Wahlen in Bayern:Was macht eigentlich der Bezirkstag?

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Der Bezirkstag wird erneut 82 Mitglieder haben. (Foto: Bezirk Oberbayern)

Das Gremium wird gleichzeitig mit dem Landtag gewählt, ist jedoch deutlich weniger bekannt. Dabei werden dort Entscheidungen getroffen, die vor allem für den sozialen Bereich von großer Bedeutung sind.

Von Linus Freymark, Starnberg

Wenn die Wählerinnen und Wähler am 8. Oktober den Gang an die Urnen antreten oder vorab ihre Stimme per Briefwahl vergeben, geht es nicht nur um die Besetzung des neuen Landtags. Denn seit 1954 wird gleichzeitig mit der Sitzverteilung im Maximilianeum auch die Zusammensetzung des neuen Bezirkstags bestimmt.

Doch was ist dieses Gremium eigentlich? Was hat es in den vergangenen fünf Jahren erreicht? Und wie wird es gewählt?

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Jeder der sieben bayerischen Bezirke hat einen eigenen Bezirkstag, der sich vor allem um sozialen und gesundheitspolitischen Themen annimmt: So kümmern sich die Gremien in ihren Zuständigkeitsgebieten unter anderem darum, dass es genügend Angebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen und für Suchtkranke gibt. Auch organisiert der Bezirkstag die Sozialhilfe für Menschen mit Behinderung, den Betrieb von Schulen für Kinder mit Hör- oder Sprachschwierigkeiten und ist obendrein in Bereichen der "Kultur- und Heimatpflege" und dabei insbesondere für die Erinnerungskultur zuständig. Dabei ist der Bezirkstag nicht befugt, Gesetze zu erlassen. Er kann aber für Veränderungen auf den Gesetzgeber einwirken und innerhalb der bestehenden Gesetzgebung Entscheidungen vollziehen.

Dafür steht dem oberbayerischen Bezirkstag ein nicht unbeachtliches Budget zur Verfügung: Das Gremium hat jährlich mehr als zwei Milliarden Euro zu verwalten, mehr als 90 Prozent davon fließen in den sozialen Bereich. Ein Großteil der Beratungen dazu findet in den zahlreichen Ausschüssen statt. Die Vollversammlung des Bezirkstags kommt in der Regel zwei Mal pro Jahr zusammen, in diesem Jahr gab es noch eine zusätzliche Sitzung aller Bezirksräte aus ganz Bayern.

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Mit Harald Schwab (CSU) und Martina Neubauer (Grüne) treten etablierte Kräfte an. Doch auch die anderen Parteien wollen Kandidaten aus dem Stimmkreis in den Bezirkstag schicken - die jüngste Bewerberin stellt die SPD.

Von Linus Freymark

Die bayerischen Bezirke - und damit auch die sieben Bezirkstage - sind mit Blick auf die gesamte Bundesrepublik eine Besonderheit. Lediglich in Nordrhein-Westfalen gibt es mit den Landschaftsverbänden ähnliche Gremien. Anderswo sind die Aufgabengebiete der Bezirkstage oft in Zweckverbänden organisiert. Auch in Bayern ist dies immer wieder diskutiert worden. Letztendlich hat man jedoch an den Bezirkstagen festgehalten.

Der Bezirkstag von Oberbayern umfasst 82 Mitglieder, gewählt wird ähnlich wie beim Landtag: Jeder Stimmkreis entsendet einen Direktkandidaten, zusätzlich besteht für Bewerber die Möglichkeit, über die Liste ihrer Partei einzuziehen. Der Stimmkreis Starnberg wird gegenwärtig von zwei Bezirksräten vertreten. Harald Schwab (CSU) ist der direkt gewählte Repräsentant der Region, Martina Neubauer von den Grünen ist über die Liste eingezogen.

Harald Schwab von der CSU will auch in der nächsten Amtsperiode am Ball bleiben. (Foto: Arlet Ulfers)
Martina Neubauer sitzt mit Unterbrechungen seit 1994 im Bezirkstag. (Foto: Georgine Treybal)

Das Wahlprozedere ist im Grunde identisch mit dem der Landtagswahl. Es gibt Überhang- und Ausgleichsmandate, womit die Größe des Bezirkstags von Amtsperiode zu Amtsperiode variiert. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied im Vergleich zur Sitzverteilung im Maximilianeum: Es gibt nämlich keine Fünf-Prozent-Hürde. Somit sind im aktuellen Bezirkstag von Oberbayern auch Vertreterinnen und Vertreter kleinerer Gruppierungen wie ÖDP und Bayernpartei repräsentiert. Sogar die Tierschutzpartei hat einen Sitz ergattern können - mit gerade einmal 0,7 Prozent Stimmanteil.

Von den derzeit 82 Sitzen im oberbayerischen Bezirkstag hat Schwabs CSU aktuell 26 Sitze erobern können, Neubauers Grüne sind mit 18 Vertretern zweitstärkste Kraft. Mit diesen Mehrheitsverhältnissen lässt sich ja wohl durchaus einiges bewegen. Ein Anruf also bei den beiden Starnberger Bezirkstags-Urgesteinen und die Frage: Was hat sich denn in den vergangenen fünf Jahren getan?

So einiges, sagen beide. Und beide nennen sie einen Erfolg als die größte Errungenschaft seit 2018: die Einrichtung des Krisendienstes Psychiatrie. Dieser bietet 365 Tage im Jahr rund um die Uhr telefonische Beratungen in akuten Notlagen an. Manchmal schicken die Mitarbeiter aber auch Einsatzteams zu den Betroffenen, um vor Ort Hilfestellung zu geben. "Jeder kann anrufen und wird kompetent beraten", erläutert Schwab. Und dieses Angebot werde "super gut angenommen", berichtet Neubauer.

Des Weiteren habe der Bezirk die Weichen gestellt, dass in jedem Landkreis Pflegestützpunkte etabliert werden können, so Schwab. Und Neubauer ergänzt: Der Bezirkstag habe unter anderem erreicht, dass die Pflege von Menschen mit psychischen Erkrankungen inzwischen überwiegend regional und nicht mehr zentral erfolgt. Dies komme den Betroffenen extrem zugute.

Wenn der Bezirkstag aber doch so viel Gutes tut - warum ist er in der Öffentlichkeit dann nicht so präsent wie der Landtag oder ein Stadt- oder Gemeinderat? Nun ja, sagt Schwab, viele Menschen könnten mit den Themen erst was anfangen, wenn sie persönlich davon betroffen sind - etwa, weil ein Familienmitglied plötzlich pflegebedürftig wird. Auch Martina Neubauer stellt fest, dass der Bezirkstag keine so große Beachtung findet wie andere politische Gremien. "Dabei bringen wir so viele Dinge auf den Weg - vor allem natürlich im Sozialen", sagt sie. "Ich finde, der Bezirkstag hätte durchaus mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit verdient."

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