen Zeit zum Luftschnappen gewähren und dass über die Maskenpflicht im Sportunterricht nachgedacht werde, wenn die Kinder sich ohnehin im Freien mit mehreren Metern Abstand bewegten. Frey nennt die Sorgen "berechtigt", lässt aber an der Maskenpflicht keinen Zweifel, um die Kinder zu schützen. Sonst drohten bald Schulschließungen.

© SZ vom 23.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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