Wirtschaft:Backen, brauen, bangen

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Schätzungen zufolge arbeiten rund 70 Prozent der deutschen Backstuben mit Gas - auch die Bäckerei Kasprowicz in Pähl. (Foto: Georgine Treybal)

Neben den Energiekosten werden auch Zutaten und Material für Bier und Brot teurer. Backstuben und Brauereien bereiten sich auf Engpässe und Mehrkosten im Winter vor - auch, indem sie Preissteigerungen an die Kundschaft weitergeben.

Von Simon Sales Prado, Starnberg

Es gibt in Andechs, unweit vom Ammersee, seit fast vierhundert Jahren eine Bäckerei. Christoph Benedikter backt hier, neben traditionellem Gebäck wie Brezen und preisgekrönten Broten auch immer wieder neue Backwaren. Obwohl die Produkte im höheren Preissegment angeboten werden, konnte der Bäckermeister in den vergangenen Wochen eine Veränderung bei seiner Kundschaft beobachten: Sie schaut genauer auf den Preis und kauft weniger. Wo die Menschen vor einiger Zeit noch Semmeln und kleines Gebäck gekauft haben, greifen immer mehr lieber zum sättigenden Brot. Mehr für weniger Geld.

Die Preise steigen, das Material ist knapp, die Lieferketten stocken: Der Krieg in der Ukraine wirkt sich ganz unterschiedlich auf Menschen aus, von Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln sind allerdings besonders viele betroffen - auch, weil einige Lebensmittelsektoren sehr energieintensiv sind. Eigentlich werden die wirklichen Kostensteigerungen erst erwartet, wenn im Herbst die Gaspreise erhöht und im nächsten Jahr langfristige Lieferverträge auslaufen und neue Preise festgesetzt werden. Doch schon jetzt spüren Bäckereien und Brauereien die Änderungen und müssen sich vorbereiten - auch im Fünfseenland.

Christoph Benedikter beobachtet in seiner Bäckerei, dass Kundinnen und Kunden immer mehr auf die Preise achten. (Foto: Nila Thiel)

Die Bäckerei Kasprowicz betreibt ebenso wie die meisten Mitbewerber ihre Backstuben mit Gas

"Wir haben bei den Energiekosten eine Steigerung von 500 bis 600 Prozent", erklärt Julian Kasprowicz von der Bäckerei Kasprowicz. Schätzungen zufolge arbeiten rund 70 Prozent der deutschen Backstuben mit Gas. Das ist auch bei Kasprowicz so, alle Öfen werden mit Erdgas betrieben. Die Bäckerei hat in den vergangenen Jahren expandiert, sie vertreibt ihre Produkte in Supermärkten im ganzen Fünfseenland. Um Wachstum oder Gewinne dreht sich derzeit aber nichts mehr. "Unter dem Strich geht es darum, kostendeckend zu arbeiten", so Kasprowicz.

Um das zu erreichen, müssen Betriebe neue Wege finden, um Energie zu sparen. Unlängst erklärte die Hofpfisterei, immerhin eine Bäckerei mit mehr als 1000 Mitarbeitern, dass das Brotsortiment reduziert werde, um Gas zu sparen. "Wir versuchen, wo es möglich ist, Ressourcen zu schonen", erklärt auch Kasprowicz. Das heißt: Aufheizzeiten werden verkürzt, Backwägen immer voll gebacken, Leerlaufzeiten vermieden, Retouren und Überproduktion sowieso. Was aber, wenn das Gas irgendwann fehlt? Christoph Benedikter in Andechs hat für den Notfall vorgesorgt: Für einen seiner zwei Öfen hat er einen Ölbrenner gekauft, außerdem hat er die Öltanks im Keller wieder gefüllt. Auch das eine Investition, die sich nicht jeder Betrieb leisten kann. Rund 2500 Euro hat der neue Brenner gekostet - ohne die Montage.

