Corona-Pandemie:Booster-Meister

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Bis zu 2500 Drittimpfungen an einem Tag: In den Praxen des Landkreises wird so viel gespritzt wie in keinem anderen Landkreis rund um München

Von Carolin Fries, Starnberg

Impfsprechstunde in einer Hausarztpraxis im Landkreis, das Wartezimmer ist halb leer: "Ja, wo bleiben die Leute denn?", fragt die Arzthelferin. Spritze um Spritze ziehen sie hier zusätzlich zum normalen Praxis-Alltag auf seit dem Frühjahr. Auf die Frage, wie es laufe mit dem Impfen gegen das Coronavirus, macht die junge Frau eine Geste, wonach man in Arbeit ersticke. Erstimpfungen, Zweitimpfungen - und jetzt auch noch der Booster. "Doch es hilft ja nichts, da müssen wir durch", sagt sie und setzt ein gezwungenes Lächeln auf: "Der nächste bitte!", ruft sie um die Ecke.

Bernhard Junge-Hülsing ist stolz auf die etwa 90 Hausarzt-Praxen im Landkreis, die beim Impfen nicht nachließen - "auch wenn der ein oder andere natürlich müde wird", weiß der Starnberger HNO-Arzt, der die niedergelassenen Mediziner in der Pandemie koordiniert. Im Frühjahr spritzten die Ärzte den Landkreis bayernweit an die Spitze, nirgendwo anders in der Region setzten Mediziner mehr Spritzen als im Fünfseenland. Beim Boostern ist es nun genauso: Knapp einem Drittel der Menschen im Landkreis haben die Ärzte bereits eine Auffrischung verimpft - in keinem anderen Landkreis im Münchner Umland sind es mehr. Mit 31,3 Prozent liegt Starnberg knapp vor dem Landkreis Dachau, wo die Ärzte 30 Prozent der Einwohner geboostert haben, und den Landkreisen München und Fürstenfeldbruck mit jeweils 20 Prozent. Im Nachbarlandkreis Bad-Tölz-Wolfratshausen haben die Ärzte bislang erst 14 Prozent der Bevölkerung geboostert - dort dürften die Wartezimmer in den Praxen noch voller sein. In Ebersberg, Erding und Freising liegt die Quote nur geringfügig höher.

Insgesamt haben die Ärzte im Landkreis Starnberg bislang 43 188 Auffrischungsimpfungen der insgesamt 59 055 im Landkreis geleistet, der Anteil des landkreiseigenen Impfzentrums liegt bei unter 30 Prozent. Junge-Hülsing nennt die Leistung der Kollegen "sensationell". Dadurch seien im Landkreis bereits mehr als die Hälfte der vollständig geimpften Personen geboostert. Das liege zum einen an der hohen Ärztedichte im Landkreis. Außerdem "haben wir schon früh angefangen und auch den Abstand zur Zweitimpfung rechtzeitig verkürzt", erklärt der Vizepräsident der Bayerischen Landesärztekammer den Vorsprung im Vergleich zu anderen Landkreisen. Bereits Ende August hat die Kassenärztliche Vereinigung die ersten zwei Drittimpfungen in Starnberg dokumentiert. Zunächst läuft das Auffrischen zögerlich an, in den ersten vier Wochen werden lediglich etwa 400 Booster gesetzt. Doch dann gewinnt die Kampagne an Tempo, und es werden täglich erst hunderte und schließlich kontinuierlich mehr als 1000 Spritzen zur Auffrischung des Immunschutzes gesetzt. Zehn Tage vor Weihnachten verabreichen die Ärzte an einem einzigen Tag knapp 2500 Booster - Rekord.

"Ich bin stolz auf die Ärzteschaft und das Impfzentrum", sagt Landrat Stefan Frey (CSU). Der Zusammenhalt sei nach wie vor groß. Frey ist überzeugt, dass der Booster hilft, "wenn man sich dann tatsächlich infizieren sollte, merkt man fast nichts". Er selbst habe sich fünf Monate nach seiner zweiten Spritze die dritte geholt. "Ehrlich gesagt habe ich keine Lust, Corona zu kriegen." Kurz vor Weihnachten hat der dreifache Vater auch seine Kinder impfen lassen. "Es gibt nur ein einziges Rezept, um aus dieser Pandemie wieder rauszukommen: Impfen, impfen, impfen", sagt Frey. Für ihn sei es nur eine Frage der Zeit, bis die als deutlich ansteckender geltende Virus-Mutante Omikron auch das Infektionsgeschehen im Landkreis beherrscht. Kurz vor Weihnachten wurden die ersten Fälle nachgewiesen, bislang sind 61 Erkrankungen bekannt. Um nicht in eine fünfte Infektions-Welle zu geraten, müsse sich die Impfquote deutlich erhöhen - auch im Landkreis. "Die 75 Prozent reichen nicht, wir brauchen 90 Prozent", sagt Frey. Er spricht sich deshalb deutlich für eine allgemeine Impfpflicht aus, "und zwar so schnell wie möglich". Der Landrat hofft, dass pandemiebedingten Einschränkungen schon bald der Vergangenheit angehören, doch er äußert auch Kritik, denn: "Die Regeln durchschaut auch keiner mehr."

© SZ vom 30.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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