"Wir haben bei den Energiekosten eine Steigerung von 500 bis 600 Prozent", erklärt der Bäcker Julian Kasprowicz - hier legt er selbst Hand an. (Foto: Georgine Treybal)

Hinzu kommt: Mit den Maßnahmen lässt sich das Problem zwar dämpfen, aber nicht lösen. Schließlich steigen auch alle anderen Kosten für die Herstellung von Brot: Es gibt wenig Personal, Getreidesorten wie Weizen sind teuer und der Markt instabil. Manchen Bäckereien hängt noch die schlechte Getreideernte aus dem Vorjahr nach, die unter anderem wegen Unwettern und wenig Sonne unterdurchschnittlich war.

"Wir spüren eine große Unsicherheit im gesamten Umfeld", sagt Florian Schuh vom Starnberger Brauhaus

Das geht auch den Brauereien so. Sie registrieren nicht nur die höheren Energiepreise, sondern auch die Kostensteigerung bei den sogenannten Vorprodukten für das Bier: Malz, Etiketten, Flaschen, Kästen. "Wir sehen eine große Unsicherheit im gesamten Umfeld", erklärt Florian Schuh vom Starnberger Brauhaus. Bisher geht es der Brauerei vergleichsweise gut. Wenn aber die Vorprodukte teurer werden und die Zulieferer Engpässe haben, wird auch das Brauhaus die Krise stärker zu spüren bekommen: Die Malzpreise, so Schuh, seien mehr als doppelt so teuer geworden. "Eine Gefährdung spüren wir im Moment nicht, aber wenn es die Brauereiwelt weiter durchwirbelt, dann wird es uns am Ende auch erwischen."

Würde gerne expandieren: Florian Schuh, der Gründer des Starnberger Brauhauses, in seiner 2021 fertiggestellten Brauerei in Wieling. (Foto: Nila Thiel)

Das Brauhaus am Starnberger See hat eine große Photovoltaikanlage auf dem Dach, außerdem sind die Brauanlagen modern und energetisch auf dem neuesten Stand. Weil man Flüssiggas bezieht, ist man auch nicht von russischem Gas abhängig. Eigentlich plant die Brauerei, zu erweitern, dafür will man weitere Tanks anschaffen. Weil die Hersteller der Tanks aber die Preise nicht einschätzen können, können sie gar nicht erst ein Edelstahlpreisangebot machen. Wer jetzt zugreift, muss blind einkaufen - und den vollen Preis zahlen.

"Wir versuchen zu sparen, wo es vernünftig ist oder qualitativ machbar ist."

Brauereien erhitzen jeden Tag große Mengen Flüssigkeit und kühlen sie dann wieder ab. Das erfordert so viel Strom, dass die Bierindustrie nach der Chemie als die Branche mit dem zweithöchsten Energieverbrauch gilt. "Wir versuchen zu sparen, wo es vernünftig ist oder qualitativ machbar ist, bei Rohstoffen und Energieversorgung", sagt Schuh. Aber man sei nun mal auf Kühlketten angewiesen. "Wir könnten die Produktion runterfahren, ansonsten lässt sich in unserem Bereich kaum Energie einsparen."

Das Starnberger Brauhaus plant eigentlich eine Erweiterung, doch es hakt bei den dafür nötigen Tanks - die Hersteller können bei den Preisschwankungen kein Edelstahlpreisangebot machen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Stellschrauben, um wirklich weiter einzusparen, gibt es kaum - das sagen die meisten Betriebe . Sie seien schließlich immer darauf angewiesen, möglichst wirtschaftlich zu produzieren. Die einzige Möglichkeit sei, sagt Schuh, an das Produktionsvolumen ranzugehen. Oder an die Preise.

Bei den Bäckereien ist das längst Realität. Wie der Andechser Bäcker Benedikter musste auch Kasprowicz die gestiegenen Kosten bereits in Teilen an die Kunden weitergeben. "Wir haben schon im April die Preise angepasst, als klar geworden ist, dass die Situation sich auf uns auswirkt", sagt Kasprowicz. "Das war eine Erhöhung von fünf Prozent, wir werden mit Sicherheit die Preise nochmal anpassen müssen." Wann genau und wie hoch - das weiß im Moment noch niemand.

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